Faksimile 0065 | Seite 887
Faksimile 0065 | Seite 887
Schallen
Schállen, schallte, scholl (schölle); geschallt (geschollen):
1) intr. (haben, s. b): einen Schall hören lassen, von sich geben (vgl. tönen, klingen, hallen etc.): Pauken, Trompeten, Geigen etc.; Lieder, Sänge, Töne, Worte, Schritte, Tritte, Waffen etc. sch. laut, leise, hell, dumpf etc.; Von Dank und Gruß und Spende | scholl weit das Land umher. Freiligrath Garb. 58; Schon schallten seine Vorsäle von wilden Stimmen. Sch. 1075a; Rührender hat der Gesang mir noch nie geschollen. Kosegarten Rh. 2, 86 etc. b) mit Angabe des Woher, Wohin etc., wobei auch sein als Hilfszeitw. vorkommen kann (s. flammen, Anm.): Die Ohrfeige hat durch den ganzen Saal, bis ans Ende des Saals geschallt; Der Ruf seiner Thaten ist durchs ganze Land, bis an die Grenzen des Reichs geschallt [gedrungen] etc.; vergl.: Ihm schallten die letzten Worte [wo?] im Ohr. Cham. 3, 240; [wohin?] ins Ohr; Wie zu seinem Ohr die Schritte schallten. 4, 129; Den Richtern scholl der Ruf ins Ohr. Echterm. 118 etc.; Da scholl ein Tönen wie aus tiefer Vase. Platen 4, 256 etc.; Schallt das Orakel daher? [s. d. 1] etc. c) unpers.: Es schallt von Pauken etc.; Laut wie Rindergebrüll scholl’s. V. Od. 12, 396; Da scholl’s wie dumpfes Donnern durch die Felsenschlünde. Matthisson 106 etc., s. 2b. d) zuw. prägn. von großtönendem Schall (s. d. 3) ohne entsprechenden Jnhalt: Ein Kardinal! Das Wort schallt recht; | sein Sinn ist: der Knechte niedrigster Knecht. Cham. 3, 234 etc., s. e. e) Sch–d = laut: Der sch–dste Beifall. Tieck DBl. 2, 181 etc.; auch (s. d): Was denkst du unter diesem sch–den Geprassel von Worten? Klinger F. 337; Teutsch. 36; W. 7, 119 etc. f) weidm.: Sch., schalten, schelten (Heppe 312), schalnen (Schm.) = melden 3b.
2) tr.: schallend künden etc.:
a) Ob noch die Glocken sch. | ins Land den Festesgruß. Kinkel 423; KMayer Lied. 214 etc.
b) unpers.: Aus den Wassern schallt es Antwort. Platen 1, 202; Freiligrath 1, 252.
Anm. Noch im ältern Nhd. (s. Schm.) schellen; schall; geschollen und z. B.: Wie man in den Wald schreit, so schillt es wieder heraus. Franck etc.; Erschellen. Uhland V. 485 etc.; Erschillt. Garzoni 38b; 655b; Overbeck Virg. 83 (ersch üllt. Opitz 1, 125; 2, 232; wiederschüllet. 139), Impf.: erschall. Esth. 9, 4; Matth. 4, 24; 9, 26 etc., s. ahd. scëllan, mhd. schillen, versch. von faktit. ahd. scellan, mhd. schellen, schallen, tönen machen (z. B. noch: Ein Jägerhorn erschellen. HSachs G. 2, 85 etc., s. schellen und vergl. über den Zusammenhang der Bed.: schmettern und Anm. zu bellen). Aus der Vermischung beider Zeitw. erklärt sich die doppelte Abwandlung nam. in Zsstzg. (im Grundw. ist das starke Partic. selten, dagegen noch. häufig das Jmpf.). Zu sch. gehört Schall, ahd. scal, mhd. schal; Schelle, ahd. scella, mhd. schelle, in Doppelbed. (s. o.) des Tönenden (Glöckchen etc.) und des Schlags, vgl.: Schilling, goth. skillings, ahd. scilling, mhd. schilling, klingende Münze und Schläge (wenn nicht nach der Zahl benannt); wahrscheinl. auch (s. III. Ball, Anm.) Scholle, ahd. scolla, mhd. scholle etc.
Zsstzg. s. die von hallen, klingen, tönen etc., z. B.: Āūf-: z. B. Jmpf.: aufscholl. Kl. M. 19, 432; V. Ov. 1, 199; 214 etc.
Aūs-: Jacobs Verm. 2, 1, 142; Des Herzens ausgeschollene Klänge. Jahn V. 186, die aus dem Herzen gedrungen.
Dahêr-: V. Od. 12, 198.
Durch-: Freudengeschrei durchschallte das Lager. Ense D. 5, 428; Siegesgeschrei durchscholl die Nacht. Kosegarten Rh. 3, 360 etc.
Eīn-: In der Meute Gebell e. die Töne des Hifthorns.
Empōr-: z. B. emporscholl. Gutzkow R. 4, 425; ESchulze 3, 174.
Ent-: z. B. entscholl. Kl. M. 20, 875; V. Il. 1, 49 etc.; Ström’ entschallern den Bergen. B. 246b.
Entgêgen-: Mir schallte es wie ein Lachen entgegen. Cham. 4, 290; Wann euer Lob mir entgegenscholl. 3, 224 etc. und [2]: Gleich Donnerschlägen | schall eine Stimm’ ihm diese Wort’ entgegen. W. 12, 199. Er-:
1) intr. (sein), z. B. [1b]: Der König ließ e. [kundthun, wo?] im ganzen Juda: hie soll etc. 1. Kön. 15, 22; Daß der Brief des Königs in sein ganzes Reich erschalle [wohin?]. Esth. 1, 20; Kaum erscholl in der Nachbarschaft die Ankunft. G. 19, 213; Auch hierher ist der Ruf des Kriegs erschollen. 34, 164; Das Gerücht erscholl in alle Gegenden. IGJacobi 3, 140; Erschollen war in diesen Thälern schon | der Ruf. Sch. 527b; Bis diese Geschichte nach Hof erschallte. Zinkgräf 2, 64 etc.; Das Lied .. erschalle .. in die Welt. Cham. 3, 367; Erschallten Töne .. in seinen Ohren. Klinger 4, 274 etc.; Steinbrecher, deren Eisen .. erschallt war. Gartenl. 10, 154b etc.; Daß die innre Schöpfungskraft | durch meinen Sinn erschölle! G. 2, 178 etc. Ugw.: Dank soll meinen Lippen e. [ent-sch.; von meinen Lippen e.]. W. 26, 185 etc. Doppelzsstzg.: Von euch ist aus- erschollen das Wort. 1. Thess. 1, 8; Daher- (V. Il. 8, 132), entgegen- (Blumauer 1, 207), her- (G. 19, 11), hin- (V. Od. 14, 265), herab- (20, 103), heraus- (G. 6, 44), nach- (Gleim 4, 67) e.
2) tr. [2]: veralt.: Etwas e. [erschallen lassen]. Weckherlin Gd. 89; 93 etc.; unpers.: Land! erscholl’s. Mülner 2, 72. Hêr-, Hín- etc. Míß-: [That,] welche laut in die Jubelhymne der Schöpfung | mißscholl. Sonnenberg. Nāch-: Dem des Volkes Flüche nachschallten. Sch. 408b etc. und [2]; „Laura!“ scholl mir das Thal, „Laura!“ der Hain mir nach. Matthisson A. 11, 7 etc. Über-: Welch .. Getön .. überschölle den Lärm? V. H. 2, 326 etc. Um-: Den Dank und Jubel umschallten. Thümmel 5, 200; Rings umscholl das Getön sie. V. Od. 17, 247. Ver-:
1) verhallen, verklingen: Eine Rede verscholl im (G. 15, 119), in den (Tieck N. 1, 68) Wind; Wenn der letzte Laut .. verschallte. Börne 2, 215; Die Nachtigallen waren längst verschollen. Heine Reis. 4, 124 etc.
2) (s. 1) der Kunde und dem Gedächtnis der Menschen verschwinden, so daß Nichts mehr davon gehört wird: Der Ketzer Sache sollte so v. Cham. 4, 45 etc., nam. verschollen, a.: 52; 3, 238; Halbverschollene Begebenheiten. G. 33, 54; 22, 47; 114; Haug EpSp. 82; Rock von verschollenem [jetzt unbekanntem] Zeuge. Heine Reis. 1, 128; Lied. 335 etc. b) bes. (Rechtsspr.) von Pers., die aus der Heimath fortgegangen und so lange Nichts haben von sich hören lassen, daß nach gesetzl. Best., wenn sie auf ergangne Vorladung sich nicht melden, sie für todt erklärt werden. Glück Pand. 7, 494 ff.; Cham. 3, 261 etc.
3) Verschollenheit, zu 2a Kinkel E. 314; 344 etc.; zu 2b Meißner FvH. 1, 33 etc. Vōr-: z. B.: Des Alten Saitenspiel schall eurer Leier vor [als Muster]. Uz etc.; Der v–de [Vers-] Ausgang. V. Georg. XIV, der mit seinem Schall vor den übrigen Verstheilen hervor-, hinter den sie zurücktreten. Vorǖber-: Sch. 127a. Wī(ē) der- (s. wiederhallen I; II): So redt der Hund und widerschallt das Thal. Abschatz (WMüller Bibl. 6, 184); Der Tempel schallte wieder. G. 19, 320; In allen Reichen | das Gelächter wiederscholl. Heine Rom. 149 etc. Zer-: s. zerschellen. Zū-: Beifall, der ihm zuscholl. Schütze Hamb. 452. Zurück-: Das Getöse schallte von den Felsen zurück. Forster R. 1, 112; [Daß der Berg] zurückscholl. V. 3, 46; [2]: Tausend Lieder | schallen Lieb’ und Dankzurück. Langbein L. 235. Zusámmen-: W. Luc. 6, 214.