Faksimile 0319 | Seite 1141
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Spieß spießen Spießer spießig
Spīēß, m., –es; –e; –chen, lein; -:
1) eine früher sehr gw. Waffe, bestehnd aus einer (Eisen-)Spitze an langem Schaft (s. Lanze 1; Speer 1), noch üblich bei der Schweinsjagd: Den Eber, der blind auf den S. rennt. L. 10, 129 etc.; Sprchw.: Einem den S. an den Bauch setzen (Wackern. 3, 453⁶), vgl.: das Messer an die Kehle etc.; Schreien wie am S.; als ob man am S. stäke; Den S. mit (oder bei. Luther 1, 372a) der Spitze gegen sich (selbst) tragen; Umgekehrt, wie die Bauern den S. tragen; Den S. umkehren (s. d. 2b); Noch mit dem ersten S. rennen (Rachel 3, 1 etc.), jugendlich unbesonnen sein etc. 2) (s. 1) zuw.: ein S.-Bewaffneter. Stumpf 590b etc. (vergl. Spießer. Schm.; Frisch); daher auch = S.- Bürger (s. d.): Diese freien S–e liefern . . Eisen nach Rußland. Kühne Fr. 320. 3) mundartl. = Spitze, z. B.: An den S–en der Zweige und Äste. Döbel 3, 22b etc. und so nam. in einzelnen Fällen spitze Stangen (Hölzer etc.), z. B.:
a) zum Feststecken der Steckgarne („Spiß,“ iz.: „Spisse.“ 2, 197b ff.; „Spindeln.“ 181a; „Spillen.“ Winkell 2, 315; „Spulen“; „Sprossen.“ Laube Br.289).—
b) zum Aufreihn der Dochte beim Lichtgießen.
c) zum Zusammenreihn eines Klupperts (s. d. und d) Vögel und danach = Kluppert, s. Laube Br. 289; Lud mich zum Frühstück auf einen S. der seltnen Vögel ein. Thümmel 6, 136 etc.
d) die von dem Bratenwender (s. d.) zu drehnde Stange, woran der zuzubereitende Braten befestigt ist: Den ganzen Ochsen an einem ungeheuren S–e .. braten. G. 20, 239; Der beste Schöps muß an den S. Lichtwer 151; Rückert Rost. 1b; V. Od. 3, 65 etc. (vgl. Schm. 3, 579).
e) weidm.: bei Hirschen etc. ein bloß aus einer Stange ohne Zacken (oder Enden) bestehndes Geweih, dazu: Spießer (oder S. Frisch) = S.-Hirsch (s. d.) u. ä. m., s. Zsstzg. 4) Buchdr.: zu hoch stehnder und daher fehlerhaft sich mit abdruckender Ausschluß. Franke Kat. 111; 142 etc. 5) (wohl nach dem urspr. Gepräge) Sechspfennigstück, Sechser; daher burschik.: S–e, Geld. Vollmann 429 (vgl. Herrig 33, 240): Ich weiß, wie oft die S–e rar | und will dir ein’ge pumpen. Houwald 5, 608. Zsstzgn, s. veralt. zu 1 Schm. 1, 46; 3, 126; ferner z. B.: Áblaß- [3]: Eisenstange zum Abstechen des Schmelz- ofens. Bāūmel- [3d]: Rumohr Kochk. 42. Bōten- [1]: s. Bote 2.
Brāt-:
1) [3d] B. 139b etc. (Braten-S. Scheibler Kochb. 128).
2) auch (vgl. Brot-, Küchenmesser etc., Rüben-S.) von der Waffe [1]. G. 9, 8 etc., der Matrosen beim Entern (auch Bratspit). Bobrik. 3) bei Adelung fälschlich statt Bratspill. Dócht-[3b]. Dórf- [1]: s. Wacht-S. Eīs- [3]: Eisnadel (s. d.). J. 22, 133. Fêder- [1]: Kirchhof Mil. 29; 112. Hāār- [3]: spitzer Amboß zum Haaren oder Dengeln der Sensen. Hánd- [3d]: mit der Hand zu drehnder Brat-S. Jāgd- [1]: Uhland 424; W. 2, 162 etc.; Jäger-S. V. Od. 4, 627; 9, 156 etc. Jūden- [1]: sprchw.: Mit dem J. rennen, Wucher treiben. Brant N. 76¹¹; 93²⁵ etc., vgl. Zinkgräf 1, 244. Knêbel- [1]: Schwein-S. (s. Knebel 4). Freytag B. 1, 240. Kúrz- [1]: 2, 26, Ggstz. Lang-S. Lándsknecht- [1]. Lérchen- [3c]. Lícht- [3b]: auch schlechtes, ungelocktes Haar. Immermann 12, 167. Rāūm- [3]: s. Eß- eisenräumer. Rénn- [1]: Fischart Garg. 176b, s. rennen 4c. Rǖben-: (s. Brat-S. 2) Kretschmann 5, 282. Sāū- [1]: Schweins-S. Schíffs- [1]: Die langen Sch–e. Rüstow gK. 19. Schrǟm- [3]: spitzes Eisen zur Keilhauenarbeit. Karmarsch 1, 167. Schwēīn- [1]: (s. Fangeisen). Kantzow 2, 412; 434 etc. Vōgel- [3c]. Wácht- [1]: Aufden Dörfern der W., welcher tagweise von Haus zu Haus wandernd, dem Besitzer die Pflicht auferlegt, den Policeiwächter zu agieren. Schm., vgl. (auch in Städten): (Nacht-)Wächter-S. Wúrf- [1]: der geworfen, geschleudert wird. V. Il. 5, 665 etc.
~en: 1) tr.:
mit etwas Spitzem, Zu-, gespitztem durchbohren:
a) Damit der Bache Zahn nicht seine Jungen spieße. Hagedorn 2, 80; An einen Zaunstecken gespießet. Luther 5, 21a; Nicolai 7, 19 etc.; Hier bratend das Fleisch, dort anderes s–d. V. Od. 3, 33 (s. Bratspieß 1) etc.
b) s–d befestigen: An den Grund (Fouqué Dr. 1, 158), an die Wand (Karschin 378), auf das Insektenbrett (Tschudi Th. 5), ans Schwert (Sch. 155a) s.
c) refl. zu a: Forster R. 1, 186 etc.
d) selten intr.: Die Lanze | spießte [steckte] .. im Rasen. Kosegarten Po. 1, 274. 2) (s. 1) S., durch-s., s. schäften 5a.
3) s. spissen. Zsstzg. zu 1, vgl. die von stechen etc., z. B.: An-: Die sämmtlichen Franzosen an-zu-s. und aufzuspeisen. G. 25, 61; Hebel 3, 79 etc. Āūf-: Ködern die Angel dem Hecht, spießen bei Fackeln ihn auf. Arndt 262; B. 147b; G. 19, 399 etc. Durch-: Mit den Krallen ihn d–d (oder ́–⏑ ?). ETAHoffmann Ausgw. 7, 331; Durchspießt. V. Il. 2, 426; Ar. 1, 394 etc., vgl.: Er hofft mich durch- und dürch-zu-s. Nicolai 6, 126 etc., s. auch [2]. Er-: Von den Froschschnäppern erspießete Leute. IP. Fat. 2, 263. Zer-: Herrig 19, 303 etc.
~er, m., –s; uv.:
s. Spieß 2; 3e; Fliegen-S. = Fliegenschnäpper (Nemnich).
~ig, a.:
1) in der Form von Spießen (s. d. 3): Die s–e Gestalt seiner [der Spießglanz-] Krystalle. Oken 1, 121; Erharten, „spissig“ werden. Ryff Sp. 156b. 2) mundartl. etc.:
a) wort-spitz, -scharf, zänkisch: „Spissig.“ HSachs G. 1, 69; 106.
b) dürr, mager. Schm.
c) „Spißig,“ gebrechlich bei Metallen. Frisch (spröde).
d) Gärb. (s. c): Ist der Schnitt von .. hornartigen dichten und durchscheinenden Streifen durchzogen oder .. „spissig“, so beweist das eine unvollständige Gärbung. Knapp Techn. 2, 563 etc.
Anm. Spieß 1, ahd. spio,, spiez, mhd. spié, wohl (vgl. Wackern. Gl. 492) zu Spieß 3, ahd., mhd. spiz (Bratspieß), wozu ahd. spizi, mhd. spitze, spitz etc., doch vgl. Schm. 3, 579 ff.; Graff 6, 365 ff.