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raffen
Ráffen: 1) tr.:
in ungestüm reißender Bewegung ergreifend, an sich oder mit sich fort nehmen, eig. und übertr.: Etwas vom Boden (auf), Alles auf einen Haufen (zusammen), Etwas in den Hut, Gras in die Schürze, Alles an oder zu sich, mit sich r.; Er ist wie der Tod der nicht zu sättigen ist, sondern raffet zu sich alle Heiden und sammelt zu sich alle Völker. Habak. 2, 5; Jes. 66, 17; Jedes Preis | an dich zu r., der dir widerspricht. B. 144b; Die Rosse rafften mich umsonst durch Thal und Höhen. Nicolai 1, 230; Das Mühlrad, von der Fluth gerafft, | umwälzt sich. Sch. 68b; In sein stygisches Boot | raffet der Tod | auch der Jugend blühendes Leben. 510b; Alles rafft der Tod. Simrock Gudr. 62; Trümmer rafft des Strudels Schlund. V. 3, 218; R. sie [die Pferde] schleunig den Weg. Ov. 1, 78, vergl. ausgreifen 1. S. auch reffen und 2. 2) (s. 1) intr. (haben), z. B.: Nach Etwas r., vergl. greifen 2e; Der Deutsche rafft | nach Golde nur. Göckingk 3, 112 etc., oft auch nur ohne Nennung des Obj., so nam.:
a) im Infin.: Der Schuft hat R. gespielt [gestohlen, s. raps 1]. Alexis H. 1, 1, 226; Mit eiligem Bestreben | sucht sich, was sich angehört. | .. Sei’s Ergreifen, sei es R., | wenn es nur sich fasst und hält. G. 4, 105.
b) im Partic.: In r–der Hast; Wuthvoll tobt’ er wie Ares mit r–dem Speer. V. Il.; Ich fahre der r–den Kreisung entgegen. Ov. 1, 71 etc., auch (Arzn.): Das r–de Gefühl des Magenkrampfes. Bock Diagn. 518 etc. 3) (s. 1) refl.: meist mit einer die Ortsveränderung bei reißender Bewegung angebenden Best. vgl. rappen 2: [Er] rafft von seinem Lager sich geschwind [auf, empor]. G. 1, 190, erhebt sich; Wie dort im Schwung sich Sterne r., | bewegen wir den Wanderstab. Rückert Erb. 2, 19; Er rafft sich aus des Trübsinns schwarzer Hülle. W. 20, 192 etc. 4) dazu: Raffer, z. B.: Von filzigen Geldraffern. HKleist E. 1, 5 etc. Arm. „R. tr. geht hervor aus einem veralt. intr. r., isl. hrapa, sich mit Schnelligkeit bewegen, in welchem Sinne [s. 3] sich im Dialekt die Form raffeln behauptet hat“. Schm., vergl.: „Raffare, it. in arraffare, . . hurtig an sich reißen, .. ruffa–raffa, Rapuse .., desgl. mit ableitendem l it. ar–raffiare (für arrafflare), frz. rafler .., faire rafle, Alles an sich reißen. .. Deutsche Herkunft ist nicht zu bezweifeln, mhd. reffen, nhd. r.; mit ableitendem l nhd. Raffel, Werkzeug zum Scharren oder Raufen, vgl. auch altn. hrafla, wegschnappen“. Diez 279 und: „Rappare in it. arrappare.., augenscheinl. von niederd., niederl. rapen . ., = hochd. r.“ 281. Urvrwdt. mit lat. rapere, r., rauben; rapidus; reißend schnell (s. rapide) etc., vgl. auch: (niederd.) rapp = schnell; Rips-Raps, Rapuse, grapsen etc., s. Brem. Wörterb. 3, 434—436; ferner: rampfen. Schm. 3, 91, s. Ramp.
Zsstzg. z. B.: Áb- [1]: zuw. = fort-r., mit Nbnf.: Mit der Hand abnehmen oder abrappen. Reichard Gart. 1, 83 etc., bes. bei den Müllern (s. Raff 2) und nam.: das mit einer Sense ohne Bock (s. d. 10: „Sensenbock“) oder Reff angehauene (s. d. 3) Getreide (vgl. Griff 4b) hinter dem Mähenden aufnehmen und zusammenlegen (auch „rappen“. Adelung), dazu: Bedient man sich der glatten Kornsichel und es hat auch jeder Schnitter seinen Abraffer hinter sich. Krünitz 11, 387 („Rapper“. Adelung); Die Abrafferin etc. Án- [1]: heran-, herbei-r. (selten): Angerafft vom feuchten Geroll. Thiersch Pind. Pyth. 4, 70.
Āūf-: empor-, in die Höhe rassen:
1) [1] Die Asche a. [vom Boden]. 4. Mos. 19, 9; Ich habe alle Lande zusammengerafft, wie man Eier aufrafft. Jes. 10, 14; Wird man euch a. als ein Raub, wie man die Heuschrecken aufrafft. 33, 4; 57, 1; Das Pflaster auf-zu-r. [aufreißen]. Cham. 4, 175; Nicht werfet es mit aufgerafftem Steine. Daumer 2, 196; Das Geld. | Vom Estrich zwar ist es nicht auf-zu-r. G. 12, 14; Alle Poeten, die fallen, wir raffen sie auf. 29, 262; Viel Bücher zu sammeln, sonderlich ohne alle Unterschied allerlei [Kirchen-Väter] .. aufzuraffen. Luther 1, XVII; 379a; 5, 229a; Wo er das Kamel aufgerafft [aufgetrieben]. Rückert Mak. 2, 146 etc., s. 2.
2) [3] rasch sich erheben und aufstehn, eig. und übrtr.: Sich vom Boden, vom Fall, vom Krankenlager, von einer Krankheit a., wieder a.; Er rafft sich auf durch Wald und Feld | und flieht. B. 71b [in Prosa: und flieht durch Wald und Feld]; Man raffe sich auf und vollziehe rasch, was etc. Cham. 4, 296; 4, 159; Wohl muß ich fragen, ob ich wirklich denn | aus jener tödtlichen Betäubung mich | ins Leben wieder aufgerafft. G. 13, 241; 1, 70; Mitten in dieser Vernichtung raffte meine Seele sich auf, ihn zu halten. Hölderlin H. 2, 93; So rafft von jeder eiteln Bürde, | wenn des Gesanges Ruf erschallt, | der Mensch sich auf zur Geisterwürde. Sch. 80b; W. 4, 232; 12, 8; Kaum hatt’ ich mich vom Lehnstuhl aufgerafft. 263 etc., s. aufrappeln. Im Partic. auch (vgl. 1): Aus diesem Schreckenstraum ein wenig aufgerafft [mich habend], | sucht ich nach mir etc. Thümmel 1, 11. Aūs-: (vralt.) Ein Prudelmus gekocht und ausgerafft. Fischart B. 1, 10. Dahín- [1]: fort-, hin-r.: Cham. 4, 40; Die Pest .., welche die meisten Officiere dahinraffte. Sch. 1081b; Mit Wuth in dem Saale, dahingerafft [fortgerissen] von der Kühnheit, | mordeten wild sie umher. V. Od. 24, 183; 17, 431 etc. Eīn-: s. einreffen. Empōr-: auf-r.:
1) [1] So rafften Ehrfurcht und Entzücken | von ihren Sitzen sie empor. Pfeffel Po. 3, 158; Nun rafft noch einmal mich der Sturm empor. Pla- ten 4, 226; O wenn doch, empor mich raffend, ein Sturmwind | fern hinweg mich entführt’! V. Od. 20, 63; Etwas mit-e. Freiligrath SW. 1, 243.
2) [3] Wie hart | ein jäher Sturz mich lähmend hingestreckt. | Da rafft’ ich mich empor. G. 13, 309; Wenn ein Volk empor sich rafft für Vaterland und Recht. Platen 6, 6; Wenn Liegende, was sie längst hätten sollen, | empor sich endlich raffen, nennt’s Empörung! Rückert 2, 10. Ent-: entreißen:
1) [1] Der Vergänglichkeit entrafft. Cham. 3, 360; Nicht der Feind hat dich entrafft [hingerafft], | Ajax fiel durch Ajax’ Kraft. Sch. 53b; Hatte mir Skylla .. der Freunde | sechs entrafft. V. Od. 12, 246.
2) [3] Dem Mordgewühl entrafft sich kaum | das Wild. B. 71a; Ich habe mich aus tiefer Schmach entrafft. Cham. 3, 275; G. 12, 309; Entraffe dich der Nacht! Kosegarten Po. 2, 315; Furchtbar wird die Himmelskraft, | wenn sie der Fessel sich entrafft. Sch. 76b. Entgêgen-: z. B. [3] Daß er .. | sich ihrem Ruf entgegenrafft. Gotter 1, 466. Er-: raffend sich Etwas aneignen, ergreifen: Die Hände reibend und eine gewaltsame Bedächtigkeit e–d. Auerbach D. 4, 305; Die Hand des verzweifelnden Vaters errafft | die Locken des Knaben im Sinken. Kind (Echtermeyer 291); [Er muß] erlisten, e. [2]. Sch. 78b etc.; Nach Erraffung ihrer Kleider. Lohenstein A. 2, 216. Fórt-: hin-, weg-r.: Vier Söhne raffte dieser Zwist mir fort. Cham. 4, 135; Opitz 1, 348; Der Herden Schar auf den ertränkten Auen | wird mit den Hürden fortgerafft. Sch. 34a; Mit Gewalt f–d, entriß in das Meer der Orkan sie. V. Od. 10, 48 etc. Hêr-, Hín- etc.: Daß aufwärts er sich fühlte hingerafft. Cham. 4, 32; In die Schwachheit hingerafft. G. 12, 307; Diese .. Liebe | hat alle frühe Blüthen meines Geistes | unwiederbringlich hingerafft. Sch. 298b; 414b; Schlegel Haml. 1, 5 etc.; In den großen Sturm hin- ausgerafft. Lenau A. 56 etc.; Vergebens hab’ ich alle Schätze | des Menschengeists auf mich herbeigerafft G. 11, 73; 2, 144 etc.; Als sie sogleich ihre Angaben hervorrafften. 26, 47 etc.; Du drohst sogar, mir meinen Ehrenlohn hinweg- zu-r. B. 143b; Ein Donnerwort hat mich hinweggerafft. G, 11, 28; V. Th. 17, 48 etc. Lōs-: Meine Geister, | losgerafft vom Kettenband der Glieder. Sch. 3b etc. Ver-: fort-r., auch (mundartl.) refl.: Hat sich dergestalt in die Weiber vergafft und verrafft. SClara EfA. 1, 27. Wég-: fort-, hinweg-, dahin-r. etc.: G. 6, 208; Der Gerechte wird weggerafft vor der Plage. H. R. 7, 318; Drei Söhne .. wurden durch die Pest ihm plötzlich weggerafft. W. 20, 218 etc. Zer-: Etwas aus einander raffen, so daß es zerstreut wird etc. (Ggstz. zusammen-r.): Sie z. den Schmaus. V. Ant. 1, 258. Zusámmen-:
1) [1] Was sie auf blutigen Kriegswegen z., verjubeln. Kohl Südr. 2, 8; Dieser wählte die aufzunehmenden Pflanzen, Jener raffte sie zusammen. EHFMeyer Bot. 2, 133; Zusammengeraffte Miethlinge. Sch. 775b; W. 19, 331; Ich raffte in der Eile so viel Ernsthaftigkeit zusammen, als nöthig war etc. 23, 231; Mit zusammengerafften Kräften. 27, 12; Raffte er noch seine letzten Kräfte zusammen. Luc. 4, 51 etc. (vgl. 2), auch [2]: Die Sucht, zusammen-zu-r. G. 31, 430 etc. und (vralt.): Zierlich „sammenraffen“ | die Verslein in Bezwang. Spee (Wackern. 2, 276²²), sie nach dem Gesetz des Rhythmus zusammenfügen.
2) [3] Wer Großes will, muß sich z. G. 6, 355; 13, 55; Krank und hungernd, rafften sie sich mit seltner Energie zum letzten verzweifelten Widerstand zusammen. Häußer Deutsch. Gsch. 4, 443; Platen 4, 222; W. 11, 188 etc.