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ordentlich
Ordentlich, a.:
in oder nach der Ordnung (s. d.), der Ordnung gemäß, sie bewahrend etc., mit versch., in einander spielenden Nüancen: 1) der eingeführten, hergebrachten Ordnung gemäß, nam. auch in Bezug auf ein Ganzes: einen an seiner Stelle wesentlich dazu gehörigen Theil oder ein solches Glied desselben bildend, Ggstz.: außer-o.: was, außer dem Kreis und der Ordnung des wesentlich Zugehörigen liegend, eintritt oder zu der Gesammtheit hinzutritt, z. B.: O–e und außer-o–e Professoren (lat. professores ordinarii und extraordinarii), Mitglieder einer Gesellschaft, Festtage; Jemand seinem o–en Richter entziehn, um ihn vor einen außer-o–en Gerichtshof zu stellen etc., doch in dieser Bed., naheliegender Mißdeutung wegen, auf wenige hergebrachte Verbind. beschränkt. 2) gewöhnlich; so wie es in der Regel zu sein pflegt; die Regel nicht die Ausnahme bildend, im Allgm. (s. 1) der Mißdeutung halber vermieden und meist durch gewöhnlich ersetzt, so häufig auch der Ggstz. außer-o. (s. d.) ist, dem gegenübergestellt es noch am häufigsten ist, eben weil hier die Mißdeutung wegfällt: Daß ihr das Außer-O–e früher habt besitzen wollen als das O–e. Laube DW. 5, XI etc., dagegen in heute vermiedner Anwendung z. B.: Es werden diese Dielen .. von den o–en [gewöhnlichen] Bohlenschneidern .. geschnitten. Döbel 3, 80b; Das o–e [gewöhnliche] Raubgesindchen [Gesindel] bleibt nicht außen. Weise Js. 53 etc. und adv.: In einer zehnmal längern Zeit als er o. [unter den gw. Vhen etc.] nöthig gehabt. L. 4, 160; O. [gw.] speise ich wöchentlich zweimal außer dem Hause. JvMüller 6, 27 und häufig (doch veraltend): O–er-weise, z. B. Möser 1, 51; Sch. 699b; W. 2, 6; 4, 197; 5, 150; 19, 7; 7, 115; 8, 164; 13, 61; 245; 24, 249; HB. 1, 128; Merck 1, 209 etc. (frz. ordinairement), s. Ordnung 4b. 3) so daß alles Einzelne so, wie und zugleich da, wo es sein muß, sich findet, Ggstz. un-o., nahe an 4 grenzend und oft unmerklich darin übergehnd, s. auch 6a: In o–en Wirthschaften, Haushaltungen, Häusern etc.; Es ist in seiner Stube sehr o., es steht Alles an gehöriger Stelle, liegt Nichts umher; Ein o–er [wohlgeordneter etc.] Vortrag, Bericht; Daß ichs . . „ordentlichen“ schriebe. Luk. 1, 3 [,es nach der Ordnung zu beschreiben“ Eß] etc. 4) so wie es seiner Bestimmung gemäß (um ihr ganz zu entsprechen) oder den mit Recht daran zu machenden Ansprüchen gemäß sein muß, gehörig, gut, tüchtig (s. 5 und 3): Wie o. (s. 3) das Heer der Sternen seinen Lauf | und Maße halten muß. Opitz 1, 185; Der die Himmel „orden dlich“ gemacht hat. Ps. 136, 5; Der den Weltkreis durch seine Weisheit bereitet und den Himmel „ordenlich“ zugericht. Jes. 51, 15; Lasset’s Alles ehrlich und „ördentlich“ zugehen. 1. Kor. 14, 40; Wo eine verständige Obrigkeit ist, da geht er „ordenlich“ zu. Sir. 10, 3; In meiner Stub soll’s ehrlich und o. zugehen. G. 9, 7; Etwas O–es von Musik hören wollen, das nicht gedudelt und gefiedelt ist. Zelter 1, 206 [das den Namen Musik in der That verdient]; Ohne Musik? Das ist gar keine o–e Hochzeit; Zu einer o–en Mahlzeit gehört mindestens Suppe, Gemüse und Fleisch, versch. (veraltend): O–e [gewöhnliche, Ggstz. außer-o–e] Mahlzeit, s. 2; O. [gehörig, tüchtig] essen; Sie nehmen so wenig Braten, bitte, nehmen Sie doch o.!; Einen o. ausschelten, durchprügeln; Es setzt o–e Prügel etc. 5) (s. 4) = wirklich, in der That, förmlich etc. zu bez., daß das Gesagte, so wie es gesagt ist, recht eig. gemeint sei, daß der Ausdruck seine volle Gültigkeit haben solle, nam. wo man voraussetzt, daß der Hörende es nicht so ganz als Ernst auffassen könnte, z. B.: Eine Puppe, die o. die Glieder bewegte; Daß es Einem o. in der Seele kitzelt. Eichendorf Ph. 35; Das Messer braucht der Pöbel statt des Zweikampfs; man hält es o. [als müßte es so sein] für einen Theil der Gerechtigkeitspflege. Forster Jt. 2, 75; Sie sollen 10 Gulden über den o–en Verlag bekommen. Gellert 3, 425 [10 Gulden mehr als Sie in der That dafür gegeben]; Da schwieg es still, aber die Lust und Neugier in seinem Herzen schwieg nicht still, sondern nagte und pickte o. daran und ließ ihm keine Ruhe. Grimm M. 7; Ich habe dann ein o–es Altärchen in der Stube. König Kl. 2, 57; Bei Gott, du hast mich so angeblickt, daß ich o. zurückfuhr. FSchlegel Luc. 96; Aus jenen Zeiten, welche o. Jagd machten auf die Abkunft der Meinungen. Schleiermacher 3, 2, 19; Die Kunst scheint o. dazu erfunden, die bessern Kräfte im Menschen zu erlahmen. Tieck 16, 163; Jst mir o. weh ums Herz. W. Luc. 1, 52 etc., vgl.: Es ist mir außer-o. weh, Jenes hervorhebend, daß der Schmerz ein wirklicher, in der That statthabender Dies, daß er seiner Intensität nach ein ungewöhnlicher, ungemeiner ist. 6) von Pers.:
a) auf Ordnung haltend; darauf sehnd, daß Alles o. (3) sei (Ggstz. un-o.), vgl. liederlich 3: O. haushalten, wirthschaften; Dieser Knabe ist in seinem Anzuge, in seinen Kleidern, Heften, Arbeiten etc. sehr o.; Peinlich, pedantisch o. sein.
b) (vgl. 4) manierlich, anständig, gegen die Ordnung der guten Sitten nicht verstoßend etc.: Schlenkre nicht so mit den Beinen, sitz o. [wie sich’s gehört, ziemt]; Jch nehme in meine Wohnung nur o–e, ruhige Miether; In unsern Tagen wären alle o–e [vgl. anständige etc.] Menschen liberal. Börne 2, 29, vergl. schwzr.: ordelig. Stalder. 7) Dazu: Ordentlichkeit, gw. nur in Bed. 3 und 6a und b: Die O–keit des Haushalts, der Wirthschaft, des Haushälters; Ich habe Nichts gegen die O–keit [6b] dieser Familie, aber ich mag doch nicht mit ihnen verkehren etc.
Anm. S. Orden 1 und Anm. Die schwankenden Formen bei Luther s. nam. 4 und vgl,: Ördentlich Haushalten. Spr. 24, 4 in der Randgl.: o.; ferner: Ordenlich (wie ahd., mhd.) Fischart B. 1a; 55a; Luther 6, 12a; Mathesius Lthr. 120b; 179a; Schaidenreißer IV; Stumpf IV etc.; ferner als Nbnf. von un-o.: unordig, was Frisch wohl fälschlich zu ortig (s. d.) zieht etc. Ugw. Fortbild.: Wen sein Lebensgang .. dergestalt verformtund verordentlicht hat, daß er durch und durch bloß leere Form und Ordnung ist. Feßler (Campe).
Zsstzg.: Außer-: außer der Ordnung des Gewöhnlichen liegend, nicht.in den Kreis und das Bereich desselben gehörend (man beachte die Nichtbetonung der Vorsilbe), z. B.:
1) [s. 1] (gw. ohne Steigr.) A–e Professoren, Mitglieder (s. 2); Wäre mein Schicksal ge- mein, ich wollte gern gemeines Übel tragen; aber es ist so a. G. 16, 303 etc.
2) nam. aber [s. 2 u. vgl. 5, am Schluß] = ungemein, das Gewöhnliche übertreffend und überragend, z. B. doppeldeutig (s. 1): Ein a–es Mitglied der Gesellschaft, das mehr als die gw. leistet etc.; Sich a. [ungemein] freuen; Das thut mir a. leid; Wo er Alle in Erwartung einer ebenso a–en Kraft der Beredsamkeit findet als a. der Mann ist, der etc. Engel 4, 3; So verschwindet das Übernatürliche dieser Begebenheit, aber das A–e bleibt. Sch. 778a; Beweise, daß du des A–en Tochter bist. 350a etc.
3) Dazu: A–keit, f.; –en:
a) (o. Mz.) das A.-Sein: Nachdem sie die erste platte Neugierde an seiner A–keit (1) befriedigt. Duller Grabbe 47; Durch die A–keit (1) des Schauplatzes um so mehr Liebhaber für die Blumen zusammenzubringen. Kohl E. 3, 125; Rahel 1, 21; Die von dieser Seite bestehende A–keit (2) und Einzigkeit Goethe’s. Schubarth G. 2, 483; Schon die bloße A–keit (1) der Sache verdiente eine besondere Auszeichnung. W. Att. 3, 3, 69 etc.
b) etwas A–es, Ungewöhnliches (1): Daß man mich Ministerialkommissionen und andern A–keiten unterworfen. Arndt Ber. 104; Ense Denkw. 6, 429 etc. als Ggstz. zu ordentlich:
Un-:
1) [3; 6] vgl. liederlich: U–e Haushaltungen, Haushälter, Wirthschaft etc.; Un-o. haushalten, wirthschaften; Es sieht bei ihm sehr un-o. aus; Er ist in seinen Arbeiten sehr un-o. und nachlässig etc.; Hacket ers so unordig unternander, daß Niemand sagen kann, warum Dies vorne, Jenes hinten. Luther 8, 26b; Daß in diesem Buch so viel Unördiges [Un- ordnung]. 29a; 6, 255a; SW. 63, 14 etc.
2) (ver- altend) ungeregelt, unmäßig, ausschweifend, gegen das Geziemende (wie es sein soll), gegen die guten Sitten verstoßend [s. 6b]: Saufet euch nicht voll Weins, daraus ein unordig Wesen folget. Eph. 5, 18, mit Randgl.: Wie .. die Trunkenbold .. allerding ungezogen sind mit Worten, Schreien, Gebärden u. dgl.; Der da unördig wandelt und nicht nach der Satzung, die er von uns empfangen. 2. Thess. 3, 6 und 11 (7 „unordig“), vgl.: Der un-o. dahin lebt etc. Eß; 1. Petr. 4, 4; Luther SW. 56, 40; Bei den Voreltern ist dieser Mahlzeit viel ein andrer Brauch gewesen, denn in dieser unordenlichen Zeit. Ryff Sp. 99b; Ungestüme Bewegnis des Gemüths als sind Trunkenheit, Zorn, unordenliche Liebe. Schaidenreißer V; Uhland V. 424 etc.
3) Dazu: U–keit, u–es Wesen, heute gw. nur zu 1: Die U–keit und Nachlässigkeit seiner Arbeiten, ,der Wirthschaft etc.