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Quast
Quást, m., –(e)s; Quäste, (–e); Quästchen, lein; -:
1) (veralt.) Büschel von Zweigen etc., zur Verhüllung der Scham, z. B.: Sie bunden Feigenblätter und machten Quäste. Bibel v. 1520 bei Frisch 2, 77 (s. 1. Mos. 3, 7, vgl. V. Od. 6, 128 ff.), vgl.: Schlugen Questen von einem Feigenbaume für ihre Scham. Steinheil (Schwäb. W. 418); Wie hübsch können sie ihrer Schand ein Questen und Entschuldigung flechten aus den Blättern dieses heiligen Feigenbaums und Evangelii. Luther 1, 375a; Sprechen: „Ich hab es nicht gethan,“ Das ist ein Blättlein zu dem Questen. Keisersberg Sünd. d. M. 13a; Mit dem Baderquesten der Entschuldigung .. zu verbergen ihre Laster. ebd.; Ein Schanddeckel und Badequest aller Bosheit. Franck Par. 125b etc., s. Badeschürze etc. 2) (s. 1) ein Büschel, Bündel oder etwas ihm Ahnliches, nam.:
a) Fischer.: = Puppe 2d, s. d., vergl.: Verboten: das Fischen mit .. der Aalharke oder Aalhaue und der Aalquäste. Preuß. Gesetzsamml. (1859) 462 § 27 etc.
b) ein Büschel von Reisig etc. an einem Stiel, Besen, Wedel, z. B. Heide-Q., Besen aus Heidekraut zum Reinigen des Küchengeräths; Weih-Q., Weihwedel etc.; Die Kohlquäst [des Schmieds]. Murner Ul. 61.
c) Büschel von Borsten etc. an einem Stiel, (gröberer) Pinsel (s. Bobrik), eig. und übertr.: Als er das Mißlungene trotz den großäugigen Angaffern stillschweigend mit dem Q. überstreicht. V. Myth. 1, 11; Die jetzige literarische Welt, unbekümmert um richtige Zeichnung und Charakter, will durchaus mit einem reichergiebigen Farben-Q. bedient sein. Falk G. 154; Jch strich ihn aus [heraus] mit Re- censenten-Q–e. KlGroth 96; Tünch- oder Weiß-Q., Pinsel der Tüncher und Weißbinder; (Schiff.) Schmier-Q., Pinsel aus Zeuglappen (,,Bubu“) zum Beschmieren’des äußern Schiffsbodens; Schwarz- od. Schwärzel-Q., Q. aus Bubu, Wolle etc., die Enden der Stengen, der Rahen anzuschwärzen; Theer-Q., Borstenpinsel zum Eintheeren der Taue etc., auch der Wagenachsen etc. und sprchw.: Einem mit dem Theer-Q. übers Maul (s. d. 1k) fahren etc., s. auch 3c.
d) ein niederhängender. Büschel von Fäden und Franzen, nam. als Zierrath, Troddel: Das Schloß [der Börse] war von Rubinen, von Gold die Quäste schwer. Mohnike Fr. 62 [die Troddeln“. Niendorf Fr. 69]; Umschimmert von goldenem Q. Momsen Pind. 90; Den Gürtel mit hundert Quästen umbordet. V. Il. 14, 181; Die Ägis, prangend mit Quästen. 5, 737 etc.; Den Kragen mit den Quästchen. König DFam. 1, 199 etc. Dazu kollektiv: Buntes Ge- quäst und Getroddel. Immermann 12, 176 = Q–n- und Troddelwerk. In dieser hochd. gewöhnlichsten Bed. zumeist: Quaste, f.; –n, z. B.: Die hundertästige Q–e [der Schlafmütze]. Börne 2, 80; Q–en schwanken von den Armen. G. 12, 208; 15, 176; Seine Bettvorhänge waren .. mit Q–en befestigt. 16, 63; Ein Netz von bunten Schnüren, Flocken und Q–en .. zierte den Hals des langohrigen Geschöpfs [Esels]. 18, 20; Die Q–en an den Köpfen der Isabellpferde. 20, 222; Pelz .., auf der Brust mit goldenen Schnüren und Q–en zusammengehalten. 22, 284; 30, 331; 31, 217; 219 etc.; Gutzkow R. 4, 13; Hettner gR. 70; Goldne Q–en aufgeknüpft. Platen 4, 126; 3, 120; Die seidene Trottel [der Klingelschnur] .. Die Q–e. Thümmel 4, 48 ff.; 174; W. 20, 244; Zachariä 1, 111 etc., dagegen ugw.: Mütze mit Quasseln. Pückler Verst. 1, 157. Zsstzg. z. B.: Bett-Q–(e), z. B. ein in einen Q. endigender Betthalter (s. d.); Mit rothem Kopfputz und blauem Büschel-Q. daran. Ense Tag. 1, 325; Degen-Q., s. Portepée. Sch. 190a; Gardinen-Q(–e); Glocken- (RHeller Ausgw. Erz. 3, 244), Klingel-Q(–e), am Ende der Glockenschnur; Gold-Q(–e), von Golddraht; Pferde-Q(–e), als Pferdeschmuck; Puder- Q(–e), von Zeugfäden, nicht zum Schmuck, sondern zum Aufstreun des Puders. Platen 1, 337; Der Neumond hat, wie eine Spang’, aus Gold gefeilt, | geblickt aus Abendwolken-Purpurquasten. Rückert Mak. 1, 57 etc.
e) oft nach der Ahnlichkeit mit d, vgl.: Wodurch der Halm das Ansehn erhält, als wenn er abwechselnd hier und dort mit großen Quästen behangen wäre. Burmeister gB. 2, 231; Verlängerte Federn heißen .. Q–en, wenn sie am Hals [der Vögel] herunterhängen. Oken 4, 335; Staubfäden, die wie eine rothe Q–e hervorstehen. 3, 1925; Kiemen, die als ganz unscheinbare Quästchen schlaff herabhängen. Vogt Oc. 1, 39 etc.; Der Blüthe Dunen-Q. Musenalmanach (1797) 86.
f) Botan.: Quästchen, eine Pflanzengattung, Adelia, dazu: Dorn-, Zahnquästchen etc. Nemnich. 3) in mehrfachen sprichw. Anwend., z. B.:
a) Wie der Gast [oder Mann] so der Q., s. Quas, Anm., vgl.: Nach dem Mann brät man die Wurst etc., s. auch Schütze Holst. 3, 258.
b) Auf einen groben Ast | gehört ein grober Q. (schwzr.) oder Knast (s. d.), Keil, s. Anm.
c) zur verächtl. Bez. einer Pers. (vgl. 2c und Pinsel 6): Sie, die aufgiebt einen Edelmann | und sich erkiest zum Abgott einen Q. V. Sh. 3, 414; Hans (s. d.) Q. etc., auch zuw. verallgemeint wie Kauz (s. d. 2), Patron (s. d. 2), z. B.: Ein toller Q., ein feiner Q., ein Schlaukopf, der aber doch etwas Seltsames (Schrullenhaftes) im Benehmen zeigt, s. Brem. W. 3, 398.
Anm. Die Urbed. zeigt sich wohl in 3b, vgl. altnord. qvistr, Baum-Ast und: „Q., Ast, Öst (fries., holl.) nodus arboris, tuber, centrum“. Schilter 666a; Quast (holl.): Ast, Knorr, grober Mensch. Kramer 304a und s. Schwäb. W.: „Q. entstanden aus Ast, W’ast, Gw’ast“ (vgl. Quas und Aas etc.), woraus sich die Bed. 1 und 2 erklären und zu 3c, außer „Pinsel“, nam. auch „Kraut“ (3) und „Pflanze“ (4a) zu vgl. ist. ZuQ. gehören nam. niederd.: quästeln, ausquästeln, auspinseln (s. 2c), z. B. den Mund eines Kranken. Schütze Holst. 3, 258, ferner: quästen: (gemäß der Urbed.) Einen mit Zweigen, Ruthen schlagen etc. und verallgemeint (z. B. häufig in Mecklenbg.): ihm scharf zu Leibe gehn, ihn quälen, drängen (s. auch quästionieren, wozu es Weinhold stellt, vgl.: Eure Schrift mit den zwo Questen oder Fragen. Luther 5, 140a etc.), vgl. wortspielend: Habt ihr gebadet, so muß ich quästen. Sastrow (s. Freytag Bild. 1, 247), die Badequaste (s. 1) gebrauchen, euch durchprügeln. S. das Folg.