Faksimile 0056 | Seite 48
Faksimile 0056 | Seite 48
Faksimile 0056 | Seite 48
artig Artigkeit
Ārtig, a. (~keit, f.; –en): 1) arthaft (ſ. d. u.
I. Art). Dazu auch: Ein frei-a–er Acker, über deſſen
Beſtellung und Feldarten der Beſitzer frei ſchalten kann.
2) was eine Art hat, ſelten außer in Zſſtzg.,
z. B.: Ein aal-a–er, der aal-a–ſte Höfling; Das berg-a.
terraſſenweis unterbrochene Land. G. 19, 395; Menſchen,
die berg-a. waren. 18, 36; Einer elaſtiſchen Flüſſigkeit, ſie
ſei nun luft-, dunſt- oder feucht-a. Sch. 2, 176 und ſo ins
Unendliche (vgl. -ähnlich, -haft). Doch z. B. auch:
Eine ſolche abgeleitete Tugend wird ein Gleichnis, ein Bild,
ein A–es genannt. G. 39, 76 [was die Art des Urſprüng-
lichen hat, vgl. 152; 173: Als Wirkung, Gleichnis,
Gleich-a–es]. 3) der guten Lebensart gemäß und,
da dieſe in Feinheit und Gewandtheit des Benehmens,
in Schliff und Politur, kurz in Außerlichkeiten ſich
kundgiebt, ſo bezieht ſich a. und der Ggſtz. un-a. nach
heutigem Gebrauch (ſ. Anm.) nicht auf die innre Art
und Natur, auf das Weſen des Ggſt., ſondern auf das
Außre. So geht was vielleicht im erſten Augenblick
gegen das Geſagte zu ſprechen ſcheint, a., un-a. von
Kindern als Bez. des Wohl- oder Ubelverhaltens, des
geſitteten oder ungeſitteten Betragens, doch nur auf das
Benehmen, als äußre Kundgebung der Zucht (vgl.
ſinnverwdt.: Wohl-, ungezogne Kinder), nicht auf die
innre Art und Weſenheit. So werden ruhige Kinder
oft a. genannt, ohne daß ſie beſſer wären als die wil-
den und unartigen: Er iſt ein guter Junge, aber oft un-a.;
ſein Bruder iſt a–er, aber nicht ſo gut. Wird a. in Bezug
auf die Sitten Erwachsner gebraucht, ſo bez. es eben-
falls das äußre Wohlverhalten, beſ. das Feine, Zier-
liche, Gewandte des Benehmens, das Galante: Ein
galanter Herr iſt a., zuweilen auch über-a. und zudringlich
und dadurch un-a.; Einer Dame A–keiten [Komplimente]
ſagen. G. 21, 218 u. o. Ferner gilt a. (aber nicht
un-a.) von Perſ. und Sachen als Bez. des durch äußre
Nettigkeit, Niedlichkeit, Zierlichkeit einen wohlgefälligen
Eindruck Machenden (ſinnverwdt.: hübſch): Da er aus-
bleibt, war das wenigſtens nicht a. [höflich], daß er zu kom-
men verſprach. B. 301 a; Ei, a–e [hübſches] Spielding!
Chamiſſo 3, 303; Schönheiten und a–e [hübſche] Mädchen.
Forſter B. 1, 447; Daß die Schönheit der Dichter .. in der
Miſchung der Dialekte, in hundert A–keiten [feinen Kleinig-
keiten] beſteht. A. 1, 83; Ein a–es [nettes] Haus. G. 13,
229; An einem a. beſetzten Tiſch. 14, 10; Sehr a–e fran-
zöſiſche Verſe. 165; Sie ſind ein junger, a–er [feiner, ga-
lanter], hübſcher Mann. 171; Daß ich mit Friederiken zu
a. [freundlich, ſchön] gethan. 36; Eines Frauenzimmers,
die ſich am a–ſten gegen mich erwieſen. 22, 8; Daß Tugend
lächerlich und Laſter a. [zum feinen Ton gehörend] wird.
Haler 121; Mit der a–ſten [höflichſten] Art zur Thüre
herausſtoßen. L. 2, 411; Groß willſt du und auch a. ſein? |
Marull, was a. iſt, iſt klein. 1, 2; Daß das Große, das
Schreckliche, das Melancholiſche beſſer auf uns wirkt, als das
A–e, das Zärtliche. 6, 41 ꝛc. 4) (ſ. 3) wie hübſch,
nett ꝛc., oft im Gegenſinn, ſinnverwdt.: tüchtig, ge-
waltig, ſehr ꝛc.: So geb’ ich denn euren zwei tüchtigen
Backen | zur Kurzweil drei a–e Nüſſe zu knacken. B. 66 a;
Daß wir a. gepflückt worden ſind [tüchtig haben bezahlen
müſſen]. Forſter B. 1, 155; So mag es manchmal a. über
mich hergegangen ſein. L. 12, 459 ꝛc.
Anm. Zu 3: gegen den heutigen Gebrauch zur Bez. des
innern Weſens: Un-a–e [böſe] Väter haben gewöhnlich un-
geſchlachte Kinder. Schaidenraißer 14 a und mit Uml. (z. B.
auch H. Sachs 1, 511 ꝛc.): Von dem unärtigen Niemands.
39 a [Odyſſ. 9, 460] ꝛc.
Zſſtzg: 1) [2] mit allen konkret zu faſſenden
Hauptw.: Affen-a; Die Affenartigkett des Negers ꝛc.
2) in beſonderm Sinn mit einzelnen Hauptw.: Der
Deutſche begab ſich bei den Franzoſen in die Schule, um
lebens-a. zu werden [Lebensart zu gewinnen]. G. 21,
53. Die mund-a–e Haltung der Volksſchrift. Auerbach
SchV. 244; vgl. Mundartlich ꝛc. 3) mit Ew.,
Fürw., Zahlw., vgl. II. Arten 4, z. B.: Durch an-
ders-a–e [Ggſtz.: eigen–a.] ſittliche, rechtliche und ſtaat-
liche Begriffe das Deutſchthum verunſtalten. Jahn M. 206.
Dazu ſind ihm verliehn die beider-art’gen Zähne, | die
einen von dem Lamm, die andern der Hyäne. Rückert OV. 4,
161. Ein bösartiges Fieber. L. 11, 448; Die Un-
klugen ſowohl als die Bös-a–en. G. 10, 179; Die Unarten
(ſ. unter 4), ja manchmal die Bös-a–keiten meiner Geſellen.
20, 34 ꝛc. Von etwas Der-a–em kann bei Leſſing nicht
die Rede ſein. Danzel 4 ꝛc., vgl. als adv.: Derart. Die
liebe deutſch-a–e alte Felſenſchrift. Klopſtock 12, 406.
Der Daktylus, welcher eigen-a. [eigenthümlich] wirkt.
Eckermann G. 2, 108; Nach trefflicher, eigen-a–er Beſtimmung.
G. 27, 242; Auf beſondere preußiſche Eigen-a–keiten erpicht.
Droyſen Y. 274; Eine der Eigen-a–keit des Stoffes ſo ganz und
gar entſprechende Form. Freiligrath H. X. Sein Philoktet,
Ajax ꝛc. nähern ſich dem Ein-a–en ihres Urſprungs, dem dra-
matiſchen Bilde mitten im Chor. H. 13, 243; Die Behauptung
der Ein-a–keit des Menſchengeſchlechtes [der Abſtammung von
einem Stammpaar]. Vogt Köhl. 38. Jm fremd-a–en
Volk. V. Od. 8, 211; Die abſtoßende Fremd-a–ket dieſer
Natur. Sch. G. 2, 84 ꝛc. Sage ich gleich-a. [homogen],
ſo heißt Das [im Gegentheil] immer noch zuſammengeſetzt.
G. 38, 89; Dieſe Gleich-a–keit nehmen wir in der ganzen
Maſſe wahr. FSchlegel Gr. 156; Ungleich-a–e Maſſe ꝛc.,
und in Bezug auf mehrere verglichne Ggſt.: Seinen
gleich-a. [ihm gleich] ſtrebenden Zeitgenoſſen. Burmeiſter gB.
2, 97; Dem gleich-a–en Kinde des Pfarrherrn. V. Luiſ. 3,
2, 435; Kein | ungleich-a–es Kind ſchimpft die Gebärerin.
Ramler 193; Das ungleich-a–ſte Geſchöpf mit Amorn. W.
10, 122. Nach groß-a–en Thaten. Platen 2, 276;
Groß-a–keit des Unternehmens; Noch viel mehr Groß-a–keiten
[großartige Dinge]. Rahel 1, 468. Das gut-a–ſte
Geſchöpf (ſ. Bös-a.); Allgehorſam und Fraubaſen-Gut-
artigkeit. Heinſe A. 1, 90. Hundert-a–e deiner Kinder.
H. 15, 160. Durch tauſendart’ge Gaben. W. 11, 176.
Mit den verſchieden-a–ſten Leuten zu verkehren. Im-
mermann M. 3, 256. Das nahe Murgthal mit ſeiner
viel-a–en Betriebſamkeit. Enſe Denkw. 1, 6; 177; Viel-a.
an Kraft und Verſtand, doch desſelbigen Vaters | Kindlein
alle. V. 1, 26; Die Vielſeitigkeit und Viel-a–keit des deut-
ſchen Volks. Arndt Ber. 316; Eine viel-, zwei-, drei-,
vier-a–e Gattung ꝛc. 4) mit Vorſ., welchen Zſſtzg.
ſtatt der Fortbildungen auf –keit im Allg. die Zſſtzg.
von Art (ſ. d.) entſprechen, z. B.: Ab-a–e Bienen, die
nicht mehr ſo gut ſind, wie früher. Krünitz 1, 30; Die
über die ab-a–e Bildung des Engels ſo ſcheu ward. Thüm-
mel 3, 30. Aus an-a–em [angeartetem] Muthwillen.
SClara Jud. 1, 59. O ſchwarzfarbes Dunkel der Nacht, |
was ſendeſt du den miß-a–en Traum mir? V. Ar. 3, 194.
Un-a. [3]: Un-a–e Kinder; Fuhr er den Beſuch ein
wenig un-a. an. Engel 12, 24; Seit mir meine Vorſicht
einen ſo un-a–en Streich geſpielt. G. 14, 53 ꝛc., und vgl.:
Man lobt die Artigkeit und tadelt die Unart eines Kindes;
Einer Dame Artigkeiten, der andern Unarten ſagen; Die Un-
arten, ja manchmal die Bösartig keiten meiner Geſellen.
G. 20, 34; doch hört man zuw. Un-a–keit. Wi-
der~a–e Wörter wären’s, welche die franzöſiſche Sprache aus
der deutſchen nähme. Klopſtock Spr. 2, 11, Nicht das Fremde
verwerfen ſie, nur das wider-a–e Fremde. Kolbe Sprachreinh.
107 ꝛc.