Arm
Stimme
I. Arm, m., –(e)s; –e; Ärmchen, (e)lein; -: 1) der
Theil des menſchlichen Körpers von der Schulter bis an
die Hand (anatomiſch: bis zum Ellbogen = Ober-A.,
v. da ab bis z. Hand: Vorder-, Unter-A.), oft im Ggſtz.
zu Bein: A. und Bein [Hand und Fuß] haben. Kl. Bren-
tano Fr. 1, 57; Einem Arm und Bein entzweiſchlagen. G. 10,
126; Zittern mir Arm und Bein. 176 ꝛc. — a) Den A.
heben, er-, auf- heben; nach Etwas (aus-) ſtrecken; Die A–e
in die Seite ſtemmen, kreuzen, unterſchlagen, verſchränken;
Den A. ſteif halten, krumm machen, krümmen, biegen; Einer
Dame, um ſie zu führen, den A. bieten, reichen, geben; Die
A–e [Ellbogen, ſ. d.] frei haben, vgl. f. Die A–e um Je-
mand ſchlingen, ſchlagen. — b) Eine Dame am A. führen;
An Jemandes A. eintreten. W. 11, 159; Den Schild am A.
112 ꝛc. — An meiner Schweſter A–en, | an meines Freun-
des Bruſt. G. 13, 75 ꝛc. vgl.: In euren A–en. 34, 18. —
c) Ein Kind auf dem A. haben, halten, tragen; es auf den
A. nehmen; An ihrer Bruſt, auf ihrem A. | hat ſie ihn ein-
geſungen. Freiligrath Pol. 1, 74. — d) Sich aus Jemandes
(z. B. auch: des Schlafs, ſ. 2) A–en (los)reißen, winden;
Jemand Einem aus den A–en locken. G. 13, 21 ꝛc. —
e) Ein Kind in den A–en, im A. tragen, halten, haben, wie-
gen; Einem im A., in den A–en liegen, ruhen, ſich ſchmiegen;
Einen in die A–e, in (den) A. nehmen, ſchließen; Einem in
die A–e fallen; Sich (einander) in die A–e fallen, ſchließen,
ſchlingen; Sich Einem in die A–e werfen, auch bildl.: ſich
ihm übergeben, überlaſſen, z. B.: Dem Schlaf, der
Wolluſt ꝛc.: In deinem Arm, an deiner Bruſt. Freiligrath
Garb. 75; Der hatt’ ein armes Mädel jung | gar oft in A.
genommen. G. 1, 144; Ich nahm ihn in [unter den, ſ. h.]
A. und ging mit ihm auf und nieder. Heinſe A. 1, 84; 15 ꝛc.
— Nam. auch: A. in A. mit Jemand gehn, eig.: ſo, daß
die gebognen Arme in einander verſchlungen ſind und
man ſich gegenſeitig ſtützt, übertr.: innige, liebevolle
Verbindung bezeichnend (vgl. Hand in Hand): A. in A.
mit Dir, | ſo fordr’ ich mein Jahrhundert in die Schranken.
Sch. 254a (ungewöhnl.: A. in A–e, 756b). — Auch
ſubſt.: Noch ſo ein Arm-in-Arm! [vertraut zuſammen
gehendes Paar]. Müllner 7, 254. — f) Etwas mit ſteifem
A. aufheben; Einen mit A–en faſſen. G. 13, 49; Uhland 312;
Mit offnen A–en [mit größter Freude und Bereitwillig-
keit] aufnehmen. 25. Ahnlich: Offnen A–s. Sch. 2b;
Fahre ich nun mit froherem Muth und freieren A–en [Ell-
bogen, ungehinderter] in meiner Erzählung fort. W. 19,
172 ꝛc. — g) Über den A. arbeiten (bergm.), mit der
Rechten über den Arm weg, vgl.: Zur Hand arbeiten.
— h) Etwas unterm A. haben, halten; Einen unter den
A. nehmen, faſſen; Mit Gewandtheit faßte der Arzt Egon
unter m A. Gutzkow R. 5, 29; Einem [ſeltner: Einen, Forſter
R. 1, 17] unter die A–e greifen, ihm helfen, z. B. auch
(ſ. 2): Dem blinden Zufall unter die A–e greifen. Ruge Rev.
1, 140 ꝛc. — 2) Auch allegoriſchen — zunächſt in menſch-
licher Geſtalt gedachten — Weſen werden A–e beigelegt
(ſ. 1): Als die Todesangſt mit eiſ’gem A. mich faßte. Beer
Arr. 7; Wer hat des Verſtandes A. gemeſſen | und wer be-
ſtimmt, wie weit er reichen kann? Blumauer 1, 8; Den du
aus den A–en der Verzweiflung retteſt. G. 13, 239; Im
ſanften Arm des Glücks gewiegt. 264; Dem ehernen Geſchick
ſie aus den A–en zu tragen. 23; Ihn hält die Ewigkeit mit
ſtarken Armen feſt. Haller 167; Vom weichen Arm der Ein-
ſamkeit umſchlungen. Pfizer 271; Ruht er zärtlich in der
Schönheit A. 321; Mit Rieſen-Armen reißt die Zeit das
Neue hervor. Rahel 1, 342; Mich weckt .. mit rauhem A. die
Gegenwart. Sch. 48b; In deinen A–en .., Natur. 77a; Dem
A. der Juſtiz zu entlaufen. 104a; Dem verwüſteriſchen A. der
Barbarei. Zſchokke 1, 263 u. ä. m. — Ferner, wo —
vgl. 1 und 6 — überall der A. als ausgeſtreckt, weit-
reichend, oder als umfaſſend, ergreifend, haltend gilt:
Das Waſſer habe mit verliebten Armen nach der ſchönen Aue
gegriffen. Fouqué 8, 5: Ocean, der mit ausgeſpannten A–en
unſer wartet. G. 2, 44; Welke Blumen ſinken traurig | in
der Fluthen A. hinab. Gottſchall G. 49; Wie nicht der Erd-
leib ſchwankt, | weil ihn der A. umflicht | der Luft. Rückert
Roſt. 90a; Das Feuer würde ſeine vernichtenden Flammen-
A–e über den ganzen Flecken geſchlagen haben. Scherr Nem.
1, 212; Der Mondſchein breitet ſeine weichen, ſchlaftrunkenen
A–e um deine [der Knoſpe] Hülle. Tieck A. 2, 23 ꝛc. —
3) A. als Symbol thätig wirkender Kraft. So bibl.:
Gottes gewaltiger, ſtarker, mächtiger, ausge(ſt)reckter A. ꝛc.;
Der Herr wird ſeinen Arm [Macht] an den Chaldäern be-
weiſen. Jeſ. 48, 14; Und ich habe nicht A–e, nicht Mark, wie
ihr [Männer]. G. 9, 222; Daß wir noch A. und Muth
genug haben, uns zu vertheidigen. 10, 10; Wie verkürzen ſie
6*
in Wien ihm nicht den Arm, | beſchneiden .. . ihm die Flügel!
Sch. 332a u. o.; Einen mit Mund und A. [mit Hand und
Mund, = mit That und Wort] vertreten. B. 186a ꝛc.
— Nam. auch zur Bez. der Arbeitskraft: Ihr habt ja
zwei geſunde A–e; Arbeit giebt’s immer. Lewald W. 4, 127;
Freiligrath Pol. 2, 72 ꝛc. — Dann auch als Theil fürs
Ganze = Held, Arbeiter ꝛc.: Gott laß ihn mitleidige
Herzen und tapfre A–e in England finden, um den verfluchten
A. [Tyrannen] zu zerbrechen, der ſchwer auf unſerm armen
Vaterland liegt. B. 306a; Jrland hat ſelbſt müßige A–e
[Arbeitskräfte] genug. Kohl I. 1, 254; Er iſt der A. des
Jünglings in der Schlacht, | des Greiſes leuchtend Aug’ in
der Verſammlung. G. 13, 57; Der beſte Mann im Land, der
bravſte A. Sch. 539a u. o. — Nam. auch: Jemands rech-
ter A. [rechte Hand], zur Bez. einer Perſon, ohne die er
Nichts vermag. G. 16, 191; 17, 161 ꝛc. — 4) zur Bez.
eines Maßes ſ. Arm-dick, -lang, -voll ꝛc., auch: Die
Stimme, die, möcht’ ich ſagen, wie ein A. ſo ſtark aus ihrer
Kehle ſtrömt. Heinſe A. 2, 248. — 5) auch von Thieren,
zunächſt die Vorderfüße aufrechtgehnder oder ihre Beute
ſpringend damit packender Thiere, bei Luther auch von
Schaf und Ochſen (5. Moſ. 18, 2); bei Pferden der
Vorderſchenkel v. der Schulter bis z. Knie, auch Vor-A.
(Kegel); bei Vögeln der dem Rumpf nächſte Knochen
am Flügel, auch Hinter-A.; bei Krebſen die Vorder-
füße, woran die Scheeren; auch die fußförmigen Anſätze
am Hinterleib; bei vielen Weichthieren die ihnen zum
Fang dienenden dicken Fäden am Körper, Fang-A–e ꝛc.:
Vögel. .., regt Ärmelein und Beine. Auerbach Ab. 251; Pan-
ther-A–e. G. 2, 38; Der Bär iſt in vordern Schenkeln oder
A–en ſehr ſtark. Ryff Th. 90; Polypen-A–e. Sch. 101b;
Zwiſchen den beiden A–en einer Fangſcheere. Vogt Oc. 2, 4;
Fang-A–e. 24; Kneif-A–e. 10; Kneip-A–e. 87; Die
Hummer-A–e. V. Ov. 2, 173 ꝛc. — 6) überh. ein
ſich ſeitlich abzweigender, armartig hervorſtreckender
Theil (vgl. 2), z. B.: a. Aſt (ſ. d.), Zweig einer
Pflanze ꝛc.: Brotbaum neigeſt hier die vollen A–e nieder.
Alxinger D. 181; A–e ſeines Gezweigs. IP. 21, 29; Die
Palme hebt ihre Fächer-A. Lewald W. 2, 99; Ihre gewal-
tigen Wurzel-A–e um das Geſtein geſchlungen. Roquette
Hühn. 20 u. o. — b) ein von einem Gewäſſer ſich ab-
zweigender Theil ꝛc.: Ein A. des Fluſſes. Forſer R. 1, 212;
Auf dieſem A. der See. 124; See-A. 136; Meeres-A.
Uhland 239; Ein Bach-A. Kohl A. 3, 277; Den Mühlen-
bach-A. Gutzkow R. 2, 82; Seiten-A. des Fluſſes. Keller
gH. 3, 1; Nachdem beide Nil-A–e ſich vereinigt. Burmeiſter
Gſch. 12; Rhein-A. Hebel 3, 421 ꝛc. — Ähnlich auch:
Ein nachſtürzender A. des Schneeſtroms [der Lawine]. Kohl
A. 1, 269; Neben-A–e einer Lawine. 3, 49 ꝛc. — c) ſich
lang und ſchmal hinſtreckende (Seiten-) Theile ꝛc.: Nach
zwei Meeren ſtreckt der Berg ſeine A–e [„Schatten-A–e“
45] aus. Bodenſtedt 1, 43; Klippen ſtrecken ihre ſtarren A–e
hervor. Zſchokke 8, 94; Diejenigen Land-A–e, Fühlhörner
gleichſam, mit denen Großbritanien am meiſten nach Irland
hin vorgreift. Kohl E. 1, 257 ꝛc. — A–e eines halbrunden
Vorhofs. G. 23, 304; Zwei parallele Mauer-A–e bilden
eine Thorgaſſe. Hettner gR. 210 ꝛc. — A–e [Flügel] eines
Heers; Solang in dieſes Hafens A–e Segel wallen. Ramler
68 ꝛc.; A. eines Wegweiſers. Höfer V. 139; Gleich dem
A–e von Holz, der Andern zeiget die Straße. Knebel 1, 80;
Was wollt ihr Kneipen all von mir? | Winkt nicht mit eurem
langen A. Schwab 16 ꝛc.; A–e eines Kreuzes. Kohl J. 2,
214; eines Krans. E. 2, 281; Ärmchen eines Quirls. Will-
komm Sag. 1, 67; A–e eines Kronleuchters; Glas-A–e mit
Wachslichtern. Voigts H. 26; A–e eines Lehnſtuhls; des
Throns. G. 5, 100 ꝛc. — A–e des Ankers, die ſich in die
Hände (ſ. d. = Flügel) endigenden Hälften des eiſer-
nen Schafts; eines Knies, die beiden winkelbildenden
Zacken eines Krummholzes; der Säge, die Hölzer, zwi-
ſchen denen das Sägeblatt befeſtigt iſt; einer Scheere, die
Theile, wobei man ſie ſchneidend faſſt; eines Wagens,
zwei Stücke Holz am Vdrderwagen, das dicke Ende der
Deichſel umfaſſend, der Scheere des Hinterwagens ent-
ſprechend; der Waſſerräder, Speichen u. a. m. Nam.
aber bei jedem Hebel die Entfernung des Angriffspunkts
einer Kraft vom Drehpunkt ꝛc., ſo: A. der Wage ꝛc. —
Ferner in den Stampfmühlen die die Stampfen auf-
hebenden Hölzer in der Welle (ſ. Daumen); Hebe-,
Zieh-A. — Dazu viele Zſſtzg., z. B.: Balgen-A.
(Hüttenw.), die vor den Balgenbrettern vorragenden
Hölzer; Beutel-A. (Mühle), das den Beutel ſchüt-
ternde Holz; Glocken-A., der Hebel-A., woran der die
Glocke bewegende Strick hängt; Hebe(l)-A. (ſ. o.);
Pumpen-A., Schwengel; Schlägel-A., in Olmüh-
len der den Preßkeil treibende Baum an der Schlägel-
welle ꝛc. — d) die ſich entſprechenden Reimſätze in ihrer
mannigfaltigen Verſchlingung heißen A–e des Reims. —
7) veralt.: Ärmel. Fauſt Limp. 40.
Anm. Ärme z. B. Creuz Gd. (1757) 87; Forſter R.
1, 38; Hippel Leb. 3, 37; König hohe Br. 1, 265; Leſſing
6, 410; Rückert W. 3, 55 ꝛc.; Armen, nam. bei Schleſiern,
z. B. Günther 151; 199 ꝛc.; Mühlpforth 2, 83; Leich. 144;
Opitz 1, 36; 43 ꝛc., doch auch Haller 94; 182; 202 ꝛc.;
Stahr Weim. 442. — Aus A.-voll wird ſchwzr. Arfel m.
der Fortbildung: Umarfeln = umarmen ꝛc. — Goth.
arms ꝛc., vgl. lat. armus. Vorderbug der Thiere, gr. ἁρμὸς,
Fuge, v. ἄρω, füge. Vielleicht gehört auch lat. ramus (Aſt)
hierher. S. II Anm.
Zſſtz. ſ. v.; ferner z. B.: Ammen-, Vater-, Mutter-,
Rieſen-, Rächer-, Retter-A.; ferner: Lilien-, Schwanen-A.,
nach der Weiße ꝛc. Man beachte nam. die Zſſtzg., um
ein Weſen, eine Perſon nach der Beſchaffenheit des Ar-
mes zu bez., vgl. Armig: Bin zum verkrüppelten Ein-A.
geworden. Zſchokke 8, 144; Riefeſt den Hundert-A. B.
190b [,,den hundertarmigen Rieſen“ V. Il. 1, 402] ꝛc.
— Vorwärts, du wackrer Eiſen-A.! [Mann, mit dem
Arm ſtark wie Eiſen]. Geibel Rod. 180; Kurz- A.; Lang-
A. [z.B. auch ein Affe mit langen Armen, Gibbon); Die
Göttin Schwanen-A. B. 166b ꝛc.
Work in progress
Die Arbeiten am Wörterbuch sind noch nicht abgeschlossen. Beachten Sie daher folgende Hinweise:
- Artikel können falsch segmentiert sein.
- Lemmata können falsch aufgelöst sein.
- Die Struktur, v. a. von Lesarten, kann falsch ausgezeichnet sein.
- Falsch erkannte Zeichen sind nicht auszuschließen.
- Faksimiles können fehlen oder falsch beschnitten sein.
- Das generierte TEI/XML kann invalide sein.