Pflicht
I. Pflicht, f.; –en; -:
1) das, was Jemand zu thun verbunden ist, u. —: das ihn dazu Verbindende (vgl. Schuldigk., Obliegenheit etc.): Äußere, juridische, rechtliche (od. Rechts-- Zwangs-) P–en, zu deren Erfüllung man durch ein äußeres Gesetz verbunden ist u. v. einem Andern gezwungen werden kann, Ggstz.: innere, moralische od. sittliche (Gewissens-, Tugend-) P–n, zu denen man nur durch die Stimme seines Innern, durch sein Gewissen verbunden ist; Die P–en der Kinder gegen die Eltern, die kindlichen (od. Kindes-)P–en; Die P–en der Eltern gegen die Kinder, die elterlichen (oder Eltern-)P–en; Die P. der Gatten, der Eheleute gegen einánder, eheliche (Ehe-, Gatten-)P–en (s. a); Die aus Jemandes amtlicher Stellung entspringenden, seine amtlichen (od. Amts-)P–en und nach Analogie der angeführten in unzähligen Zsstzg. (s. d.). — Eine heilige, unverbrüchliche, unverletzliche, wichtige P.; P–en gegen Gott, gegen seinen Nebenmenschen, gegen sich selbst haben; Das ist deine P. (und Schuldigkeit); Einem liegt eine P. auf 2, 310) od. ob; Die P. erheischt, erfordert, gebietet es; Seine P. erfüllen, thun, abstatten leisten, beobachten, in Acht nehmen; seiner P. gehorchen, nachkommen, nachleben; nach seiner P. od. seiner P. gemäß handeln; sich einer P. entledigen etc.; Seine P. ver(ab)säumen, unterlassen, vernachlässigen, außer Augen setzen od. lassen, seinem Vergnügen nachsetzen, verletzen, brechen; Gegen (od. wider) seine P. handeln, verstoßen, fehlen; Dem wird der Lohn nicht aus Gnade; doch geht P. vor Freundschaft. H. 1, 1, 335; Sie .. hätte P. genannt, | was Noth war. 13, 74; Gelöst wär’ Alles, meiner strengen P. | wär’ ich entledigt. 305; Das ruhige Bewusstsein, ihre P. gethan; Das, was ihr oblag, geleistet zu haben. 27, 419; Er sei euch keine P. schuldig (s. a), wollte mit euch Nichts zu thun haben. 35, 49; Daß er mit seinen Kräften der Welt in der P. verfallen sei, sich Genugthuung zu verschaffen. E. 1, 17; Die Schuldigkeit (sittliche Nothwendigkeit), Etwas zu thun oder zu unterlassen, heißt P.; jeder P. entspricht ein Recht. 4, 1, 129; Von jeder P., die mich an Griechen band, | erklär ich mich auf ewig losgezählt. 30a; Meine Liebe zu ihm war immer in den Schranken der kindlichen P. 104a; Kalte P. gegen feurige Liebe. 198b; Welche P–en brach er euch? 462b; Aller P–en bist du ledig | für [gw.: gegen] dein unwürdig Vaterland. 483b; Den P–en der Natur [die man gegen die Natur hat, die die Natur Einem auflegt] zurückgegeben. 416 b; [Das] macht mir meine P. zum Vergnügen. 1002a; Daß sie moralische P–n mit dem Zwange der Gesetze einschärften. 1028a; Gestaltete sich deren Fortsetzung immer mehr zu einer Handlung der P., statt daß sie eine That freier Neigung hätte bleiben müssen. Köhl. 36; Um die P–en erfüllen zu können, womit ich der Natur verhaftet bin. 21, 181; So bleiben die P–en gegen dich selbst doch immer höhern P–en untergeordnet. ebd. etc. w e — Daran schließt sich:
a) best. Leistungen u. Gaben, zu denen man gegen Jemand verbunden ist u. die Verbindlichkeit dazu (s. b), z. B.: Abgaben, Zins etc.: Der Pfarrer sammelt seine P. ein u., jenachdem die Gabe in Eiern, Korn etc. besteht: P.-Eier, -Korn etc., auch (mehr übrtr.): Seiner Gattin die eheliche P. (od. Ehe- P.) leisten, weigern, die P. der ehelichen Beiwohnung; So eine Frau hält Viel auf die eheliche P. Wolk. 101 etc.; Einem Verstorbnen die letzte P. abstatten, die letzte Ehre erweisen, seine Leiche geleiten etc.; Dem .. wird der Lohn nicht aus Gnade zugerechnet, sondern aus P. [als etwas ihm Gebührendes]. 4, 4; Der eurem Dienst aus P. (s. b) | und gutem Willen sich gewidmet hat. 11, 113 etc.; Zins-, Tribut-P. —
b) das Dienst- u. Abhängigkeits-Verh., in das man zu Jemand — u.: der Eid, das Gelöbnis der Treue, wodurch man in dasselbe tritt: Einen in P., — in Eid (s. d.) und P. nehmen; Einem Etwas in die P. binden (s. d. 3d); Ihr sollt bei Eid und bei P., die ihr neulich geleistet, | wahrhaft reden. 5, 186; Sie fielen über die Knechte her und nahmen sie in P. [zwangen sie zur Ergebung]. 9, 20; Der dem Papst nicht verwandt noch verpflicht, oder zum wenigsten der P. sich .. entwirkt hätte. 8, 4a; Es bindet | ewig sie des Orkus P. 72a; Wir aber stehn in des Kaisers P. 328b; Wie ich euch hier .. in meines Ordens P–en nehme. 416b; Es leben selbst in unsern Landesmarken | der Sassen viel, die fremde P–en tragen. 529a; Entriß er die Reichsstadt Augsburg dem baierischen Joche, nahm ihre Bürger in P–en. 946b; Bekräftigt auch mit Eides P. [bindendem Eid], daß etc. V. 493; Stehen die Künstler in der P. dieser niedern Mächte. (47) 203; Kaspar erließ die Gotteshausleut ihrer Eide(n), die thaten Ulrichen P. 375a; Man wurde gleich beim Ritterschlag | dazu in Eid und P. genommen. 11, 203; 15, 188 etc., s. a, pflichten u. pflichtig. — 2) das, wie es zu sein pflegt: der gewöhnliche Gang etc. (selten): Alles ist wieder in seiner P. 11, 54. — 3) s. Pflege 2b. — 4) Schiff.:
a) die Hütte od. Bude offner Fahrzeuge: Auf Ewern, Schuten und andern Flußschiffen, ein Behältnis vorn und hinten in diesen Schiffen. Gewöhnlich vertritt die Hinter-P. die Stelle einer Kajüte und dient den Schiffleuten zur Schlafstelle. . . Die Vorder-P. dient zur Vorrathskammer. Beitr. 57a. —
b) auf großen Schiffen Halbverdecke, s. Hang- u. Lause-P. u. P.-Anker.
Anm. S. pflegen und P. = Pflege, z. B. Post. 194b; etc. In Bed. 4 holl. pligt.
Zsstzg. sehr zahlreich zu 1, was unbez. bleibt, leicht zu mehren und zu verstehn nach den folg. Bsp. (s. auch die von pflichtig und Recht): Ámts-: Jch beschwöre Sie bei Jhrer A. Rabner 3, 61; 59 etc., auch [1b] = Amtseid. —
Andacht-: Die er in ihrer A. | .. gestöret. w. 11, 188. — Báck- [4b]: Lause-P. —
Bánn-: Pflicht der dem Bannrecht (s. d.) Unterworfnen. —
Berūfs-: vergl. Amts-P. Matthisson E, 1, 262. —
Brāch-: die Verpflichtung (Servitut), Äcker zur Hut und Trift brach liegen zu lassen. —
Brūder-: die man als Bruder zu üben hat, ähnlich: Schwester-, Geschwister-, Verwandten-, Eltern-, Kindes-, Freundes-, Nächsten-, Christen-, Menschen-, Bürger-, Diener-, Fürsten-, Unterthanen-, Vasallen-P. etc. —
Bürger-: s. Bruder- P.: Anschlagzettel, worin Schulenburg (1806 nach der Schlacht bei Saalfeld) .. bekannt machte, der König habe eine Bataille verloren und Ruhe sei die erste B. Ense Denkw. 6, 7; Jeden zur Erfüllung seiner B–en anzuhalten. W. 8, 134. —
Chrísten-: s. Bruder-P.: Dies todte Durch- einander zweier Heere, | wo jedes fiel im Wahn der Ch. Lenau Alb. 127. —
Dēīch-: die Pflicht eines zum Deichband Gehörigen — Deichhalters, Deich(band)pflichtigen — zur Erhaltung seines Deichpfands. —
Dīēner-: s. Bruder-P. G. 35, 410. —
Dīēnst-: wodurch man zum Dienst verpflichtet ist, auch [1b] = Diensteid: Wir sind allhier versammlet in D. und Gehorsam unsers Fürsten. Luther 3, 328b etc., insbesondre = Frohn-P.; Militär-P. Rüstow gK. 36 etc. — Ehe- [s. 1 und 4a]: Luther 5, 240a (vergl. Eheschuld. ebd. und 2. Mos. 21, 10), veralt.: Ehes-P. Opitz W. 2, 60, auch: Die Ehestands-P–en. G. 22, 263. —
Ehren-: die man ehrenhalber zu erfüllen hat: Es war eine E. für sie, ihren Henkern auch nicht das geringste Gefühl von Schmerz 68 zu zeigen. WhMüller Ngr. 1, XXXVII. —
Eīdes-: wozu man durch einen Eid verbunden. Sch. 344b. —
Eltern-: s. Bruder-P. —
Erb-: eine sich vererbende: Wie wird er [der Fürst] einen Freund .. finden? | Der E. eisern Joch, ein höllenheißer Eid | wirkt knechtisch Treu und P., doch keine Zärtlichkeit. Hagedorn 1, 52 etc., auch [1b]: Erbhuldigung und Eid derselben. — Veralt.: Die ganze Schuld und E. [1a] der Erbsünde. Luther 6, 383a, die auf uns lastende Verbindlichk. etc. — Frāūen-, Frēūndes- (Sch. 417a): s. Bruder-P. — Frōhn- (Frȫhner-): Verpflichtung zum Frohndienst, s. Dienst-P. —
Fürsten-: s. Königs-P. —
Gátten-: s. Bruder- und Ehe-P.; seltner (s. Königs-P.): Unterwürfig meiner Gattin-P., | pflegt’ ich die Pfänder unsrer Unglücksehe. Sch. 612a. —
Gêgen-: auf Gegenseitigkeit beruhend, Gegenverpflichtung: Für so große Liebe | fällt die G. nicht schwer. Hagedorn 3, 71. —
Gehōrsams-: die Pflicht des Gehorsams, auch [1a]: Das, was der schwere Pflug erpflüget, geht Alles auf G–en. Logau (L. 5, 215). —
Geschwíster-: s. Bruder-P. —
Gewíssens-: s. [1] im Ggstz. der Zwangs-P. Matthisson E. 157 etc. —
Glāūbens-: die Einem der Glaube, die Religion auflegt. Platen 3, 28. — Hánd- [1b]: Handgelöbnis. — Háng- [4b]: der Platz vor der obersten Kajüte, für das Steuerrad, Steuer-, Hinter- P. —
Hínter-: [4a] und Hang-P. —
Kíndes-: s. Bruder-P. —
Kȫnigs-: die ein König als solcher hat: Da mich die K. | zurückzubleiben zwingt. W. 10, 96 etc., auch (s. Bäuerin, Anm.) von einer Königin: (Elisabeth:) Doch zog ich strenge K–en vor. Sch. 424b. — Lándes- [1b]: Landeshuldigung. — Lāūse- [4b]: der Platz vor der Back auf dem Rösterwerk des Galjons. —
Lêhens-: auf das Lehens-Vh. sich gründend, nam. die des Lehensmanns gegen den Lehensherren, Vasallen-P., auch [1b]: Lehenseid. —
Līēbes-: durch die Liebe gebotne Pflicht. —
Ménschen-: s. Bruder-P., ähnl.: Ach! sprach die Maus .., | mit Willen thät’ ich sicher nicht | zuwider meiner Mäuse-P. Ramler F. 2, 459. —
Militǟr-: Verpflichtung zum Militärdienst (Dienst-P.): Die allgemeine M. Gutzkow R. 1, 237 etc.; seltner: die Pflicht, die Jemand als Militärperson hat, s. Soldaten-, Reiter-P. etc. — Mútter-, Nǟchsten-: s. Bruder-P. —
Natūr-: natürliche, durch die Natur selbst gebotne: V. Ov. 2, 11; Den N–en gegen unsre Eltern getreuer. W. Luc. 4, 12 etc. —
Ordens-: Er langt im Kloster an, beschwört die O. —
Pāthen-: s. Bruder-P. G. 15, 227. — Privāt-. —
Réchts-: s. [1]. —
Rēīchs-: Pflicht gegen das Reich, z. B.: Der Kurfürst ist in Franken bei dem Reichsheer. | R. geht vor. Fouqué Dr. 1, 178. —
Rēīter-: s. Bruder-P.: Wollen wir .. | dir treu sein, unser Leben für dich lassen, | denn Das ist unsre R. Sch. 381b, ähnl. Soldaten-P., auch [1b] = Soldaten-, Fahneneid. —
Religiōns-: Glaubens-P. —
Ríchter-: s. Bruder-P. —
Rítter-: s. Bruder-P. und [1b] Ritter- Eid: Zöge mich nicht die R. [1b], der heilige Handschlag. G. 9, 54; Nicolai 5, 149; Es war seine gemeinste R., es war deutsch gesprochen, seine verfluchte Schuldigkeit. Palleske Sch. 195; Da Viellesenheit nicht zu meinen R–en gehört. Zelter 6, 37 etc., s. Ritterdienst, — auch: Ritters-P. W. 11, 145; Nicolai 6, 115 etc. —
Schēīn-: eine scheinbare, nicht wirkliche. Garve Pfl. 1, 237. —
Schǖler-: Einleitung seiner Jünger in ihre neue Sch. H. R. 9, 447. — Schwéster-, Sōhn(e)s- (Sch. 462a): s. Bruder-P. —
Soldāten-: s. Reiter-P. —
Stēūer-:
1) die Verpflichtung des Steuerzahlens (vgl. Tribut-P.) etc. —
2) [3b] Hang-P. — Trāūer-: Dem [verstorbnen] Vater diese T. zu leisten. Haml. 1, 2. — Trēū-: auf Treue begründet: T. und Ehre. 1, 1, 8. — Tribūt-: s. Steuer-P. — Tūgend-: s. [1] Gewissens-P. — Un- [1a]: Steuer, Abgabe (s. Ungeld, Beede etc.); auch nam.: übermäßige: Sie legen dem Volk keine U. auf. 2, 414 etc., s. nam. 1948 ff.; veralt. auch = Untreue. ebd. — Unterthānen-: s. Bruder-P. — Vasállen-: Lehns- P.: Nachdem er mit Vereidung | in V. und Zins-P. | sie genommen [s. 1b]. Cid 10. — Vāter- 1130a), Verwándten-: s. Bruder-P. — Vōr-, Vórder- [4a]: 2, 8; 60; 97 etc., vgl. Vorunter. — Wéchsel-:
1) auf Wechselseitigkeit beruhende Pflicht. — 2) Zahlungs-P. in Bezug auf einen ausgestellten Wechsel. — Zāhlungs-: die Pflicht des Zahlens. — Zíns-: s. Steuer- und Vasallen-P. — Zwángs-: s. [1]: Wo die Z–en von dem Menschen ablassen, übernehmen ihn die Sitten. 1004b etc.
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