Faksimile 0085 | Seite 907
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schelten
Schélten, schalt, schölte; gescholten; schiltst, schilt; schilt! tr., intr. (haben); refl.:
1) Ein Obj. so und so sch., nennen, ihm das angegebne Prädikat beilegen:
a) (veralt., mundartl.) allgm., s. Schm.; Quitt (s. d. c) sch.; Die Rom für [s. c] Afrikens Penthasilea schilt [erklärt]. Lohenstein Soph. 1, 364; Wenn die bürgerlichen Demoisellen schlechtweg Fräulein, die adeligen hingegen ausschließlich gnädige Fräulein gescholten würden. W. 36, 317; 318 etc.
b) (s. c) Einem einen unverdienten Titel beilegen: Ich darf mich nicht des Glückes Liebling sch.,| ich hab’s mit Kraft dem Schicksal abgetrotzt. Körner 122b; Stubensitzer, den die Leute einen Philosophen sch. Möser Ph. 3, 79; Sich Ritter (W. 11, 78), sich den Guten (Sch. 462b) sch. lassen etc.
c) gw. von einem einen Vorwurf enthaltenden Prädikat: Jemand einen Dummkopf oder dumm etc.; ihn Das, was er ist (Fichte 6, 32), ihn ein Mädchen (G. 12, 40) oder weibisch etc.; Etwas eine Dummheit oder dumm; die Muttersprache rauh (Schlegel), die Hingebung Flatterliebe (Sh. 1, 54) sch. etc. Auch (s. 2): Einen „toller Geselle“ (Fouqué Gd. 1, 26); Etwas für Schläfrigkeit (Ramler F. 3, 217); sich als einen Elenden (Tieck GsN. 1, 145); das Leben als Schaum (V. 4, 86) sch. etc.
2) (s. 1c) sich laut in unwilligen Vorwürfen über Etwas oder Einen äußern:
a) Jemandes Betragen sch.; ihn wegen seines Betragens, über sein Betragen sch. (s. aus-sch.); veralt.: Deß [darüber] gescholten werden. Zwingli 2, 7, vgl.: Er konnte sich der ärgsten Dummheit sch. [zeihen], daß etc. Spindler J. 1, 253 etc.; Ich lasse mir meinen Hermann nicht sch. G. 5, 27; Manches ist hierin zu sch. und zu loben. Rückert W. 3, 230 etc., vgl. die Gegenüberstellung des svrwdt. tadeln, wovon sch. sich einerseits untersch. durch den ungestümern Ausbruch der Vorwürfe, andrerseits aber auch durch das Momentane desselben bei best. Anlaß: G. 18, 208; 22, 199; 39, 296 etc. Partic.: Gescholten, wie ein Diener (Sch. 422b), Knabe, Schulbube etc.; Hart-, schwer- (G. 10, 311), viel- (12, 163) gescholten etc. Ferner intr. (b—d):
b) (s. a) allein: Schimpfte, kiff und schalt. Werner Febr. 88 etc.; Ein sch–d Weib. Schlegel Sh. 6, 101 etc.; Mit Sch. und Tadeln. G. 5, 27.
c) mit Präpos.: Auf Etwas (Haller 104), auf eine Nation (G. 16, 318) sch.; auf Jemand hinein- (24, 234), los-sch. etc., s. d; mit Einem (L. 2, 237 etc.) sch., vgl.: Sich mit Jemand sch. (Jer. 2, 9), herum-sch., s. ärgern 2d; Gegen Jemand sch. (König Kl. 3, 108), seinem Unwillen Luft machen.
d) mit Dat. = auf: Soll ich der Flucht von meinen Tagen sch.? | soll ich auf sie und ihre Trägheit schmähn? Göckingk Lieb. 147; Scheltet nicht dem Phöbus, eurem Knechte. Günther 423 etc., s. 3b.
e) tr., refl. mit Angabe der Wirkung: Sich satt (s. d. 2a) sch. auf Etwas. Tiedge E. 1, 67 etc.; Einen aus der Schlacht sch. Schlegel Sh. 8, 245, vgl.: Einen vom Sitz im Rath weg- (6, 148), seinen Freund hinweg- (Joh. 4, 1), fort-sch.; Ein Mißfallen, welches sich nicht weg-sch. ließ. Ense D. 6, 210; G. 2, 297.
3) (s. 2) mit lauter (zürnender) Stimme sich vernehmen lassen:
a) weidm.: s. schallen 1f; schmählen.
b) bibl.: Er schalt dás [„dem“ Mendelssohn, s. 2d] Schilfmeer, da ward’s trocken. Ps. 106, 9 (= er bedräuete etc. Zunz) U. v. dichter.: Zürnender schon klang des Orkans Sch. Kosegarten D. 163.
4) (s. 2) oberd.: fluchen: 4. Mos. 23, 7ff.; 2. Kön. 19, 3ff., vgl. Schm.
5) (s. 2) im Zunftwesen = in Verruf erklären, s. Public. (1854) 2, s. be-sch.
6) Zu 2:
a) Schelter. Rückert 6, 154.
b) Scheltungen [Schelte]. Gotthelf Sch. 226; U. 2, 154; Luther 1, 162a etc.; Selbstscheltung. G. 21, 206.
Anm. Ahd. scëltan, mhd. schëlten (vgl. schallen). Die angegebne Abwandl. ist die heute gw., s. gelten, doch nicht selten Imper.: Schelte! 1. Tim. 51; Cham. 5, 67; G. 3, 22; 8, 151; Rahel 2, 326; Rückert Mak. 1, 99; Talvj 2, 30; 68; Zelter 5, 5; ferner neben schölte (s. Sanders Orth. 26) B. 173a; G. 1, 276; Haller 104; 183; Möricke N. 588; V. H. 2, 279 etc. schälte. HKleist Kr. 27 etc., veralt. schülte. Luther SW. 64, 335 etc., vgl. veralt. Impf.: schult, scholte (z.B. noch Klinger Giaf. 505; ausscholtest. G. Zelt. 5, 340), mundartl.: Sie schelteten ihn aus. SClara EfA. 2, 605.
Zsstzg. z. B.: Āūs-:
1) intr.: zu Ende schelten.
2) tr. [2a]: Einen (tüchtig) a.; über, wegen, ob (Uhland 177) Etwas; ihn als Esel etc. (Zimmermann Stolz 133) a.
3) refl.: sich in Schelten Luft machen. Hippel Leb. 1, 270. Be-:
1) tr. [2a]: schelten, tadeln: Einen (W. Att. 1, 1, 47 etc.), sich selbst (W. 12, 308 etc.) wegen Etwas (11, 272; Luc. 6, 129), deßwegen (5, 47), darüber (1, 117); 3, 243), dessenthalb (G. 2, 87), darum (Rückert 2, 50) b. etc.; Alle eure Verweise, Bescheltungen. W. 25, 263.
2) (s. 1) Jemandes Ehre b. (Alexis H. 2, 3, 110), ihr vorwerfend einen Makel anheften, nam.: bescholten (Sch. 730b etc.), unbescholten (G. 15, 261), mit ohne Makel des Leumunds; Bescholtenheit (Ense T. 4, 82); Die Unbescholtenheit dieses Standes. Prutz GschTh. 189 etc. Entgêgen- [2b]: Einem e. König DF. 1, 176, vgl. gegen-sch. G. 15, 58. Er-, tr. [2b]: durch Schelten erlangen. Zelter 3, 335. Fórt- [2e]. Hêretc. [2c]. Nāch-: Einem Etwas n. G. 23, 385, scheltend nachrufen. Nīēder-, tr. [2e]: Einen n. Rückert W. 4, 29, durch Schelten erniedern etc. Über-, tr. [2b]: Einen ü. [im Schelten überbieten, übertreffen]. Schlegel Joh. 5, 3. Ver- [2a]: Musik und Tanz kann ich nicht v. lassen. Steub DTr. 1, 92. Wég- [2e]. Wī(ē)der-: Scheltworte erwidern. 1. Petr. 2, 23; Gēllert 2, 199; L. 10, 49 etc. Zer-: (veralt.) Einen z. [verlästern]. Luther 3, 137; Sich z. mit Etwas [sich scheltend abarbeiten, aufreiben]. 8, 283a. Zurück-:
1) wider-sch. 2) [2c] tr.: durch Schelten zurücktreiben. Karschin 372.