Faksimile 0660 | Seite 658
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raufen
Rāūfen, tr., zuw. (s. 1a, e, f) intr. (haben) und (s. d, f) ref.:
1) Etwas packend und raffend mit einem Ruck fort- und nam. ausreißen, z. B.:
a) Raufe .., durch welche das aufgesteckte Rauhfutter vom Viehe gerauft wird. V. 1, 201; Die Samenkapseln von dem Flachs r., ab-r. und meton.: den Flachs r. (s. Raufe 3), doppeldeutig (vgl.
b) und deßhalb häufiger riffeln etc., ferner zuw. o. Obj.: Beschirme mich vor den Haufen, | die da rauben und r. [Einem das Seinige wegreißen und entraffen]. Rückert Mak. 1, 94 etc., vergl. 1f am Schluß etc. b) Pflanzen, Unkraut aus der Erde r. (oder aus-r.), z. B.: Gät’ und raufe mit mir das geile Unkraut! V. (Wackern. 2, 903 ³¹); Gleich unter Molimenti rauften die Bauern den Flachs. G. 23, 364, doch vgl. a. U. aus-r. etc.
c) Einem Haare aus dem Bart, einen Flausch Haare aus dem Kopf r. (oder aus-r.); Sich verzweifelnd die Haare aus dem Kopf r.; Es wird ein Bock herbeigeführt | .. Man rauft aus seiner Stirne Haar. Hagedorn 3, 193, auch (s. zer-r.); Er raufte seine buschichten Augenbraunen. Immermann M. 4, 61; Worauf Jupiter vor mitleidendem Schmerz sich das Haar raufe. L. 11, 247; V. Il. 18, 26; W. 12, 320 etc. Hieran schließen sich als Metonymien:
d) Sich in Verzweiflung (vor Schmerz etc.) das Haupt r.; Hiob .. zerriß sein Kleid und rauft sein Haupt. Hiob 1, 20; Er raufte sich im Haar etc.
e) Einen beim Frisieren r., ihn unsanft in den Haaren ziehen, ziepen. G. 16, 106; 17, 339 etc., so auch (o. Obj.): Der Kamm rauft und nach Analogie: Daß ein frisch abgezognes Messer [beim Barbieren] ebenso gut rauft als ein stumpfes. 10, 201 etc.
f) Einen r.: ihn bei den Haaren packen, um sie ihm auszureißen und so auch refl.: Sich mit Jemand r., auch verallgemeint (vgl.: Einander in den Haaren liegen etc.): sich mit Jemand balgen, schlagen, streiten; ihm derb zu Leibe gehn, mit ihm anbinden etc., z.B. tr.: Ich schlug etliche Männer und rauft sie. Neh. 13, 25; Ich hielt meinen Rücken dar Denen, die mich schlugen, und meine Wangen Denen, die mich rauften. Jes. 50, 6; Der ist also oft gerauft und geschlagen worden in der Schenke. Agricola 576; Der Hofemeister wollte mich r. darum, daß etc. Schweinichen 2, 342; Jungfer, rauft mich nicht zu grob, ich habe auf meinem Kopf zweierlei Schwarten; die oberste ist die höfliche; wo die zerrissen wird, so könnt ihr die grobe auch zu sehen kriegen. Weise Jak. 29; Er war allweg mit ihr zu Unfrieden, schlug und rauft sie stets. Wickram (Wackern. 3, 443*) etc., häufiger refl.: Wenn die Herren sich r., müssen die Unterthanen die Haare lassen. Sprchw.: Wenn unsere Töchter ums Glück sich r., | euch in die lüsternen Arme zu laufen. Beck Arm. 41; In dessen Klasse sich meine Mitbuben am meisten rauften. Heine Reis. 2, 139; Immermann M. 1, 155; Die Leute r. sich hier und wissen nicht, warum. W. 15, 106 etc., zuw. auch intr.: (Mit einander) r. etc., s. Schm. 3, 60.
2) zu 1f: Raufer:
a) Einer, der gern mit Andern anbindet, Streitigkeiten (Duelle etc.) sucht, Schläger, Raufbold, vgl. Robler: Zum Unglück war er an einen Raufer von Profession gerathen, der sich nie schlägt, ohne seinen Mann zu tödten. Sch. 649b; Die Kunst des Raufers trägt den Sieg davon. Schlegel Sh. 1, 85 etc., seltner: Räufer und Tagediebe. vHorn Maj. 1, 72.
b) = Raufdegen (s. d., vergl. Schläger). Günther 374; Steckt seinen Raufer an. Zachariä.
c) zu a: Bei einer Rauferei [Schlägerei]. vHorn Maj. 1, 72 u. o., vergl. schwzr.: Gab es einige Raufeten. Gotthelf 5, 75 etc. Ferner: rauferhaft, -isch, in der Weise eines Raufers, vgl.: Ein Krakehler, aber die raufigen Burschen geben die besten Männer. vHorn rhD. 2, 261 etc.
Anm. Goth. raupjan, ahd. roufan, mhd. roufen, reufen (s. 2a und aus-r). Dazu: rupfen, mhd. rupfen.
Zsstzg. vergl. die von rupfen und zu [1f] von balgen etc., z. B.: Ab-:
1) tr., z. B. [1a], ferner [1c]: Rauf doch nicht ab die versengten Haare. Gryphius 1, 175.
2) refl. [1f]: sich abbalgen, vergl. aus-r. 2. Āūs-:
1) tr., vralt. mit Uml. z. B.:
a) [1b] Flachs, Nesseln (Hiob 30, 4), Gras (Ps. 129, 6), Ähren (Matth. 12, 1), den Weizen mit dem Unkraut (13, 29) a.; Ich will sie pflanzen und nicht „ausreufen“. Jer. 24, 6; Keimt ein Glaube neu, | wird oft Lieb’ und Treu, | wie ein böses Unkraut ausgerauft. G. 1, 188; Wir wollen diese Vorurtheile nicht ausjäten, um nicht vielleicht edle Pflanzen zugleich mit aus-zu-r. 16, 245; Die Nesseln aus dem Leben a. IP. Fat. 2, 210; W. 8, 191 etc.
b) [1c]: Ich rauft mein Haupthaar und Bart aus [in Verzweiflung etc.]. Es. 9, 3; Und nun! um’s Haar sich aus-zu-r. [es ist zum Verzweifeln]. G. 11, 159; Wir alle würden noch heute die Haare a. über eurem Sarge. Sch. 103b; Schaidenreißer 45a; Dein Bart will ich dir a. Uhland V. 332; 286; Wer sich über fremdem Unglück allemal ein Haar a. sollte, Der muß eine Platte kriegen. Weise Jak. 41; Daß er eher seinen grauen Bart, Haar für Haar, a. wollte. W. 14, 42; Einem Vogel die Federn a. etc. und meton. [1d]: Bis daß ihm die Flügel ausgerauft wurden. Dan. 7, 4 etc.
2) refl. [1f]: seine Rauflust befriedigen: Magst du, wenn’s zum Schlimmsten kommt, | aus einmal dich raufen. G. 4, 55, vergl. auslachen 2 etc. Be-: vergl. berupfen. Hes. 29, 18 etc.; (Buchbind.): Ein Buch b.; beim Beschneiden nicht soviel fortnehmen, daß die etwas zurückstehnde zweite Hälfte jedes Bogens unaufgeschnitten bleibt. Ent- [1c]: Viel alsdann von dem Haupt entrauft er des Haars. V. Herúm-, refl. [1f]. Zer-: raufend zerreißen etc., entzwei raufen, nam. [1c]: Das Haar z. B. 13b; G. 19, 60; Rückert Rost. 116b; Stolberg Jl. 18, 26 etc.