Faksimile 0066 | Seite 888
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Schämen
Schǟmen: 1) refl.:
Scham (s. d. 3) empfinden:
a) o. abhäng. Vh.: Sich sch. (— und grämen, s. d. 3); Sich sch., wie ein Bettpisser, begoßner Hund, Laushund, Pudel etc.; Sich halb todt (zu Tode) sch.; Pfui, schäm dich! etc.; Sein Antlitz soll sich nicht mehr sch. [schamroth werden]. Jes. 29, 22; Der Mond [personif.] wird sich sch. und die Sonne mit Schanden bestehen. 24, 23 (vgl. Zunz).
b) mit Präpos.: Sich (tief) in die Seele, ins Herz (hinein-) sch. (vereinzelt: Ich habe mich in meiner Seele geschämt. Schücking Gschw. 1, 197; Cham. 5, 159), vgl.: Schäm dich in deinen Kragen und Magen! JGMüller Lind. 3, 89 etc.; Ggstz., von nicht tief eindringender Scham: Sich in die Augen hinein sch. Schm. Ferner: Sich in eines Andern Seele [hinein versetzend] sch.; Ich schämte mich in sein Herz hinein. Möricke N. 374, vgl.: Sich mit, für Jemand sch. (s. Mitscham), versch.: Sich vor Einem (vor sich selbst) sch., Dessen Blick und Urtheil im Gefühl der Blöße (Schwäche, Schande) scheun; Sich vor Etwas sch. [scheu entsetzen]. Hes. 16, 27; Zunz ebd. etc.; Sich einer Sache wegen (halber); (um) einer Sache willen; über eine (vereinzelt einer. Hackländer St. 2, 50) Sache; ob einer Sache (Nicolai 5, 197) sch. etc.; Sich an Einem [= seiner, s. c] nicht zu sch. haben. Vischer Ästh. 2, 190; Sich gegen, neben Jemand sch. müssen, den Vergleich mit ihm nicht aushalten, weit hinter ihm zurückstehn etc.
c) mit Genit. zur Angabe der die Scham und Scheu in Einem erregenden Pers. oder Sache. Hes. 43, 10 ff.; Mark. 8, 38 u. o.; auch (s. Es 9): Ich schäme mich’s [„Dessen“ Eß] nicht. 2. Tim. 1, 12; IESchlegel 1, 255 etc.
d) mit abhäng. Satz: Schäme dich, daß du übel bestehst . ., schäme dich, nach den Huren zu sehen. Sir. 41, 23 —29 u. o. Auch: Pfui, schämet euch und [s. d. †] redet nicht | von euren Nickeln. Langbein 1, 268 etc.
e) im Infin. ohne sich (s. d. †): Es ist zu sch. [Scham erregend]. Luther 8, 28a etc., nam. im substant. Infin.: Das Sch. L. Samps. 3, 4 etc.; Sch–s-werth etc. 2) tr., niederd.: Das [be-]schämt mich, erregt meine Scham; hochd.: Sich [Dat.] die Augen aus dem Kopf (s. d. 2g) sch. Goltz 1, 149 etc., auch: Sich die Augen aus-sch.
Zsstzg. z. B.: Āūs-:
1) tr.:
a) ausätschen. Brem. W.
b) [2].
2) refl.: sich zu Ende schämen (mhd. verschemen). B. 485a; Weise Jak. 81 etc., s. 3.
3) (s. 2) im adjekt. Partic. (s. ver-sch. 2c): Ausgeschämt [schamlos, mhd. verschamt] sein. Pesalozzi 4, 91; Ein ausgeschämter knickriger Mensch (Auerbach Ed. 45), Bösewicht (W. Att. 2, 3, 20), Päderast (2, 2, 153) etc. Be-:
1) refl. veralt. statt des Grundw., mit Genit. Moscherosch Gs. 2, 804; Ryff Th. 71; beschammen. Keisersberg (Wackern. 3, 58¹⁰).
2) tr.: von außen auf Einen einwirkend, Scham in ihm erregen, z. B.: Jch schäme mich meines Vergehns; mein Vergehn erfüllt mich mit Scham, gw. nicht: beschämt mich, vgl. veralt.: Mich beschämt zu Tod die Einbildung, die ich gehabt. Moscherosch (Wackern. 3, 666²³) und in lat. Fügung: Mich beschämt zu Tod, daß ich etc. 666³³ ff., dagegen gw.: Jemand beschämt Einen; Das [unverdiente] Lob hat mich beschämt. Börne 2, 127 etc.; Jemandes Angesicht b. [schamroth machen]. 1. Kön. 2, 16 ff.; Jemandes Stolz, Hochmuth etc. b. Als Höflichkeitswendung: Sie b. mich durch Ihre Güte etc.; Ihre Güte etc. beschämt mich etc. Übertr.: das (persönl. oder personif.) Obj. weit übertreffen, so daß beim Vergleich es mit Scham erfüllt sein müßte: Der Wilde beschämt an Menschlichkeit | uns Christen. Gotter 2, 327; Sch. 113a etc.; Die Reizung freier Felder | beschämt der Gärten Pracht. Hagedorn 3, 88; Die Federn einer Gans beschämten an Weiße den frischgefallnen Schnee. L. Fab. 1, 14 etc. b) Partic. Präs.: Einen b–d. H. R. 9, 114 und als Ew. (s. decken, Anm.): Die b–dste Güte. 197; Es wird .. ihm zu b–d. Ense Tag. 3, 362 etc., auch: Neid-b–d. Burmann F. 148 etc. c) Partic. pass.: Beschämt dastehn wie ein Bettpisser; wie ein Gaul, der seinen Karren umgeworfen. Fischart B. 1a etc.; Einen beschämt machen [b.]. Olearius B. 56b etc.; Der unverschämte Betrüger wird beschämt. Börne 1, 214; Niedergeschlagen und beschämt. G. 25, 202; Durch oder über Etwas beschämt („beschamt“ Weidner 12), vereinzelt mit Genit.: Seines Schrecks beschämt [sich schämend]. König Jer. 1, 324. Ugw.: Bloß und beschamet. Hes. 16, 7, in schamerregendem Zustand.
3) Zu unsrer Beschämung. G. 5, 62; Sich künftige Beschämungen vorbereiten. 39, 292 etc. Ent-: schamlos machen. Keller Fastn. 380, 21. Hinēīn-: s. [1a]. Über-, refl.: in Form des Partic.: Haben sich geschämt und übergeschämt [übermäßig geschämt], weil etc. SClara EfA. 1, 96. Ver-:
1) refl.: schwzr. statt des Grundw. mit Genit. Gotthelf 5, 201; U. 1, 308 etc., vgl. aus-sch. 2; 3.
2) (s. 1) im Partic.:
a) (vgl. schamhaft, schämig) in blöder Scham befangen, und: von solchem Sinn zeugend: Verschämt stehn (Kosegarten D. 1, 195), stehn wie ein Bettseicher (Rockenphil. 2, 246), thun (Auerbach Ed. 42), sich betragen (G. 22, 121), Einen machen (Alexis H. 1, 1, 134) etc.; Ward Dessen [darüber] fast verschämt. Hebel 3, 354; Verschämtes Angesicht. Haller 97; Verschämte Wangen. Sch. 77b; Thümmel 5, 171 etc.
b) dazu: Statt Scham .. die mildere Verschämtheit. Baggesen 4, 210; Blöde stand sie, verschämt und durch die Verschämtheit verschönert. Kosegarten D. 1, 195 etc. Veralt.: Verschämlichkeit. Logau (L. 5, 154). Ferner Zsstzg. zur Bez. des Ggstzes:
c) (s. d und aus-sch.
3) Ausverschämt. Alexis H. 1, 2, 198; 233; Fleming 153; 417; Holtei Lammf. 1, 33; Das ist nicht bloß mehr unverschämt, Das ist ausverschämt. Temme SchwM. 1, 76; Die Ausverschämtheit. d) Unverschämt, ohne Scham; schamlos (s. d., vgl. c; frech etc.); von solchem Sinn zeugend: Ein Unverschämter. Sir. 29, 19; Unverschämte Lüge. Cham. 4, 74; Frechheit (Schlegel Sh. 6, 228); Stirn (Thümmel 6, 61); Unverschämtes Schandieren. Olearius Reis. 48a; Unverschämt theuer. Gotthelf U. 1, 263 etc.; Weil der Schnee uns auf die unverschämteste Weise im Bette besuchen wollte. G. 6, 335 etc. Veralt.: Unversch am(p)t. Sir. 23, 6; 40, 32 etc.; schwzr.: Unverschant. Gotthelf Sch. 57; G. 313. e) Zu d: Unverschämtheit, z. B. personif. W. Luc. 1, 101 etc.; Eiserne (Lichtenberg 3, 159), unerschrockne (W. 6, 58), edle (iron. 62) Unverschämtheit; Muth, Dreistigkeit, Unverschämtheit, wenn’s nöthig. Sch. 649a etc.; Unverschämtheiten [unverschämte Handlungen]; Eine ähnliche Gelehrtenunverschämtheit. Platen 7, 117. Veralt.: Unverschamigkeit. Zinkgräf 1, 346; 325 etc. Zer-, refl.: in Scham vergehn (selten). Kürnberger N. 1, 190 etc.