Faksimile 0460 | Seite 458
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II. Ō: 1) interj. des Anrufs (s. a und b) und des Ausrufs, als Ausdruck sehr verschiedner Affekte, z. B. für Be-, Verwundrung, Freude, Bitte, Sehnsucht, Verlangen, Mitleid, Rührung, Schmerz, Unwillen, Hohn etc. (s. 2):
a) alleinstehnd, sehr gedehnt, als Zuruf an die Pferde, stillzustehn, s. Oha u. vgl.: Purr! Öh! Reuter Reis. 53; 54.
b) mit Vokativ oder Nomin., durch alle Nüancen der angegebnen Bed. von der ruhigen Anrede bis zum erregtesten An- u. Zuruf: O schönes Käthchen, du bist gut. G. 1, 17; 13; Komm mit mir, o Schöne! 20; Bist du, o Schöne, mir entflohn? 49, 90; Dahin | möcht’ ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn. 137; 139 etc.; O Mutter, Mutter! hin ist hin! B. 13b; O Zöllner! o Zöllner! entfleuch geschwind! 36b; O braver Mann! braver Mann! zeige dich! ebd.; O Gott! hilf mir Armen! O Himmel, erbarm dich mein!; O Gott! was hab ich gethan?!; O ich Ärmster!; O du Ärmster, Unglücklichster!; O du glücklicher Mann!; O ihr Thoren! Luk. 24, 15; O du Kind des Teufels! Apostg. 13, 10 etc. b) mit Genit. (s. a), z. B. als Ausdruck des Unwillens u. der Verwundrung, womit man sich über Etwas beklagt: O des erbärmlichen Geschreibs! Lavater 1, 120; O der Erzthoren! L. 10, 57; O des höllischen Gaukelspiels! Gal. 5, 7; Platen 4, 152; Sch. 212a; 450b; V. 4, 68; Il. 22, 15; W. Luc. 1, 95 etc.; als Ausdruck sehnenden Verlangens: O des goldenen Tags, da bei dem Volke Teut’s | noch Gerechtigkeit galt! Stolberg Gd. 12; der Freude: O des Glücks! o der Wonne! o der Lust!; O! ruft sie, des gütigen Zufalls! W. 15, 180.
c) zuw. mit Dat. als Ausruf der Wehklage, vgl. weh u. i: O mir! Fouqué Dr. 1, 77; 85; Sch. 135a; Weh mir armen, o mir, unglücklichen Heldenmutter! V. Jl. 18, 54 etc.
d) mit Accus., z. B.: O mich Unglücklichen! Adelung (Klage); O den trefflichen Menschen! G. Kestn. 151 (Bewundrung); O mich Vergeßlichen! L. Nath. 3, 2 (Unwille u. Verdruß); O den gewünschten Tag! Opitz 2, 51 (Freude) etc. u. nam. auch mit dem Obj. des Verlangens, der Sehnsucht: O eines Pulses Dauer nur Allwissenheit! [möcht ich haben]. Sch. 271b; St! Romeo, st! O eines Jägers Stimme, | den edlen Falken wieder herzulocken! Schlegel Sh. 1, 57; O! ein geflügelt Roß! Tieck Cymb. 3, 2 etc.
e) mit über (s. d. †): O über die Dummheit!; O über den dummen Kerl!; O über die Vorbitterin! als ob der Knoten sich nicht von selbst bald lösen müßte! L. 1, 590.
f) als eingeschobner Ausruf in einem Satze, z. B.: O, ich hab geschlagen meinen Vater todt! | und weh, weh ist mein Herz, o! H. 8, 301, tiefer Wehruf; Vergönne doch auch der süßen Cythere | den Zutritt und o! dem freundlichen Amor. Ram- ler, Ausruf der Bitte und sehnenden Verlangens etc.
g) einem Satz als vorbereitender Ausruf vorangestellt, z. B. (vgl.
a) vor einem Imperat. (= o du! etc.): O gieb vom weichen Pfühle | träumend ein halb Gehör! G. 1, 71; O komm doch!; O laß mich in Ruh! etc.; vor Ausrufsätzen: O welch ein Glück (ist Das)!; O wie wohl ist mir!; O wie mich Das schmerzt!; O du bist ja ein allerliebstes Frauchen! (s. I II); O, Das glaub ich! Das möchtest du wohl! (ironisch, spottend); O warum nicht gar?! etc.; vor Wunschsätzen: O daß (oder wenn) er doch bald käme!; O käm’ er doch bald! etc., auch in Form verneinender Fragen: O warum hab ich Das nicht früher gewusst? = O hätt’ ich es doch früher gewusst! etc., ferner z. B. um den Unwillen auszudrücken, den die im nachfolgenden Satz gemachte Bem. in dem Sprechenden erregt: O daß die Starrköpfe durch Gegengründe nur noch starrer werden! Leisewitz Jul. 42 etc. h) (s. g) vor Wörtern, die einen ganzen Satz ersetzen, z. B. vor Bejahungen, Verneinungen etc.: O ja! (s. d. 1b); O nein! (s. d. 1a); O freilich!; O allerdings!; O doch!; O nicht doch!; O durchaus nicht! etc. i) verdoppelt, z. B.: O, oh! ich weiß der Herr hat Gnade funden | vor Saladin. L. Nath. 4, 2, als Ausdr. theils der Verlegenheit, theils der Bitte etc., s. auch ho, ho. Ferner verbunden mit andern Interj., z. B. damit verschmelzend, s. oha, ohe, ohi, oho etc.; ferner: O weh (s. d.) etc., auch: Hei, e, ⁰peyeio! (Schlummerlied). G. , 44etc. 2) (s. 1) als sächl. Hw., in Gen. u. Mz. uv. od. mit „s“, z. B.: O über Etwas rufen, verwundernd oder klagend etc.; Der Araber und Perser ruft | ob meinen Streichen ha und ho [staunend], | ich aber ruf an jedem Tag | ob meinem Jammer ah und oh! [klagend]. Rückert Mak. 1, 101; Alle Dingen sagen O zu ihm [beten ihn an]. Ders. etc. u. mit Artikel etc.: Die zahlreichen Ach und O! Börne 1, 169; Dieselben Ach’s dieselben O’s. Gutzkow R. 9, 84; Das Ach! und O! der Begeistrung und des Schmerzes. Lewald Ad. 82; Dem Branntwein galten also die Ach’s und O’s. Sealsfield Tr. 1, 33; Der du .. mit dem langgedehnten Oooo! verwundernd dastehst! Tieck N. 5, 355; Während er ein langes Oh aus der Brust heraufholte. Vogt Oc. 2, 4; Verkehret all eur Ach und Oh | in Heida und Juchheida. V. Sh. 1, 399; [Sie] ließ alle seine O! und Ach! | sich wenig in ihrem Schlummer stören. W. 10, 172 etc.
Anm. Mhd. ō! (vgl. ôwê!), vgl. gr. ἄetc., lat. o, oh etc., auch in der die Dehnung hervorhebenden Schreibw. oh (vgl. auch 2: Tieck). S. Schm. 1, 8 u. vgl. z. B.: Ou ba! Weidner 245 etc.