trachten
Tráchten, intr. (haben) und tr.:
(s. I Betracht, Anm.):
1) in eifrigem Begehren nach Etwas Sinn und Streben darauf richten:
a) ohne abhäng. Vhe: Es strebe, trachte angestemmt der Mensch. 4, 197; Dichtet und trachtet nicht jeder Mensch in jeder Minute? 1, 114 etc., bes. im substant. Jnfin.: Bewahre mich .. vor dem T. der Niederträchtigen. Mak. 1, 94; Das eitle T. ihres Herzens. 449b; Gd. 1, 110; Od. 9, 5 etc., nam. oft: Das Dichten (s. d. II 1 und Anm.) oder Tichten und T. 1. 6, 5; R. 1, 249; Alles Denken, Dichten, T. und Schreiben. 31, 21; 32, 338; 3, 27 u. v. —
b) tr.: Trachte nicht Böses wider deinen Freund. 3, 29; 6, 14; Aller Sinn nur trachte Gutes! 4, 68 etc., auch (s. a): T. und tichten falsche Worte. 59, 13. —
c) Nach Etwas t., ungemein häufig: Trachtet .. nach dem Reich Gottes! etc. 6, 33; 32; Deine Fürsten t. nach Gaben. 1, 23; 17 u. o.; O Ruhe, Gut, nach dem wir t. | auch da noch, wann wir vor dir fliehn. 2, 198; 4, 52 u. o.; Da(r)nach t., daß (1. 19, 2; 23, 10; 1. 14, 12 etc.); wie 6, 4; 21, 46; 13, 24; 20, 19 etc.) oder mit Jnf. und zu etc. (s. e); ferner: Einem nach dem Leben. 4, 30 etc. = danach t., es ihm zu nehmen etc.; nam. früher auch in Fällen, wo heute t. als nicht best. genug oder als zweideutig gemieden wird, z. B.: Sie richteten den Segelbaum nach dem Winde und trach[te]ten nach dem Ufer. 27, 40 [segelten dem Ufer zu. Nach Schaden t., den man einem Andern zufügen will. 24, 2; 36, 5; 52, 4 etc. (vgl. heutigem Gebrauch gemäß: T., Schaden zu thun. 35, 20; 17, 11 etc.); auch: Nach Einem t., ihn suchen: Der trachtet[e] nach Mose, daß er ihn erwürgetle]. 2. 2, 15, nachstellend [„Trachtete, den Moscheh zu tödten“. vgl. dagegen: Ihr habt .. nach David getrachtet, daß er König sei über euch. 2. 3, 17; Der nach dem Herrn trachtet von ganzer Seele. 2. 22, 9 etc. —
d) (vralt.) Auf Etwas t., z. B. Sinnspr. 1010; 1, 39, 45 etc. —
e) auch ohne beigefügtes danach (s. c) mit abhäng. Satz: T., daß 13, 8 etc.); wie 19, 12) und bes. mit Infin. und zu: 1. 18, 25 U. v.; Wenn du Glückliche zu machen trachtest. 6, 97; 19, 141; Il. 13, 585 etc. — f) (selten) Viel Trachter, wenig Erlanger. —
2) veralt. erwägend denken: Also können wir von Gott nicht anders t., denn daß er Nichts geschaffen habe, deß Brauch er nicht ordentlich vorgesehen. 2, 205 etc.; Dazu sagt auch Paulus 1, 20), daß die ewige Kraft und Gottheit erkannt werde .. durch Trachtung und Erwägung der Dinge, die geschaffen sind etc. 207; 204; 3, 13 etc.; In Ertrachtung [Erwägung, Erforschung von] Gottes Wort. 3; Daß du dich . . auf ihre Worte unertrachteter Sach [ver]lassest. 2, ohne selbstprüfende Forschung und Erwägung; [Da sie] kein .. Mittel haben er-t. [erdenken] können. Br. 2, 335 etc., vgl. be-t. — Zsstzg.: Be-: s. [2]. 1) tr.: das Auge oder den Sinn auf ein Obj. richten und heften, um darin einzudringen und es — oder Etwas daran — zu erkennen, mit ineinandergreifenden Nüancen:
a) mit bewußter Absicht des Denkens oder Empfindens ansehen, beschauen etc., mit leibl. oder (vgl.
b) geistigem Auge: 4, 13; B–d scharf das Fahrzeug, ward ich bleich. 4, 159; Ich konnte bemerken, daß sie mich aufmerksam betrachtete und daß ich ganz eig. zur Schau stand. 22, 286; Betrachte, wie in Abendsonne-Gluth | die .. Hütten schimmern. 11, 45; Jedes Ansehen geht über in ein B., jedes B. in ein Sinnen, jedes Sinnen in ein Verknüpfen. 37, XV; Was in dem Subjekt vorgeht, was für ein Zustand in dem B–den und Beobachtenden erregt wird. 39, 12; Weil die Statuen in einem Schuppen .. wie die Heringe gepackt standen und zu sehen, aber nicht zu b. waren. 11, 264; Ich bemerkte sie nicht, ich betrachtete sie. Sh. 1, 364 etc. — b) (s. a) mit Hervorhebung des Gesichts- und Standpunkts, von dem aus — oder: des Mediums, durch welches man Etwas ansieht oder: des Orts, wie es dem Ansehnden erscheint: Etwas auf einer andern 3, 197), auf der lachenden 7, 42), von der schönen 3, 54) Seite (s. d. 10b) b.; Daß moralische Handlungen . ., in sich betrachtet, [an und für sich] immer die nämlichen bleiben. 10, 194 etc.; Er betrachtete Alles durch das gefärbte Glas seiner vorgefaßten Meinungen und Alles obenhin. 1, 454; Ganz Spanien | vergöttert seine Königin. Sie sollten | nur mit des Hasses Augen sie b.? 243b etc.; Da ich mich immer immerfort als einen Reisenden betrachte, der etc. 15, 240; Ihr habt mich stets als eine Feindin nur | .. betrachtet. 428a; Ich betrachte die Sache anders etc. Dazu das absolute pass. Partic.: Betracht [= in Betracht; in Erwägung oder angesehn], daß, ungemein häufig bei auch verneint: Diesen Gottheiten konnte (auch ihre neue Religion unbetrachtet) der Anblick der Statuen mit Recht sehr widrig sein. 11, 266 = abgesehn von der Religion etc. —
c) bedenken, erwägen etc., — oft ganz nah an a grenzend: 5. 32, 7; 1, 8; 119, 59 etc.; Seh’ ich die Werke der Meister an, | so seh ich Das, was sie gethan; | betracht ich meine Siebensachen,| seh ich, was ich hätte sollen machen. 2, 249; B. wir es genauer, so handeln wir Beide thöricht. 15, 16; Wenn man z. B. den Artikel „Kolorit“ in Sulzer’s allgemeiner Theorie betrachtet. 29, 417; Daß wir beim Vortrag unsrer Geschichte nicht mehr darstellend, sondern erzählend und b–d verfahren müssen. 18, 261; Lasst uns .. mit Fleiß b., | was durch die schwache Kraft entspringt. 77a etc.; auch im subst. Infin.: Im Gefolge solches Empfindens mehr als B–s. 18, 234; Ein gemeinsam köstliches B. (s. a), | ob nicht Natur zuletzt sich doch ergründe. 6, 88; Müsset im Natur-B. | immer Eins wie Alles achten. 2, 293 etc., und veralt. Doppelzsstz.: Welches von den Alten sehr weislich vorbetrachtet [erwogen] worden. Sp. 117a; Red vorbetrachte [vorbedachte] Wort. Br. 142b v. 32 etc. — Dazu: 2) (s. 1a; c): Eindrücke, die der Person, dem Beschauer, dem Betrachter eigens angehören. 40, 9; 15, 158; 26, 212; Von dem Betrachter der Natur. Merck 2, 11; Gott 85; Ihn zwar nicht als Kenner . ., doch als mehr objektiven Betrachter darzustellen. G. 2, 135; 94; Das Merkziel der Betrachter. Haml. 3, 1 etc.; Der Naturbetrachter. 29, 391 etc. —
3) Betrachtung, f.; –en, z. B.:
a) (s. 1a, vgl. Betracht I 1): Ihr [Augen der Liebsten] macht mich verwirrt und trunken, ihr raubet | mir den stillen Genuß reiner Betrachtung [des Anschauens der Körperformen] zu früh. 1, 234; Könnte eine Betrachtung uns erfreulicher sein .. als die froher .. Menschengesichter? 1, 76; Ein Mädchen verräth [als Modell] die geheimsten Schönheiten der Natur .. der Betrachtung der Kunst. 7, 146 etc. —
b) (s. 1b und Betracht I 2); veraltend: In Betrachtung [Anbetracht], daß etc. Garg. 46a; In Betrachtung der großen Quantität etc. 110b; Wie viel verliere ich auch in dieser Betrachtung [Beziehung] an ihr! 11, 13; Nicht an sich selber, sondern in Betrachtung auf das Ganze. 3, 132; 5, 378; Sie sind neu in An- sehung ihrer Abstraktion .., sie sind neu in Betrachtung, daß etc. 7, 218; 8, 387; Herkules ist in Betrachtung der Pygmäen so gut Riese als etc. 11, 161; Poet. 95; In keinerlei Betrachtung geschickt, einen Versuch .. zu unterstützen. 6, 45 etc. —
c) (s. 1c und vgl. b) Etwas kommt in Betrachtung [Erwägung, Berücksichtigung]. 15, 30; 24, 171 etc.; in keine Betrachtung. 33, 44 etc.; Etwas in Betrachtung — ziehn Ros. 55a etc.), bringen 773a). —
d) (s. 1c) Gedanken und Erwägungen eines B–den: Betrachtungen anstellen. 30, 282; Allgemeine Betrachtungen. 17, 276; Ernsthafte, ja rügende Betrachtungen einzumischen. 20, 82; 28, 6; An höherer Beschauung (s. a) und Betrachtung nicht gehindert. 27, 175; Für die denkende Betrachtung [= Betrachter]. K. 1, 5; 407a; Eine solche Betrachtung kam nicht in abderitische Köpfe. 13, 16 etc., vgl. vralt.: Ein schön Spiel von fünferlei Betrachtnussen von Joh. Kohlroß (Basel 1532). —
e) Zsstzg. nam. zu d: Eine Hauptbetrachtung. 33, 326; Ein zur Nachbetrachtung so geneigtes Gemüth. Jer. 2, 262; Von Nachbetrachtungen bewegt. Kl. 1, 299; Mar. 1, 184 etc.; Von meinen Naturbetrachtungen. 25, 195; Meine Gedanken .., untermischt mit einigen Neben- betrachtungen. Myth. 1, IV; Diese Vorbetrachtungen sollen dir nicht länger die Geschichte vorenthalten. 2, 200; 9, 429 etc. — Er-, tr.:
1) [1] Etwas e., danach trachten; es zu erlangen trachten: Zur Weltverachtung | und ewiger Güter Ertrachtung. Mak. 1, 60. —
2) [2]. — Nach- [1]: nach dem im Dat. Genannten trachten, eifrig streben: 1) ohne Nbnsinn: 3, 15; Ich hab .. nur dir mit höchster Müh | immer nachgetrachtet. Bibl. 5, 18); 308a; 4, 1481³; Ein Schmetterling, der seiner Sammlung noch fehlte und dem er schon lange nachgetrachtet. 8, 267; Wär es Thorheit von mir, ihm irgend Etwas, dem er nachgetrachtet, streitig machen zu wollen. 9, 247; 1, 27 etc. — 2) (vgl.
1) veraltend: Einem n., nachstellen. 19, 47; 5, 18; 108; Viel Tritons hatten ihr vergeblich nachgetrachtet. 12, 164; An dem Ort werde mir auf das geschwindest nachtracht, also daß ich nicht anders dann mit eilender Flucht entgehen möge. 3, 213²⁵; Umgeben mit Nachtrachtungen. 216⁴⁰ etc.
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