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Perle
Pérle, f.; –n; Perlchen, (Perlein); Perl-, –n-:
1) die runden od. rundlichen Auswüchse in mehrern Muschelarten, nam. in der Mya margaritifera (Flußperlmuschel) u. in Mytilus margaritiferus (die echte od. Meer-Perlmuschel), als Schmuckggstd. sehr geschätzt (s. Meergries, Margarethe, Auster 2; Perlmutter etc.): Sich schmücken mit Gold od. P–n. 1. Tim. 2, 6; Ihr [der Weisheit] Einkommen ist besser denn Gold, sie ist edler denn P–n (s. d). Spr. 3, 15 etc.; Weisheit ist höher zu wägen denn „Berlen“. Hiob 28, 18 etc.
a) in Bezug auf Reinheit, Klarheit etc.: Wie nicht jede verschwitzte „Perl“, durch Limoniensaft gereinigt, ihr erstes Wasser [s. d.] wiedergewinnt. Musäus M. 3, 70; Die P–n sind an Wasser, Größe und Rundung eine wie die andre. W. 23, 335; Ein breites Band mit P–n vom schönsten Wasser gestickt. 21, 31 etc.; Sang .. mit einer Stimme, woraus die Töne so gefühlig und rein wie P–n hervorkamen. Heinse A. 1, 175 (vgl. e).
b) in Bezug auf ihre Entstehung: Die weltberühmten P–n, | sie sind nur der bleiche Schleim | eines armen Austerthiers, | das im Meergrund blöde kränkelt. Heine Rom. 241; Das Gefühl, das bei einem mathematischen Theudobach eine drückende P. in der Auster ist. JP. Katz. 2, 56; Ringt in der schweigenden Muschel die P. nach der schönsten Gestalt. Sch. 314b.
c) häufig als Bild die in den Schalen (s. d.) eingeschloßne werthvolle P. (s. d): Welch ein Mädchen ich wünsche zu haben? .. ich hab sie | . . . An dem Meere ging ich und suchte mir Muscheln, in einer | fand ich ein Perlchen, es bleibt nun mir im Herzen verwahrt. G. 1, 280; 13, 127; Die P. war bei Gott, die Mutterschale dieser P. ward hienieden dürftig, aber sicher gerettet. H. R. 7, 291; Jene P–n-Fischer, die den lieben Wesen wie P–n- Muscheln nur die P., nämlich ihr Herz oder gar ihre Ehre ausbrechen, um sie nachher leer und wund auf die P–n-Bank zurückzuwerfen. JP. Fat. 2, 114; O du der Weltenmuschel P.! | die Schalen sind mir Überdrüsse. Rückert 2, 443 etc.
d) (s. c) zur Bez. für etwas Köstliches, Werthvolles, z. B. sprchw.: Sein P–n vor die Säue (Matth. 7, 6), vor die Schweine (Platen 2, 138), vor die Pfleglinge des verlornen Sohnes (JG Müller Lind. 2, 196) werfen etc.; Welche P. [welchen Schatz] warf ich hin! | welch Glück des Himmels hab ich weggeschleudert! Sch. 445a; Wirf nicht für eiteln Glanz und Flitterschein | die echte P. deines Werthes hin! 526a etc.; Ob ich dafür eine sapphische P. aus seinen Gewässern fischen kann [ein wirklich sapphisches Lied aus dem ovidischen Brief der Sappho an Phaon]. Jacobi Ir. 3, 142 etc.; Du bist die P., deren Werth | hoch über allem Preise mir! Platen 2, 15; „Schön guten Abend, Schönchen!“ | Sie zu mir: Komm heute Abend, Perlchen! Talvj 2, 57, vgl.: Schätzchen, u.: Verzeih, lieber goldner P–n-Daniel! Sch. 140a etc. Nam. mit abhäng. Genit. zur Bez. des Besten, Vorzüglichsten und Köstlichsten: Die Insel Rügen, diese P. der Ostsee. Grube 3, 12; Die P. ihres Kreises. Hackländer KrFr. 1, 210; Perl’ und Blume aller Schönheit! Heine Rom. 208; 231; Naxos die schönste P. aller Inseln. Heinse A. 2, 280; P. meines Reichs [o Cid!]. H. Cid 25; O Evangelium vom Reich! | du P. aller Welten! | die Schal’, ob sie dich träget gleich, | kann sie darum dich gelten? (s. c). H. 15, 191; Pfeffel Pr. 10, 20; Der Stolz Deutschlands .., die P. der Kunst. Platen 2, 289; 4, 292; O P. meiner Werke! Sch. 17a; Stahr Par. 1, 249; Tieck Makb. 5, 7 etc.
e) die P. als Glied der P–n-Schnur: Jeder Gedanke eine unaufgefädelte P. H. 1, 104; P–n, die der Tonkünstler an dem Faden aufgereiht hat. Engel 8, 245 etc., nam. auch als Bild einer Reihe, in der, wie bei einer schönen P–n-Schnur, die Glieder sich durch Schönheit an sich und durch Gleichförmigkeit auszeichnen: Die reinlich näht wie keine, Stich für Stich, wie P–n. G. 19, 34 [od. wie geperlt]; Er schreibt wunderschön! ein Buchstabe wie der andre! wie die P–n [od. wie geperlt]; Er hat Zähne wie die P–n; Seine Zähne sind eine Reihe P–n u. so geradezu: Die Jungfrau .. lässt aus feinen P–n und Korallen | den süßen Laut nur abgebrochen tönen. Streckfuß Rol. 12, 94.
2) (s. 1) etwas Ähnliches, nam.:
a) Nachbildung der echten P–n: Nachgemachte, falsche, unechte, künstliche P–n, s. Karmarsch 2, 842 u. Glas-P. Auch verallgemeinert: Kügelchen zu Halsbändern etc. (s. Zahn-P.).
b) Bläschen, wie sie sich beim Einschenken von Getränken etc. bilden, s. Schaum-P. und perlen.
c) ein Flüssigkeitstropfen, z. B.: Wenn der Merkur [Quecksilber] zertheilt in P–n rollt. Nicolai 3, 7 etc.; Ein leichtes Feucht, noch nicht zu P–n geronnen, umglänzte ihm Stirn und Schläfe. Kürnberger Nov. 87; Daß P–n Schweißes auf der Stirn dir standen. Schlegel Heinr. IV 1, 2, 3 etc., nam. auch von Thränen (vgl.: P–n bedeuten Thränen. L. Gal. 2, 7 etc.): Verweint sind deine P–n schon. B. 16a; Laß der feuchten P–n | ungewohnte Zier | freudenhell erzittern | in den Wimpern mir. Cham. 3, 14; Die feinsten P–n, deine Thränen sind’s. Platen 2, 12; Putlitz Wald. 43; Meine Augen, | da sie des Grames P–n sahn in deinen, | begannen sie zu fließen. Schlegel Cäs. 3, 1; Wie große P–n ihr in beiden Augen stehn! W. 11, 243; Indem die Freudenthräne | aus jedem schönen Aug’ in großen P–n fällt. 12, 196; Helios .. sieht die schönste Göttin weinen | die Wolkentochter Himmelskind. .. Er sendet Lust in ihre Trauer | und jeder P. Kuß auf Kuß. . . Die P–n wollen sich gestalten, | denn jede nahm sein Bildnis auf | und so, umkränzt von Farb’ und Bogen | erheitert leuchtet ihr Gēsicht. G. 4, 103, vergl. das Räthsel vom Regenbogen: Von P–n baut sich eine Brücke etc. Sch. 73a und oft von Thau- (u. Regen-)Tropfen in Blumen etc.: Der P–n Thau. Gryphius Fr. 462; Kräuter, | die ein verliebter West mit frühen P–n tränkt. Haller 43; Unter Iris’ schönem Bogen blühte | reizender die p–n-volle Flur. Sch. 21b; Wenn morgen Phöbe die begrünten Auen | mit ihrer P–n feuchtem Schmuck bethaut. Schlegel Sommern. 1, 1; Zachariä Tag. 3; 9 etc.
d) (s. c) ein erstarrter Tropfen: Vor dem Löthrohr kommt phosphorsaures Bleioxyd leicht zum Fluß und bildet beim Erstarren eine krystallinische durch ziemlich gradflächige Facetten begrenzte P. Karmarsch 1, 242 etc., vgl.: Borax-P., und: Daß auf unsern Schilden die gefrornen Tropfen wie die Perlin lagen. Schaidenreißer 61b etc.
e) weidm.: P–n, die bräunlichen und weißlichen Erhabenheiten am Gehörn des Roth-, Dam- und Rehwilds. Laube Br. 278; Döbel 1, 18a.
f) zuw. st. Gerstenkorn (s. d. 4) am Auge.
g) Finnen der Schweine und ähnliche krankhafte Erscheinungen bei Rindern. Falke 2, 192, s. Eiter-P.
h) Jtalische P–n, die Samenkörner von Croton tiglium, Purgierkörner.
i) perlenähnliche Flecke (vgl. Apfel 4d u. Perlhuhn u. perlen 2a).
3) als Name von Thieren:
a) P., Libellula grandis, Libelle, wohl wegen der runden, hervorragenden Augey.
b) Perlchen, einige Schnecken, z. B.: Cypraea globula und Bulla vertucosa (auch „die geperlte Eierschnecke“. Oken 5, 461).
4) Landwirthsch.: eine durchlöcherte Scheibe im Butterfaß, ein Braubottig etc.
Anm. Ahd. bër(a)la, për(u)la, mhd. bërle, s. Diez 258 ff., nach Grimm und Spate verkl. von Beere (vgl. lat. bacca), am wahrscheinlichsten Umdeutung aus Beryll (s. d., vgl. Wassertropfen). Mundartl.: Das Perl. SClara EfA. 1, 492; Schm., vgl.: Ein Berlin. Kaisersberg Sünd. Mund. 6a; Eppendorf 122 ff.
Zsstzg.: nam. zur Bez. der versch. Sorten im Perlhandel [s. 1], z. B.: Ādels-: Bez. für die große Muräne (Salmo murana) in ihrer Jugend. Schwäb. W. 175.
Bírn-: birnförmig, oval. Bōrar- [2d]: Vor dem Löthrohre mit einer B. geschmolzen. Karmarsch 2, 451.
Bróck(en)-: barocke (s. d.) Perle. Eīter- [2g]: z. B.: auf der Nase SClara EfA. 2, 691, vgl. Karfunkel.
Físch-: die aufgefischt wird. Schm.
Flúß-: von der Fluß-Perlmuschel, Ggstz. Meer-P. Glās- [2a]: aus Glas u. gw. durch die perlglänzende Materie aus den Schuppen des Weißfisches den ächten geähnlicht, zumeist mit Wachs gefüllt, daher Wachs-P–n, auch Wasser-P–n.
Glócken-: glockenförmig niederhängend: Die Ohrgehänge bestehen aus 3 neben einander hangen G–n. Böttiger Sab. 391.
Karfúnkel-: K., eine große Perle, von der gefabelt wird, daß sie gleich dem Karfunkel im Finstern leuchte. Daumer 2, 205.
Kárten-: an einer Seite flach.
Kírsch-: von der Größe einer Kirsche.
Krōn-: eine ganz vorzügliche Perle, wie sie zum Kronenschmuck dient (Parangon-P.): Jenes Manns K., die leuchtende, | die einst der Ehrgeiz Kleopatra’s | warf in den Becher und stolz zermalmte. Platen 2, 175.
Lōth-: kleine, lothweise verkaufte Perle, vergl. Stück-P.
Mêêr-: s. Fluß-P. Sāāt-, Sāmen-: die kleinsten Perlen, Staub-P–n. Schāūm- [2b]: Des Weins Sch–n zu nippen.
Schmélz-: vgl. Glas-P. Kohl E. 3, 179. Schwēīß- [2c].
Stāūb-: Saat-P.
Stück-: stückweise nach der Zahl verkauft, Zahl-P., vgl. Loth-P. Thāū- [2c]. Thrǟnen- [2c]: Die Th–n .., | die er ob dem Untergang | von Jerusalem geweinet, | Perlenthränen, die, verbunden | durch des Reimes goldnen Faden | aus der Dichtkunst güldnen Schmiede | als ein Lied hervorgegangen. Heine Rom. 241; Ich weiß, wem diese Th. fließt. Platen 3, 32. Wáchs-, Wásser-: s. Glas-P.
Zāhl-: Stück- P. Musäus M. 1, 12; Halsschnur von den schönsten und gleichsten Z–n. W. Luc. 3, 290.
Zāhn-: perlartige Kugeln, die, als Halsband von Kindern getragen, ihnen das Zahnen erleichtern sollen.
Zǟhren-: Thränen-P. etc.