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Selb Selber Selbheit Selbig Selbs selbst selbsten Selbstheit selbstheitig selbstig Selbstigkeit selbstisch Selbstler Selbstling
Sélb, pron.:
1) = selbst (s. d.), z. B.: 2. Kol. 2, 23; [Ich] will s. mit an den Reihen treten. Wackern. 2, 5628 etc., veralt. und nur noch vereinzelt z. B.: Der von ihm s. geübten Bildnerei. Rückert 1, 62; Aurora s. 19 etc. außer (ellipt.) mit Zahlw. und zwar zunächst mit Ordnungszahlen, z. B.: S.-zwanzigster gefangen. L. 2, 216, mit 19, so daß ichselbst als 20ster dabei war; S.-dritt. Berlichingen 138; G. 5, 244; Hebel 3, 11 etc.; S.-zehnt oder fünfzehnt. 433 u. o. (vgl.: Begab sich, er der 40ste etc. JvMüller 24, 51 etc. und sammt 1), dann auch mit Hauptzahlen, z. B.: S.-zwanzig. Immermann M. 4, 59; S.-fünfe. G. 18, 335; S.-funfziger. L. Gal. 3, 1; S.-drei zu Mittag essen. W. Merck 2, 149, bei Riemer G. 2, 64 ugw.: „Selb stdrei, vgl.: Als . . selb st fünf ich kaum entkam. Lohenstein Soph. 6 etc., vgl.: S.-ander und analog: S.-selbst ,,um alle Mehrheit schlechterdings zu verneinen“ (L. 8, 282).
2) als Ew.:
a) zur mehr oder minder scharfen Bez. der Identität = der nämliche (s. d. 2), kein andrer, gw. (verschmelzend) mit dem best. Artikel: der(, die, das)-s–e und verstärkt, z. B.: Ganz, grade, eben der-s–e; ein und ders–e etc., scherzh. auch Superl.: „Du bist es selbst?“ Der selbeste. V. Ar. 3, 302 (Droysen A. 1, 139) etc. Zuw. auch ohne Artikel (vgl. b): In s–er ruhiger Weise. Alexis Dor. 1, Kap. 17; Um s–e [jene] Zeit. Sch. 423a; Die an s–er Stätte wohnen, | wo etc. Tieck 2, 4 etc.
b) abgeschliffner, auf ein vorangegangnes Hw. etc. zurückweisend, nur etwas nachdrucksvoller als er und bes. in Fällen üblich, wo dies vermieden wird (s. Er 2), auch zuw. ohne Artikel: Welcher .., statt den Geist zu sammeln, s–en zerstreut. G. 4, 230; Deinen Brief an Gruber habe ich durch s–en erhalten. Platen 6, 132; Daß ihr S–es braucht. Schlegel Sh. 6, 357 etc. und so nam. schwzr.: S. (sachl.) = Das, den Inhalt eines vorangegangnen oder gedachten Satzes rekapitulierend: S. ist wahr. Gott- helf Sch. 8; S muß ich selber sagen. 57; 239 u. o.
c) (s. b) veraltend als höflich unterthänige Bez. der angeredeten Pers.: Die-s–n (s. Gedike Du 34 ff., vgl. Sie), nur noch hin und wieder mit vorgesetztem hoch (s. d. 2a), höchst, allerhöchst von der zweiten und dritten Pers.
d) (s. b) selten statt des relat. Fw.: Die Kreise zu überschauen, innerhalb der-s–en [deren] sich jene hohen Geister bewegten. Heine B. 339. Nbnf. (zua; b):
e) Selbig, sehr oft für a: Der-, (die-, das-) selbige, vgl.: O unschmackhafte Wiederkehr des Alten, | langweilige Dasselbigkeit des Daseins. Sch. 668a; Die Selbigkeit. Schleiermacher (s. Heyse Fremdw. s. v. Jdentität) etc.; auch zuw. ohne Artikel: Belsatzar ward aber in selbiger [jener] Nacht | von seinen Knechten umgebracht. Heine Lied. 73; Am Tag, da selbiges Jahr sich schloß. Uhland 373 etc., ugw.: Eben selbige, die etc. Olearius Reis. 283b, ferner zu b: Hier .. ist mein Stab. | So willig mag ich selbigem entsagen, als etc. Schlegel Sh. 8, 62; So nahmen sie .. | sein Haupt und aufgesteckt am Thor .. | ward selbiges. 224; Habe sich Selbiger .. erbost. Kühne Fr. 320, vgl.: Selbigter Kutscher. Goltz 3, 87 etc.; Offenbar will Selbig ster | dem Frieden noch entgegenstellen, ich weiß nicht was. Droysen A. 1, 92.
f) veralt.: Denselbten Ort. Werder Ar. 2, 34 etc.; An eine hochfürstl. Pers. über den von deroselbten gestifteten Orden. Opitz 1, 161 etc. und ohne Artikel (zu a): Sie muß zwar selbten Tag, da sie gebor’n, erblassen. Lohenstein Ros. 5 etc. und (zu b): Bei selbtens Lesung. Hy. 32; Er opferte selbtem. JbrS. VII; Ders. (Wackern. 3, 869⁴⁰) etc.
~er: sehr häufig statt selbst (s. d. 1a—f; 2). Wir erwähnen die Verkl. (Kinderspr.):
S–lein! ruft .. Max, wenn ihm die .. Lindenwirthin helfen will. Auerbach Gv. (1848) 26.
~heit, f.; –en:
bei Rückert etc. (s. selb 1) = Selbstheit (s. d.), die eigne Persönlichkeit, Individualität (in ihrer Beschränktheit) und: die Selbstsucht, z. B.: Frei von S. [Egoismus]. 1, 381; Wähnst du in deiner S. Truge dir zu genügen, o Mensch, allein? 2, 406; Zieh deine S. aus und an die Göttlichkeit! | die S. ist so eng, die Göttlichkeit so weit. W. 1, 42 etc.
~ig etc.:
s. selb 2e.
~s: veralt. statt selbst (s. d. 1), z.B. gw. noch bei Luther etc. ~st: 1) (pronominales) adv. zur Bez., daß eben nur der genannte Ggstd. (sachl. od. persönl.) in seiner Wesenheit etc., nicht ein andrer gemeint ist; daß das Gesagte eben nur von ihm gelte, von ihm allein ausgehe, nicht von einem andern etc., z. B.:
a) Die Pers., die Sache s.; Er, sie, seiner, ihm, ihn, sich s.; Ich s. habe ihn gesehn, nicht etwa ein Andrer; Ich habe ihn s. gesehn, nicht etwa einen Andern; Das Außenwerk ward neu; | er s., der Hut, blieb alt. Gellert 1, 11; Wie süß ist Liebe s. begabt, | da schon so reich an Freud’ ihr Schatten ist! Schlegel Rom. 5, 1 etc. Verstärkt (selten): Hat es eigen-s. der Gott gethan. Schefer Laienbr. 335, vgl. b.
b) veralt. bei besitzanzeig. Genit. oder Fw. statt des heute gw. eigen (s. d. 1): Wider sein „selbs“ Gewissen. Luther 6, 9a; 351b; Auch Abraham’s selbs Samen. 8, 51a u. v.; Es steht in eines jeden Menschen s. Gewalt. Schaidenreißer 68a etc., vgl.: S.-eigen.
c) häufig bei zurückgegebnen Schimpfwörtern etc.: „Bagage!“ S. Bagage! Immermann M. 4, 151; L. 1, 146; Müllner 7, 106 etc., vgl. allein 4.
d) Oft (vgl. Person 2e) heißt es, zur Bez., daß Jemand eine Eigenschaft im hohen Grade besitzt —: Er ist sie [gleichsam die personif.] s., z. B.: Er ist ja die Leutseligkeit und Dienstfertigkeit s. Gellert 3, 30; G. 27, 305; 32, 343; Hoffährtig ist Olint, die Hoffahrt s. bist du. Wernike R. 196 etc.; Wer zweifelt . ., daß ihr nicht | die Ehrlichkeit, die Großmuth selber seid. L. Nath. 1, 1; Auerbach Leb. 2, 275; Schücking Gschw. 1, 86 etc.
e) Von s.; von selber; aus sich s. (selber), ohne fremdes Zuthun; ohne daß eine Beihilfe etc. nöthig wäre.
f) oft verschmelzend mit pass. Partic., z. B. (s. a): Eine s.-hervorgebrachte Statue. G. 29, 397, die man s. hervorgebracht; S.-gesäte Bäume. 13, 281 etc. und (s. e): Gärten von s.-gewachsnen Pomeranzen. Heinse A. 2, 237, die von s. gewachsen sind etc.
g) Zsstzg. z. B. (selten) verstärkt: Hat es eigen-s. der Gott gethan. Schefer Laienbr. 335; ferner: Selb-s. (s. selb 1) und in Bezug auf die sog. hohen und höchsten Pers. (s. hoch 2a): Hoch-, höchst-, allerhöchst-s.; nam. als verstärkende Verlängrung der Ortsadv.: Da-, hie(r)-, wo-s. und (selten): dort-s. und veralt. (oft bei Luther): Daselbs hin (5. Mos. 4, 42 etc.); her (Jer. 49, 19); durch (Hes. 12, 5); mit (Weish. 16, 8); von (Jes. 44, 15) = da-hin, -her, -durch etc. und als (steife) Fortbild.: Da- etc. selbstig, vgl. dasig, dortig. 2) adv. (s. 1) = sogar (s. d.), zumeist vor dem hervorgehobnen Worte und, wenn dies von Präpos. etc. abhängt, vor diesen (wie in Bed. 1 gw. nachstehnd), vgl.: Das Wort „Galgen“ .. macht auf s. [gw.: s. auf] ehrliche Ohren einen unangenehmen Ein- 135 druck. Börne 1, 349 etc. Bsp. der Inversion (Nachstellung): Jedes glückliche Geschöpf, | die Pflanze s. kehrt freudig sich zum Lichte. Sch. 523a.
3) als Hw. zu 1, und cBl“ „́ etc., z. B.:
a) Nomin.: Unabhängigkeit von Allem, was nicht wir selbst, unser reines S. ist. Fichte 6, 86; Was der Mensch leisten soll, muß sich als ein zweites S. von ihm ablösen und wie könnte Das möglich sein, wäre sein erstes S. nicht ganz davon durchdrungen? G. 18, 38; Leisewitz Jul. 21 etc., vgl.: Das lieblichste Du s. bist du mir, die Andern sind mir kein S., sie sind zusammengeliehene .. Unselbstheiten. Brentano Fr. 1, 61 etc.
b) uv., im Dat.: Enthüllt mir eurer Hälfte, eurem S., | was euch bekümmert. Schlegel Cäs. 2, 1; G. 15, 290; Sch. 788b; Vischer Ästh. 2, 108 etc.; Acc.: Sein eigen S. zerstören. G. 13, 184; FSchlegel Al. 56; W. 10, 83 etc.; Genit. (s. c): Die beiden Hälften seines S. Duller Gr. 31; Engel 7, 292; Forster Br. 1, 404; FSchlegel Luc. 54 etc.
c) (vgl. b) Genit.: Ihres eigentlichen S–s. Möricke N. 365 etc.; Die Kräfte unsres kleinen S–es. Immermann M. 1, 439; Die man ihres S–es willen liebt. Monatbl. 2, 520a; Zschokke 1, 139; 200 etc.
d) verkl.: In euren kleinen „Selbstgens.“ G. Kestn. 254 = Kindern als zweiten Selbstheiten der Eltern.
e) Zsstzg. z. B.: Das holde ur-S. [Original]. B. 109b; 497a etc., vgl.: Der Vogel Ur-S. . ., eine Fabel. .. Der Ur-S. 93 etc. und ähnl. m.: Ein Un-S., reich an Ja, der seine Stimme liest. Haller 114, ein Unselbständiger, der eig. gar kein S. hat, dagegen, Haller verspottend, sachl. und n.: Es soll ein Hexameter werden; ich theile die Materie, das Un-S., in Füße ein. Schönaich (Danzel Gottsch. 367).
~sten: 1) adv. (nam. Volksspr.) = selbst 1; 2, z. B.:
Von s. G. 7, 138; Der Kaiser s. [sogar]. Sch. 328a; Stiling 1, 77; 124; S. ein Stück seines Hausdaches eigenhändig decken. 137; 2, 11; 40 etc.; Da-s. 3, 74; Freiligrath H. 204 etc. 2) tr. in Zsstzg.: Ent-: des Selbst, der Selbstheit (s. d.) entkleiden: Durch das stete Einsaugen fremder Grundsätze etc. .. entselbstet. Fichte 6, 72; Die überfeine, entmenschlichte, entselbstete Moral gefällt mir nicht. JvMüller 13, 27 etc., vgl.: Daß wir, indem wir von einer Seite uns zu ver-s. [mit einem gewissen Egoismus an unsrem Selbst festzuhalten und uns dar- ein zu versenken] genöthigt sind, von der andern in regelmäßigen Pulsen uns zu entselbstigen [von diesem Egoismus loszumachen] nicht versäumen. G. 21, 170.
~stheit, f.; –en:
1) das Selbst (s. d. 3), das eigene Sein und das Halten daran und Sorgen dafür, bald untadelhaft, bald tadelnd, s. Selbheit, vgl. selbsten 2, z. B.: Über Liebe und S. Engel 7, 209; Fichte 6, 92; Ein Zustand [der Seligkeit] worin man ganz auf S. Verzicht gethan, in die Gottheit eingegangen etc. Forster Br. 1, 773; Den der Widerstand fremder S. nur reizen und erzürnen kann. A. 1, 397; Durch Dünkel und S. ins Gemeine gezogen. G. 18, 190; 40, 351; Daß immerfort Gleichbilder, Gleichnisse, Abbildungen als zweite S–en von ihm ausgehen. 39, 152; Wo ein starrzäher Egoīsmus . . die S. [Individualität] sich auszubilden hindert. Zelt. 6, 385; Jedem seinen Gang zu lassen und nur Einfalt, Wahrheit, S. zu empfehlen. FHJacobi 5, 138; Jahn M. 40; Musäus Ph. 3, 44; Pfeffel Po. 3, 53; 157; JGSchlosser Jsel. 15; Scheling 2, 2, 480; Wenn du’s wagst, nach den Gesetzen, | deiner S., selbst zu sein. Tiedge Ep. 1, 41.; Werner Osts. 1, 96; W. 28, 5; Zschokke 1, 202 etc.; Ggstz.: Un-S–en, s. Selbst 3a.
2) Identität. Mülner 4, 119; Eine überraschende S. ist zwischen einem wahrhaften Liede und einer edlen Handlung. Novalis 1, 169 etc.
~stheitig, a.:
individuell (selten): S–es Volksthum. Jahn M. 56; S–keit. 41.
~stig, a.:
an dem Selbst hangend etc., nam.: egoistisch (s. selbstisch). G. 26, 284; Klinger Giaf. 247; Teutsch. 79; W. 33, 42 etc.; Un-s. Baggesen 2, 356, s. selbstlos; Da-s., s. selbst 1g.
~stigkeit, f.; –en:
Selbstheit (1), z. B.: Die liebenswürdige Äußerung der S. G. 32, 123; 25, 181; Wo junge Leute nicht an Ka- meraden-S., sondern an höhern Weltansichten .. ihre Unterhaltung fänden. 26, 261 etc., nam. = Selbstsucht. 13, 175; 347; 16, 329; Klinger Teutsch. 30; LW. 61; JP. 36, 55; W. 29, 35 etc.
~stisch, a.:
egoistisch, z. B. G. 13, 183; 285; 294; 15, 82; 157; 185 etc.; W. 9, 73; 18, 209 u. o.; Un-s. Auerbach SchV. 220.
~stler, m., –s; uv.:
Egoist. G. 15, 115; Rahel 2, 194; W. 9, 16 etc.
~stling, m., –(e)s; –e:
Selbstler. Börne 2, 43; Immermann M. 1, 399; IP. 2, 60 etc.
Anm. Selbst, goth. silba, ahd. sëlb, sëlbo, sëlber, mhd. sëlp etc., „eig. = der (goth. sa) bleibend (s. d., Anm.)“ Wackern. Gl. 472; Graff 6, 193 ff.; Schm. 3, 232 etc. Als Bstw. gw. Selbst-, nur noch vereinzelt: Selb- Sucht. Jahn V. 455; V. Sh. 2, 293 etc., -Betrug. Rückert 1, 380 etc. (vgl. selb 1; selbständig. Sanders Orth. 35); Selber-Sucht. IP. 36, 33; -Tadel. HV. 107 etc.