zerren
Zerr-Zerren
er
Zerrenerei
zerrenig
Zérren: I. tr.:
Hüttenw. = zer-rennen (s. d.). II. intr. (haben): veralt., mundartl. (wohl Tonw.) zankend kreischen, schreien etc., z. B.: Da flucht, lästert, plärret, zerret, schreiet und speiet er also. SW. 26, 2 etc.; „Zärren“. 2, 465 und Zsstzg. z. B.: Sie zerrten Beide schrecklich über den Hauptmann ab. helf Sch. 228; Was dann aber auch an einem solchen Abend .. eine Mutter abzerrt, man glaubt es nicht, wenn man es nicht gehört hat. G. 265 etc. Dazu wohl: Zerrer = Zaritzer (s. d. und Schnarre 3a). — III. (s. zehren, Anm. u. 4, 281) tr., auch ohne Obj. oder intr. (haben) und refl.:
1) reißend ziehn:
a) mit bloßem Obj.: Der Schuster . ., der das Leder mit den Zähnen zerrt, bis es so weit langt etc. DQ. 2, 439 etc. und bildl.: Sie [die Phänomene] nach der Erklärung [modelnd] z. und verstümmeln. 40, 7 etc. —
b) (s. a) mit prädik. Ew.: Das Leder lang recken und z.; Den Mund breit z⁴etc. —
c) (s. a) mit abhäng. Präpos., entsprechend dem Wo, z. B.: Zerrte ihn am Fell, biß ihm in die Tatzen. A. 1, 147 etc. und bes. dem Wohin (alphab.): Zerrt unnützeste Gespinnste | lange sie an Licht und Luft. 12, 31 etc.; Einen aus dem Haus auf die Straße z.; Das Feuer aus einander zu z. und zu dämpfen. 17, 61; Die Leidenschaften .. die Alles aus einander z., was.. wohldenkende Menschen zusammenzuhalten wünschen. 77; Aus allem Zusammenhang gezerrt. gH. 1, 238 etc.; Einen oder Etwas in den Koth z.; Man zerrt das koncentrierte Talent in die Zerstreuung. 22, 285; Wenn wir Alles, was in der Bibel steht, in ein System z. wollen. 14, 254; Was könnt’ es uns helfen, sie [die Schöne] in 3 Theile zu z.? 15, 106 etc.; Einem die Kleider vom Leibe z.; Sie haben .. von einander gezerrt 2 Herzen, die Gott an einander band. 205a etc. —
d) refl.: Sich mit Einem (herum) balgen und z. etc. —
e) intr. mit an, z. B.: Der Köter .. | zerrt bald an meines Herrchens Rocke, | bald an dem Degen etc. 32b; Andre z. dran [an dem Armen] und melken, | wie an dem licben Vieh. 3, 29; Da man an seinen Lebensverhältnissen nicht so viel zupfen und z. .. soll. 15, 15; Der Eigenname eines Menschen ist nicht etwa wie ein Mantel, der bloß um ihn her hängt und an dem man allenfalls noch zupfen und z. kann. 21, 238; Zog und zerrte so lange an einem Stücke, bis es herunterrutschte. M. 191; N. 1, 180; GschTh. 384; An dem Mantel der christl. Liebe zu ziehen und zu z., bis er endlich lang genug war etc. Ob. 2, 130; Da zerret an der Glocke Strängen | der Aufruhr. 80a; 83) etc. —
f) intr. (s. e) ohne an, z. B.: Wenn Eines hier aus [hierhin] zerrt, das Andre dort aus, das Eine als Beute betrachtet, was es erzerret, das Andere als Raub, was man ihm abgezerret. U. 2, 63; Es [das Roß] wuchtet erdwärts, zerrt und haut. Sav. 88 etc. —
g) (s. f) im subst. Infin.: Mit vielem Ziehen und Z. | bracht’ er [Reineke] die Keile heraus. 5, 138; 14, 28; 27, 179 etc.: Ich hör euch .. | ein Z. hin, Herr Richter, Z. her. Kr. 72 etc. —
2) zunächst mit Z. (s. 1), dann auch verallgemeint: in ähnl. Weise Einen nicht in Ruhe lassen, ihn quälen, nicht zufrieden lassend, reizen etc.: Einen oder einen Hund — oder: sich mit ihm — z. (oder zergen); Ich will ihn trillen, z. 288b; Er zerrte seine Gespielin so lange, bis diese nachgab und zu ihm kniete und ihm vorlas. 17, 235; Wird so lange gezerrt und getrillt, bis etc. 5, 45; Sich nicht zupfen, foppen, anzapfen, z. .. lassen. 2, 208; Den .. Greis . . zerrt er, närrt er etc. Ar. 1, 49 etc.; auch: Einen ungezerrt lassen; Auch Löwen brauchen Glimpf, doch aber „ungezärret“. 1, 28 etc.; Das ewige Z. und Necken etc. (s. Gezerre). —
3) Dazu (zumeist von Zsstzg.):
a) Eine un- ausstehlich freundliche Zerrung [der Mienen etc.]. 11, 309 etc. —
b) Dem Häßlichzerrer besserer Naturen. 6, 158, s. ver-z., vzl. Zerrerei. — Zsstzg. (vgl. die von reißen und ziehen), z. B.: Áb- (versch. II): Einem Etwas a., s. [1f] etc.; Du sollst dein Herz davon a. [losreißen]. Has 15d; Sie zerrte sich mit aller Kraft .. von der Wand ab. M. 4, 161. — nam. [2]: Einen a.; Der Völker Anlaufen und Anzarren mit Geduld ertragen. Ros. 10b. —
An-: Āūf-: 1) mit Gewalt aufreißen, öffnen: Die Augen a. Parad. 31b; Sie ,, zärten“ ihm das Maul auf. Par. 209a; Schaudernd strebt | die Thür sie auf-zu-z.; | sie reißt und rüttelt. 143. —
2) zerrend emporziehn: Auch den dunkelsten [Grund] an das heilige Licht auf-zu-z. Kleist 169. — Āūs-: Unkraut a. Post. 181b; Dem heiß ich a. all seine Adern. Fastn. 596¹⁵; Sie wußte nicht, wie sie das Maul sollte krumm genug a. Erzn. 399 etc. — Dúrch-: hindurchzerren, -schleppen: Wie eine solche reitende Batterie sich durch die . schlammigen Hügel d. mußte. 25, 57. — Em- pōr-: auf-z. 2. — Ent-: Einem die Beute e., zerrend entreißen. — Er-:
1) (veralt.) statt des Grundworts: Wie der Schuster, das Leder e. Garg. 104a; Ich erzerr ihm sein gelbes Haar. Fastn. 452²³ etc. —
2) Etwas durch Zerren bekommen, gewinnen, s. [1f]. — Fórt-: In Fesseln ward ein Löwe fortgezerrt. Freilich zerrt mir der kleine Ruschelkopf auch die Mutter mit fort [nach, ins 12, 498. — Hêr- etc.: Niemals bin ich von einer solchen Ungewißheit hin- und hergezerrt worden. 26, 8 etc.; Die eig. Streitfrage wird sich wohl bis zur Bildung eines neuen Ministeriums hin-z. [hinziehen, hinschleppen]. 8, 225; Daß man die Schriftstellen aus ihrem Zusammenhange reißet . ., zu seinem Sinne hinzerret. Nat. 83 etc.; Man zerrte so den guten Namen des treffl. Gellert .. hin und wi(e)der [her]. 21, 98; 27, 375 etc.; Welche Hexe .. sich Kühe melkt durch Ständer, | daß die Nachbarin Blut statt Milch heraus- zerrt. 2, 903⁶); Die nicht der umständlichen Pracht von Tempeln und Opfern bedürfen, um ihn [Gott] an ihre Herzen herbei-zu-z. 31, 19; Die Zuschauerschaft aus der Betäubung des Mordspektakels in den Zustand der Lustigkeit hinüber-zu-z. Hamb. 57; Einen herum-z. 15, 177; 34, 304 etc.; Sich mit den Mägden herum-z. Ph. 1, 48 etc. — Nāch-: zerrend nach-schleppen, -ziehn. — Nōth-: (veralt.) nothzüchtigen (s. d.), Partic.: Nothgezerrt und genothzerrt. — Ver-: verunstaltend, entstellend zerren, z. B.:
1) tr.: Sein Gesicht v. 3, 138; Ein verzerrtes Bild. 1, 99 ff.; 4, 131 etc.; So hat man denn, nach falscher Analogie eines Magnetstabes, das Licht auch in 2 Pole verzerrt. 27, 329; Verzerrt zu werden in eine Karikatur. B. 8 Sh. 1, 120); Des Romanlesens.., das alle einfache, natürliche Gefühle in ihnen verzerrt. Teutsch. 53; 4, 160; Die edle Einfalt der Schrift muß sich .. von den s. g. witzigen Köpfen .. ins Lächerliche ver-z. lassen. 102a; Bei jenem geist-v–den Spiele. 172b; Daß durch eine so fehlerhafte Veranstaltung das beste Naturell in ein moralisches Mißgeschöpf verzerrt werden müsse. 5, 193 etc. —
2) refl.: Der Mund gB. 2, 147), der Zug im Gesicht Samps. 2, 7), das Gesicht, die Miene verzerrt sich. — 3) adjekt. Partic. pass.:
Zérr~er, m.: a) Die ausgestopften vierfüßigen Thiere sind meistentheils sehr mißgestaltet, die Vögel sind weniger verzerrt. A. 1, 61; Dr. 1, 60; Das durch seine innere falsche Natur immerfort Verzerrte zur Ordnung und Einheit zusammenzuzwingen. 4, 1175³⁴); 19, 381; 31, 23; Eine häßlich verzerrte Alteweiberfratze. 13, 128; A. 2, 87; N. 1, 210 etc. —
b) Als wirkliches, ungeheucheltes und unverzerrtes Leben. D. 5, 313 etc. —
c) Verzerrtheit und Verleugnung hieß ich Sitte. Verk. 6; Zerstöret nicht| mit der Verzerrtheit unsrer feinen Zeit die reine paradiesische Natur. Corr. 14. — 4) Doch werde ich den Verzerrern [Karikaturzeichnern] niemals verzeihen, daß sie mir die Bilder vorzüglicher Menschen so schändlich entstellen. 19, 357. — 5) Mit welchen Verzerrungen von Seelenstärke! 9, 326; Bei aller geflissentlicher Verzerrung. D. 5, 201; Lit. 5, 577; W. 48; Ich will es ihm vormalen in allen Verzerrungen des Todes. 199betc. — 6) (schwzr.) mit dem Frisierkamm („Verzerrer“) kämmen. 2, 469, wohl zu zier (s. d.) gehörend. — zerrend zerzausen, zerreißen etc.: Werden auch mich wohl Hund’ ..| gierig z. 235a [zerfleischen. Il. 22, 66]; Zerzerrt, zerzaust. 12, 251; Höll. Löw. 60a; Post. 138b; Dich hätten die Hunde zerzerret. 58b [14, 37]; Daß er zerzerret ihr Kleid. N. 619; 900 etc. — Zerret sie den Nachen | einem Strudel zu. 4, 113. — Schon zerret es [das Volk] mich am Saume meines Kleids zurück. 4, 180 etc. —
Zer-: Zū-: Zurück-: s. zerren II; III 3b und Zsstzg. —
~erēī, f.; –en: das Gezerr (s. d.): Ich werde Ihnen und mir keine Z–en machen mit Freihalten und nicht. Leb. 1, 67, die Frage hin und her zerren etc.; Parlamentarische Z–en, Wahlumtriebe. St. 194; Die ewigen Z –en quälen und necken mich unaufhörlich. LL. 245. —
~ig, a.: (mundartl.) zum Zerren (s. d. III 2) geneigt: Wunderlich, grämisch und z. vgl. auch: Das schlechtste Bauerndeutsch, und noch dazu so zerricht, | so närrisch, so voll Schleims etc. Lit. 3, 280).
Work in progress
Die Arbeiten am Wörterbuch sind noch nicht abgeschlossen. Beachten Sie daher folgende Hinweise:
- Artikel können falsch segmentiert sein.
- Lemmata können falsch aufgelöst sein.
- Die Struktur, v. a. von Lesarten, kann falsch ausgezeichnet sein.
- Falsch erkannte Zeichen sind nicht auszuschließen.
- Faksimiles können fehlen oder falsch beschnitten sein.
- Das generierte TEI/XML kann invalide sein.