Faksimile 0597 | Seite 1419
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Vers
Vérs, m., –es; –e; –chen, lein, elchen; -:
(ahd., mhd. vërs, m., n., aus lat. versus):
1) Zeile eines Gedichts; dann auch = Strophe (s. d., z. B. G. 1, 320 ff.) u.: ein (kleines) Gedicht (vgl. Reim), z. B.: Jambische, trochäische, daktylische etc.; gereimte, reimlose V–e; Einen Liebesbrief in V–en aufzusetzen. G. 20, 197; Schon einige der vornehmsten Stellen und Gesänge in V–e und zu Papier gebracht. 16, 197; Die Ewigkeit gewisser Gedichte: | V–e, wie sie Bassus schreibt, | werden unvergänglich bleiben. L. 1, 8; Weil ein V. dir gelingt in einer gebildeten Sprache, | die für dich dichtet und denkt, glaubst du schon Dichter zu sein? Sch. 92b; Nun hab ich zwar zu meiner Zeit auch meinen V. gemacht. 637a etc. Wir bem. noch bes.:
a) sprchw.: Sich aus Etwas keinen V. machen können (KErnst Beamt. 414; Oppenheim 11, 356), zu machen wissen (Gartenl. 10, 146a, ThStorm) = es nicht reimen (s. d. 1 etc.), nicht begreifen können; auch bejahend: Er hatte sich aus dem Hin und Her ihrer Rede seinen Vers gemacht. Lewald Hel. 1, 275, sich daraus ein Gesammtbild kombiniert, sich das Ganze klar gemacht etc.; seltner: Ich nahm eines nachdenklichen Abends Herz und Kopf gewissenhaft zwischen die Hände, mir einen Vers auf die ganze Sache zu machen. PHeyse NN. 3, 182 etc., vgl. auch: Er tockierte mit dem größten Vergnügen den Kummer seines Freundes hinein [in den Roman]. Öfel dankte Gott für jedes Unglück, das in den B. ging. IP. 2, 145.
b) in Bezug auf die Form: Mz.: V–en. Stumpf 380a etc.; Weidner 110 (wortspielend mit Mz. von Ferse); verkl.: V–elchen. V. Ar. 3, 162; Br. 1, 213 etc.; Einen Versch. Spate 2, 17 (vgl.: In die „Verschen“ stechen. 1. Mos. 3, 15 statt Fersen und s. versen 1).
2) (s. 1) Ein V. in der Bibel (Bibel-V.), von den Absätzen, in welche die Kapitel getheilt sind. Zsstzg. vgl. die von Reim, z. B.: Diese Befreiungs-V–e [Freiheitslieder Körner’s]. Heine 13, 107; Jedes dritte Wort war ein Bibel-V. [2]. Gutzkow R. 2, 43; Blank- V. (nach d. Engl.) reimlose fünffüßige Jamben. Palleske Sch. 1, 112; Denk-V., dazu dienend, Etwas dem Gedächtnis einzuprägen (vgl.: versus memoriales. G. 2, 238); Doppel-V., die paarweis zusammengehören, z. B. von den Alexandrinern. Wackern. 2, 582 ¹⁴, ferner = Distichon (s. d.), auch „Zwillings-V. Zinkgräf 1, 171; 186 etc.; Gedächtnis-V.: Denk-V.; Halb-V., Hemistichon; Klippel-V–lein. Fischart B. 135b; 189b etc., gw. (s. Knittelreim): Knittel-V–e machen wie Hans Sachs. G. 3, 265; 20, 198; 21, 108; 241; Mathesius Lthr. 144b; Wackern. 2, XVI etc.; Leisten-V., s. Akrostichon; Streck-V., ein langgestreckter V., fcherzh. bei Jp. für Prosa (vgl. Platen 1, 297); Mancherlei Unvers’ | auszumakeln. V. H. 2, 93, V–e, die diesen Namen nicht verdienen; schlechte Verse (vergl. Unhexameter); Zwillings-V., s. o.: Doppel-V.