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Noth
I. Nōth, f.; Nöthe, Nöthen (s. 1d); -:
1) eine durch den Druck, den sie auf Jemand ausübt, Diesen in best. Weise zu handeln zwingende, die Wahl ausschließende Lage (vgl. Nothwendigkeit), auch personific.: etwas Einen Drängendes und Bedrängendes, Drückendes und Bedrückendes, Einem beschwerlich u. lästig Fallendes, ihm viel zu schaffen, Mühe, Sorge, Kummer, Pein Machendes, nam. drückender Mangel. Die Belege zu dieser Bed. mit ihren vielfach in einander spielenden Nüancen ordnen wir der Ubersichtlichkeit halber hauptsächl. nach grammat. Beziehungen: doch stellen wir voran:
a) Bsp. der Personif.: Vier graue Weiber. .. „Ich heiße der Mangel.“ „Ich heiße die Schuld.“ | „Ich heiße die Sorge.“ „Jch heiße die N.“ G. 12, 282; Die ehrne Hand | der N. gebietet und ihr ernster Wink | ist oberstes Gesetz, dem Götter selbst | sich unterwerfen müssen. Schweigend herrscht | des ew’gen Schicksals unberathne Schwester etc. 13, 69; So legt die taube N. ein doppelt Laster | mit ehrner Hand mir auf. 70; Als nun des Schicksals ehrne Rechte, | die große Meisterin, die N., | dem übermüthigen Geschlechte | den langen bittern Kampf gebat etc. .. | Mit ihrem heil’gen Wetterschlage, | mit Unerbittlichkeit vollbringt | die N. an einem großen Tage, | was kaum Jahrhunderten gelingt. .. | Die ehrne Nothwendigkeit. Hölderlin (Wackern. 2, 1253 ff.); Die N. ist die Mutter der Künste, aber auch die Großmutter der Laster. IP. Fat. 1, 124; Die ungestüme Presserin, die N., | der nicht mit hohlen Namen, Figuranten | gedient ist, .. die setzte dich | in dieses Amt und schrieb dir die Bestallung. Sch. 366a etc. Oft minder scharf hervortretend, s. das Folg., nam. c u. f.
b) oft verbunden mit sinnvwdten Wörtern, z. B.: Angst —, Armuth —, Beschwerde —, Elend —, Entbehrung —, Jammer —, Kummer —, Leiden —, Mangel —, Mühe —, Pein —, Qual —, Schmerz —, Sorge —, Trauer —, Trübsal und N.; Ermüdet von des Krieges N. und Schwere. Simrock Gudr. 335 etc., s. das Folg. Zuw. in Zusammenfassung von Wörtern verschiedenen Geschlechts (vgl. Gut 5; Kreuz 4c; Nacht 1f etc.): Er sah unser Elend, Angst und N. 5. Mos. 26, 7; Jst dann aller N. und Elend ab. Gotthelf U. 2, 44 u. (s. d): Die hohe Rente für seinen Gutsherrn, welche die schlimmste aller seiner irdischen Leiden und Nöthen ist. Kohl Irl. 1, 96 etc.
c) oft mit Ew., z. B.: Bange, bittre, brennende, drängende, drückende, ehehafte, eherne, eiserne, garstige, gebieterische, gefährliche, gewaltige, große, harte, herbe, höchste, mächtige, pressende, schlimme, schwere (s. 4), tiefe, unausweichliche, unbezwingbare, unüberwindliche, unvermeidliche, zwingende N. etc.; Jch bin geschworner Bruder | der grimmen N. (s. a), Geliebte, sie und ich | sind bis zum Tod verbündet. Schlegel Rich. II. 4, 2; In der großen Theurung .. lehrte die eiserne N. .., den Hunger mit dieser ungewöhnlichen Art von Gemüse besänftigen. W. HB. 1, 183 etc.
d) am häufigsten in Ez., doch auch (vgk. Angst, nam. Anm.
2) in Mz. (s. Zsstzg.) u. zwar mit Doppelf. (s. Hungers-N.): Durch alle Nöthe geholfen. Alexis H. 2, 2, 138; Des Reiches Nöthe werden durch diesen Frieden nicht geendet. Dor. 1, Kap. 14; Baggesen 2, 92; Immermann M. 1, 116; 3, 321; Die leeren Nöthe des Liebespaares. 4, 181; Nichtige Nöthe! 87; 132; Die kleinlichen Nöthe der bürgerlichen Existenz. JKinkel Ib. 2, 26; 1, 166; 167; JvMüller 1, 20; Wirf von dir des Lebens Nöthe. Rückert 2, 432; BSigismund (Auerbach Volksk. 109) etc. —, ferner: Vergaßen die Ängsten und Nöthen. Arndt E. 209; Auerbach Gv. 444; Baggesen 2, 132; Daß die Centnerlast der N. in die 100 Pfunde mannigfaltiger Nöthen zerschlagen worden ist. Börne 3, 356; Claudius 4, 89; Fallmerayer Or. 1, 180; G. 5, 170; 174 (s. m); Gotthelf U. 2, 148 (s. g); 1, 28 [s. 2]; Stachelten ihn etwa die Nöthen des Vaterlands? Heine Börne 188; Verm. 1, 310; Lut. 2, 165; Opitz 2, 78; IP. 22, 134; Sind dergleichen Nöthen nicht pressant genug? Fat. 2, 15; Platen 6, 124; Schlegel Span. 2, 82 etc. Im Dat. fallen beide Formen zusammen, s. k ff. e) N., ohne Artikel, neben den (unpersönl.) Zeitw.: sein, thun, u. (persönl.) haben (s. g), wo denn das Hw. adjektivischen (od. adverbiellen) Charakter gewinnt, wie es sich denn auch gesteigert findet u. demgemäß auch mit kleinem Anfangsbuchstaben geschrieben wird (doch s. z. B.: Es ist keine N. G. 18, 322, vgl. Angst I u. II etc.): Es ist (Einem) Etwas Noth (od. noth, nöthig), man bedarf dessen, wobei der Ggstd. des Bedarfs im Nom. od. im Genit. steht: Kaufe, was uns not(h) ist, auf das Fest. Joh. 13, 29; Ihre Güter .. theileten sie aus unter Alle, jenachdem Jedermann not(h) war. Apostg. 2, 45; 4, 35; Eines ist not(h). Luk. 10, 42 (s. u.); Wenn uns Hilfe not[h] sein wird. Hebr. 4, 16; 10, 36; Esr. 7, 20 etc.; Hier nun war zufälligerweise vieles Redens keine N. G. 18, 322; Darum ist hie Predigens und Warnens not(h). Luther 5, 410b; Es ist nicht Eilens N. mit Krieg und Kriegsgebot [man braucht nicht damit zu eilen]. Rückert Rost. 47a; Er ist mir ganz und gar nicht N. [ich bedarf seiner nicht]. 58a etc., auch mit abhängig. Satz: Ist not[h], daß ich die Lüge abthue. Zwingli 2, 2, etc.; N. ist ihr zu reden; | allein die Furcht, noch einmal abgewiesen | zu werden, schreckt sie. W. 11, 139 etc., es drängt sie zu reden etc.; ferner mit „um“, vgl.: es ist Einem um Etwas (dessen man bedarf) zu thun: Die Kinder sind ein rechter Probierstein auf Lüge und Wahrheit, es ist ihnen noch gar nicht so sehr wie den Alten um Selbstbetrug N. G. Stein 3, 108 etc.; ferner: Von ihrer Stärke im christlichen Deīsmus als dem großen „Eins ist N.“ unsers neuen Evangelisten. W. 34, 55 (s. o. Luk. 10, 42). Ähnlich: Es thut N., es ist nöthig, dringend nothwendig etc.; „Ich will nun auch fleißig werden.“ Das thut endlich N.; Es thäte N., ich ginge selbst hin, fast müßte ich selbst hingehn; Wie im Moralischen Dem, welcher nicht gut thun will, nicht die mütterliche Pflege des Glückes noth thut, sondern die harte Schule der Widerwärtigkeit. Danzel 449; Wenn ich dich betrachte, thut mir nur dies Eine „not“, | dich zu setzen über Alles, dich zu lieben überaus. Platen 2, 73; Es thäte wirklich N., | du ließest es geschehn und würdest niemals roth. Rost, iron.: am Ende müßtest du es noch geschehen lassen, ohne zu erröthen; Ich lief herbei, | zu sehn, was dir begegnet sei, | um, thät es N., dir meinen Arm zu leihen. W. 11, 258 u. im Kompar.: Mir thät ein Löffele[in] Warmes noch nöther. Kurz Sonn. 318; Es ist Keinem nöther, daß er Gerechtigkeit halt, denn [Dem,] der nützlich kriegen will. Aventin Chr. 92, s. Schm. 2, 717 etc. Ferner als verhüllender Ausdr.: Es ist od. thut Einem N., er hat den Drang nach Ausleerung des Leibes, s. 3. Ferner: Ich habe eine (od. gw.: einer) Sache N., bedarf ihrer; Wollten Sie nicht ein bischen ruhn? Sie haben’s „noth“. G. 9, 316 (s. Es9); Du hast, gelehrter Freund, des Zettels zwar nicht N. Günther; Wie sehr doch hast du des heimathfernen Odysseus | N.! Wiedasch Od. 1, 254 etc., vgl. auch g. Zuw. auch sonst noth = nothwendig (adjektivisch), z. B.: Darum ich für nützlich und noth angesehen, dies Büchlein zu verdeutschen. Luther 8, 12 etc. Vgl. als Ggstz. (s. o u. ): ohn N., unnoth = unnöthig, überflüssig, z. B.: Es ist also so vergebens als „unnoth“ zu begehren. H. Ph. 3, 234; Sie dem Hutten ganz absprechen zu wollen ist ebenso „Unnoth“. 13, 83; Bis also die Universitäten sich selbst unnoth machen. Ders.; „On not“ ist etc. Hutten (Wackern. 3, 214 Z. 23); Solcher Ruhm wäre dir „on not“ gewesen. Luther 1, 390b; Genugsam .., daß gar „on not“ ist, einigen mehr zu stellen etc. 5, 9b; 263b etc.; Es wäre „vnnot“ einen Boten auszuschicken. Schaidenreißer 69b; Daß .. eine Un-N. wäre, zu Erlernung derselben Bücher zu schreiben. Schottel 800; Es ist aber eine solche Abtheilung eine bloße Un-N. Spate 2, 118 etc. Mundartl. auch adjekt. (u. nam. adverb.) noth u. unnoth (eig. wohl andern Stamms, X L 4 s. öde I, Anm. u. Brem. Wörterb. 3, 245; Schütze Holst. 3, 160, doch vgl. Un z. B. in Unkosten etc. u. Stalder 2, 423 ff.) = Einem N., Beschwerde, Mühe, Last machend: ihm zuwider (unlieb) seind etc., z. B.: Sie konnten nichts „Nöters“ hören, wenn [als] daß sie Chxisten werden sollten. Kantzow 1, 82; Ruhige Leute, die einem Menschen nur „unnod“ ’was zu Leide thun. Höfer V. 278 etc. f) als Subj., z. B. in vielen Sprchw. (vgl. a u. s. Körte 4576 ff.): Jst die N. am höchsten (od. größten), so ist Gott (od. die Hilfe) am nächsten; N. lehrt beten, bricht Eisen, kennt (od. hat) kein Gebot (od. Gesetz. Forster Br. 1, 216; Lichtwer 244; W. 14, 155 etc.) u. ä. m.; Wenn N. an Mann (s. d. 2f) geht, kommt, ist etc.; Einem stößt eine N. zu; Es ist N., große N. vorhanden, die höchste N. etc.; Die N. gebietet, drängt, presst, zwingt Jemand; Angst und N. schrecken ihn und schlagen ihn nieder. Hiob 15, 24; Da wird sich allererst die N. anheben. Matth. 24, 8; Daselbst erhub sich große N. Uhland 379; Die Wahl ist’s, was ihm schwer wird; drängt die N., | dann kommt ihm seine Stärke, seine Klarheit. Sch. 345a; Wie anders, da des Muthes freier Trieb | zur kühnen That mich zog, die rauh gebietend | die N. jetzt, die Erhaltung von mir heischt. | Ernst ist der Anblick der Nothwendigkeit! 362b; Die N. ist schlimmer als die Nothwendigkeit. Zelter 1, 126. g) als Obj., z. B.: Jemandes N. sehen, mitfühlen, lindern, mildern; Einem seine N. klagen; Viel N. ausstehn; Schmach und Verfolgung, Armuth und N. willig übernehmen. H. Ph. 3, 209; An sich selbst N. und Entbehrung erfahren. Lewald W. 2, 228 etc. Ferner nam.: Jemand hat (s. e od. leidet) N., große N. etc., empfindlichen, drückenden Mangel; Jemand hat seine N., seine große, seine liebe (s. d. 1) N. mit Einem, mit Etwas, er od. es macht ihm viel Mühe, Beschwer, Last, Sorge etc. (selten in Mz.: Während Uli mit dem Karrer seine Nöthen (s. d) hatte. Gotthelf U. 2, 148 etc.); Wir haben die N. gehabt [die Plage, Qual: wir haben es uns sauer werden lassen] und Sie hatten das Zusehen. Immermann M. 4, 286; Er hat große N. [muß sich sehr quälen und einschränken], mit seinem Gehalt auszukommen, er kann kaum damit auskommen; Dann sollt ihr aber N. haben, wo ihr euere Frucht und euern Most unterbringen werdet. Hebel 3, 450, es soll euch schwer werden, die Fülle unterzubringen etc., auch unpersönl.: Es hat N. [hält schwer], daß er auskommt; Es wird N. haben [schwer halten oder Mühe machen, es zu bewirken], daß er kommt, daß er nicht fortläuft etc., s. Schm.; Eine Sache hat N. oder: es hat damit N., sie ist äußerst dringend, pressant, es liegt Gefahr im Zögern, in der Versäumnis und so: Damit hat’s noch keine N. [oder Gefahr], Das ist nicht gefährlich, hat Nichts zu sagen etc.; Es hat keine N. mit uns [wir haben Nichts zu fürchten], weil wir solche Greuel thun. Jer. 7, 10; Das Haus mag zerfallen! | Was hat’s denn für N.? | der Geist lebt in uns Allen! Binzer (Ausw. d. Lied. 162) etc.; Jemand leidet (oder hat, s. o.) N.; Ein Schiff leidet N., ist in Gefahr zu scheitern, s. l, Schiffbruchs-, See-N., N.-Schuß, -Signal etc. —; Einem N. [Mühe, Qual, zu schaffen] machen, verursachen; Machen uns beständig N. und Qual. G. 22, 161 etc. S. auch 3. h) im bloßen Dat., z. B.: Jemandes N. abhelfen; Der N. wehren; Genöthigt, seine Lorbeern in Schlesien in Wasser zu stellen und N. zu wehren in Sachsen. Hebel 3, 374, s. N.-Wehr; Der N. gehorchend, nicht dem eignen Triebe, | tret’ ich etc. Sch. 489a etc. i) im bloßen Genit.: Die Größe, Wucht, Schwere, Gewalt der N. etc.; Dieser Friede .. war ein Werk der N. und der Ge- walt, nicht vom Gesetz der Gerechtigkeit diktiert. Sch. 883a; Die Schritte, welche die Natur mit dem Menschen anticipierte, durch Vernunft wieder rückwärts zu thun, das Werk der N. in ein Werk seiner freien Wahl umzuschaffen und die physische Nothwendigkeit zu einer moralischen zu erheben. 1152a etc.; Zur Zeit der N.; in der Zeit meiner N.; Im Fall der N. [wo keine Wahl bleibt, s. Aut I] etc. Ferner abhängig von Präpos. (alphabet.): k) Jemand aus der, aus aller, aus der größten etc. N. erlösen, retten, ziehn, führen; Einem Geängstigten aus brennender N. zu helfen. D Museum 1, 2, 217 etc.; Aus tiefer N. schrei ich zu dir etc., auch (s. d): Half ihm aus allen seinen Nöthen. Ps. 34, 7 etc.; Aus Nöthen errettet. Schaidenreißer 1a; Was vielleicht die Menschheit aus ihren Nöthen hätte herausbringen können. Gutzkow R. 1, 220 etc.; Aus der N. eine Tugend machen, Etwas, das man thut, eben weil man nicht anders kann, so thun, daß es wie freiwillig und als verdienstlich erscheint; Wir werden alsdann Das aus N. ergreifen, was wir aus Wahl nicht gerne thun. G. 14, 290; Mir mehr Gefälligkeit, aus N., wo nicht aus Wahl, | für ihre Dame anzurathen. W. 12, 270; Aus solcher ehehaftigen [s. d.] N. hat er .. zu streiten vorgenommen. Luther 1, 393b, aus solcher dringenden, wohlbegründeten Ursache; veralt.: So sei nun aus N. [wie du es sein musst] unterthan etc. Röm. 13, 5. l) In N., in großer, gewaltiger etc. N. sein, stecken, Einen stecken lassen, Einen retten; Retter, Schutz, Zuflucht, Schirm, Hort in der N.; Freund’ in der N. | geht 100 auf ein Loth; In der Angst und N., damit dich dein Feind drängen wird. 5. Mos. 28, 53; Die in N. und Schuld und betrübtes Herzens waren. 1. Sam. 22, 2; Dem wird’s wohl gehen in der letzten N. [s. Todes-N.]. Sir. 1, 13 etc.; Daß wir in N. und Verwirrung sind, woraus wir uns nicht zu helfen wissen. G. 15, 18; Sich mitten in Druck und N. .. glücklich fühlen. 30, 15; Die Kräfte wachsen in der N. Sch. 107b; Wird in der N., womit uns Teufel Amor dräut, | uns hoffentlich nicht stecken lassen. W. 11, 203 etc., auch (s. d): In Nöthen (1. Sam. 13, 6; Talvj 2, 279), in tausend Nöthen (Eichendorf Lärm 39) sein; Eine Hilfe in den großen Nöthen, die uns getroffen haben. 2. Kor. 6, 4; 12, 10; In allen Privat- und öffentlichen Nöthen war St. Eugenius Universalpatron. Fallmerayer Or. 1, 109; Der ihnen in ihren Nöthen beisteht. G. 10, 164; Luther 5, 7a und b; W. 12, 267 etc. Auch: Spar-bei-Zeit hat’s in der N. [zur Zeit des Bedarfs; wenn er’s braucht]. Sprchw.; Grimm M. 197; Kaufet in der Zeit, so habt ihr’s in der N. Thümmel 1, 15 etc. m) In N., in große etc. N. kommen, gerathen, Einen stürzen, bringen etc.; So kam auch mein Vater in schreckliche Nöthen (s. d). G. 5, 170; Das brachte . . | meinen Vater in große Nöthen. 174 etc. Veralt. auch: Wenn ’s in die N. sollt kommen (als nicht kann), daß entweder die Kirche irren oder Christus lügen müßte, so wollt’ich ehe sagen, daß die Kirche irrete. Luther 5, 292b, wenn Eins von Beiden sein müßte, keine andre Wahl bliebe. n) Mit Jemandes N. Mitleid, Erbarmen haben etc.; Mit N. zu kämpfen, zu ringen haben, auch (s. d): Mit tausend Nöthen ringen. W. 20, 206 etc. Ferner nam. adverbiell: Mit N., mit Müh und N., mit harter, genauer, knapper, mit einiger (G. 20, 244), ziemlicher, großer N. = kaum etc., zur Bez., daß man das zu Erreichende nur schwer, fast nicht erreicht etc. o) Er kann ohne N. (und Sorgen) leben, hat sein Auskommen etc. Nam. auch adverbiell, s. e = ohne daß es N. (oder nothwendig) war: Sich ohne N. [unnöthig, ohne Ursache] Sorge machen, quälen; Strenge Maßregeln, die sich so oft, vielleicht ohne N., für Heilungsmittel ausgeben. Tieck A. 2, 19; Weit entfernt, die Sache ohne höchste N. aufs Äußerste zu treiben. W. 14, 84etc., dagegen veralt.: Die Letze ward ohne N. [ohne Mühe und Schwierigkeit, leicht] erobert. Stumpf647a, vgl. den Ggstz.: mit N. (n). p) Sich über seine N. beschweren, beklagen etc. und nam. adverb. = mehr als nöthig ist, über das Bedürfnis: Über N. essen, arbeiten. Schm.; Kann man aber ähnlich werden, wenn man über die N. verändert? L. 6, 419 etc. q) Von Jemandes N. gerührt werden etc., auch (s. d): Es flöten | .. die Sprosser im Busch | von wonnigen Nöthen [Schmerzen]. Beck Heim. 113 etc. Nam. aber adverb. (s. r), und so als ein Wort geschrieben: Vonnöthen in Verbind. mit sein (veralt. thun) und haben, wie e (s. d.): Was half mein Beten? | Nun ist’s nicht mehr vonnöthen! B. 13b; G. 4, 32; Was seinem Reich vonnöthen, | ihm selbst ersprießlich ist. Hagedorn 1, 58; Der Zweifel . ., | ob nicht die Amme aufzuwecken vonnöthen sei. W. 11, 242 etc. Es thut wohl „von nöthen“, daß wir uns .. zanken! Zinkgräf 1, 221 etc. Vonnöthen haben, mit Accus., z. B.: So hat die heilige Vorsehung ihn nicht einmal dazu vonnöthen gehabt. Hebel 3, 504; Doch hat er oft die Furcht, vorm Alten zu erröthen, | oft Rezia’s standhaftern Ernst vonnöthen. W. 20, 225; 2, 86; 19, 335; 29, 134 etc., mit Genit.: Gieb Acht, daß du Gottes nicht spottest, wenn du seiner am meisten vonnöthen hast. Sch. 207a; Die gerechte Sache | hat künstlich schlauer Wendung nicht vonnöthen. 240b; 520a; Die Kinder .. hatten .. keiner künstlichen Bildung vonnöthen. .. Alle Tugenden, deren sie vonnöthen haben. W. 8, 219; Seines Dienstes vonnöthen haben. 9, 257; 13, 142 etc., mit abhäng. Satz: Wozu hätten wir denn auch vonnöthen, mehr davon zu wissen? 14, 175 etc. Auch (s. e) mit verneinendem „un“, das vor oder nach der Präpos. steht: Ursachen, die allhier zu erzählen zu lang und unvonnöthen. Berlichingen 6; Fischart B. 56a; Immermann M. 3, 222; W. 20, 163 etc.; Daß eine wiederholte Ausführung durchaus von Unnöthen ist. Linck Schl. 49; Von unnöthen. V. Sh. 1, 421 etc., Beides heute gw. nur noch in der Kanzleispr. (statt unnöthig). r) Veraltend, in der Kanzleispr. etc.: Von N. (W. 11, 135); von Nöten (Luther 1, 333b; Hutten (Wackern. 3, 215 Z. 22; Schm. 2, 717); nöten (ebd.); N. halben (ebd.); von notwegen (Luther 6, 29a) = nothwendigerweise, nothfolglich etc., dagegen z. B.: Solches sei gut, um der gegenwärtigen N. willen. 1. Kor. 7, 26 etc. s) Wenn’s zum Treffen und zur N. kommt [wo es wirklich etwas gilt]. Luther 6, 141a etc., s. auch 3. Nam. adverb. = als Nothbehelf, für den Nothfall etc., einigermaßen angehend, wenn freilich auch nicht ausreichend: Das einzige Gemach . ., wo ein Fürst zur N. nächtigen konnte. Alexis H. 1, 2, 225; Ich kann deutsch, französisch, zur N. noch englisch so schreiben etc. Forster Br. 1, 484; Sei höflich, man bedient dich schlecht, | den Grobian zur N. G. 1, 108; Gemächlich [leben] heißt bei mir, was vielleicht ein Anderer zur N. nennen würde. L. 12, 16; Schleppende zur N. aufgeschürzte Gewande. Möricke N. 9; KlSchmidt Kom. 265 etc., auch verstärkt: Zur höchsten N. etc. Ferner als besondre Anwendungen (2—4): 2) (s. 1d) = Wehen einer Kreisenden, z. B.: Die Kuh, die ihre Nöthen deutlicher kündet. Gotthelf U. 1, 28, gw. Kindes- oder Geburts-N.
3) = Nothdurft (2), Bedürfnis (1b): der Drang nach Leibesentleerung und diese selbst (s. 1e): Einen Ort, dahin du zur N. hinausgehest. 5. Mos. 23, 12; In der natürlichen N. auf dem heimlichen Gemach. Luther 8, 257a; Die Frau wär . . | zur N. hin auf die Heimlichkeit. Rollenhagen Fr. 83 etc., so wegen Mißdeutung (s. 1s) veralt., dagegen gw. noch: Seine N. verrichten. G. 6, 69 (Gotter) etc.
4) Schwere N., s. 1c zur Bez. des schwer auf Jemand Lastenden, Drückenden, z. B.: Das ist die N. der schweren Zeit, | Das ist die schwere Zeit der N., | Das ist die schwere N. der Zeit, | Das ist die Zeit der schweren N. Cham. 3, 108 etc. Nam. auch (wie: das schwere Gebrechen) als Bez. der Epilepsie oder fallenden Sucht (s. fallen, Anm. 2): Das böse Wesen oder die schwere N. Döbel 1, 20a; 3, 164b; Mit der schweren N. oder Fresel. Rockenphil. 2, 245 etc.; bes. auch in Flüchen: Dafür soll er auch die schwere N. zuerst kriegen. W. Luc. 1, 93 etc. und als Ausruf, wie: verflucht: verdammt! Donnerwetter! etc.: Schwere(-)N.! Freiligrath 2, 200; Sch. 119a; Schwer-N.! V. Sh. 3, 367; Tausend Schwere-N.! G. 9, 7; 35, 7; Sch. 107b; Schockschwerenoth, du Racker! Immermann Card. 47, ein 1000, ein 60facher Fluch; Donner schwere N.! Baggesen 3, 74; Erbsen und Bohnen sind hiēr so mulstrig wie die Schwere-N. [verdammt mulstrig]. Schlegel Sh. 6, 41; Zum Schwere- N.! etc. Oft (vergl. Brett 5) absichtlich entstellt: Schwere Nachtmütze! IGMüller Lind. 2, 265; Daß du den Schweden kriegst! ebd.; Nun wird er seine schwedische Angst kriegen. Rockenphil. 3, 119 etc., s. auch: Machei. Brem. Wörterb. 3, 108 etc. Auch Fortbild., z. B.:
a) Der schwerenöthsche [verdammte] Rathsmauermeister. Alexis Dor. 1, Kap. 11; Schwerenothsche Papierwirthschaft! ebd. etc., vgl.: ’n Schwerenoths altes Waschweib. IGMüller Lind. 2, 265.
b) Der Schwerenöther, ein verfluchter (s. d. 1), verdammter (s. d. 2) Kerl. Goltz 1, 216; Höfer V. 15; 111; Holtei Lammf. 1, 296; Tieck NKr. 4, 383 etc., auch in der Schrift nur andeutend bez.: Der Jäger ließ sich verlauten, die Furka sei ein S““r, G. 14, 230 etc. und zsgstzt: Du Tausendschwerenöther! König Kl. 3, 8 etc.
Anm. S. niedlich, Anm.
Zsstzg. leicht zu mehren und zu verstehn, nach den folg. (s. nam. Spate und vgl. Zsstzg. von Mangel, Druck etc.): Álltags-: alltägliche oder wie sie dem Alltagsleben anhaftet, vgl. Erden-N.: Trank von A. sich frei. Hungari 2, 639.
Ángst-: ängstigende Noth und (veralt.): etwas unumgänglich Nothwendiges. Luther 1, 376a.
Āthem-: Engbrüstigkeit, knapper Athem: Mit großer A. kämpfen. Seydelmann 172.
Erden-: irdische (vgl. Alltags-N.). Lenau F. 130.
Fēīndes-: Noth, die Einem Feinde im Kriege machen, s. Kriegs-N.: Von F. sind wir befreit. Sch. 57a; Zinkgräf 1, 322 etc.
Fēūers-: Feuersbrunst. HSachs G. 1, 32; In Feuers- und Wassernöthen etc.
Finánz-: vgl. Geld-N.: Die F. des Staats. Gebūrts- [2]: In Geburtsnöthen sein.
Gēīstes-: die den Geist bedrückt, vgl. Leibes-N.: Jungen Männern .. in Herzens-, und Geistesnöthen beizustehen. G. 25, 173.
Géld-: drückender Geldmangel und die daraus entstehnde üble Lage: In G. sein, stecken; Jemandes G. mindern (HHerz 140), ihr abhelfen (Platen 7, 41) etc.; Daß nie Jemand an meine eignen Geldnöthen [1d] glauben wollte. Heine Lut. 2, 143. Dazu (mundartl.): Geldnöthig: in G. steckend. Gotthelf 5, 313.
Gewítter-: durch Gewitter oder Unwetter bereitete: Dem vom Klippenrücken, | von G. | und von Strudels Tücken | keine Fahrnis droht. Hungari 1, 629.
Góld-: Geld-N. Sch. 925a.
Hérzens-: s. Geistes-N. G. 1, 61; 25, 173 etc.; Über eigne Herzensnöthe [1d] reden. PHeyse Nov. 44.
Húngers-: drückender, quälender Hunger:
1) zuw. in Bezug auf einzelne Jndividuen: Meine Kindlein leiden H. Oehlenschläger Gd. 45; Er selber leidet Durst und schwere H. Rachel 4, 120; 6, 413; Simrock G. 83; Gestorbnes Vieh nimmt der Bär nur bei der größten H. an. Winkell 1, 393 etc.
2) gw. aber nur: der sich über einen ganzen Bezirk erstreckende und die Bewohner desselben betreffende Mangel an Lebensmitteln: H. in Folge einer Mißernte; Durch die große Theurung, ja durch die drohende H. G. 25, 249; Es werden Hungersnöthen, Seuchen und Erdbeben bald da, bald dort sein. (Matth. 27, 7); Es werden .. Hungernöthe und Seuchen entstehen. Ders. (Luk. 21, 11), s. [1d] etc. Auch übertr.: Bei dieser Frankfurter H. des guten Geschmacks. G. Br. 1b etc. Kámpf-: Noth und Bedrängnis eines Kämpfenden. Rückert Rost. 61a. Kíndes- [2]: Ehe denn ihr „Kindsnot“ kommt. Jes. 66, 7 etc., gw. wie „Wehen“ in Mz.: In Kindesnöthen. Jer. 4, 31; 13, 21; Off. 12, 2 etc.; Die Kindesnöthen [1d] dauerten einen ganzen Tag. Schwab V. 1, 119; Als sie nahe an den Kindesnöthen war. Zinkgräf 1, 313 etc. Krīēges-: Noth und Bedrängnis des Kriegs, s. Feindes- N.: Im Geleit aller Kriegsnöthen. Görres Ver. 50; Daß du der Heimath nahst mit K. Sch. 241b; In Kriegesnöthen. 448a etc. Lándes-: die ein ganzes Land betrifft (vgl. als Ggstz.: Privat-N. etc.): Das ruhige, stille deutsche Volk, das die eignen Landesnöthen [1d] so geduldig trägt. Heine B. 193. Lēībes-: (vgl. als Ggstz. Geistes-, Seelen-N.) Von Seelenpein und L. | war ich das Jahr umsponnen. Langbein 1, 13 etc. Līēbes-: Liebes-Bedrängnis, -Pein etc.: WhMüller 1, 209 etc., auch [1d]: Die Bedeutung dieser . . Liebesnöthen und Liebesneckereien. Heine Reis. 3, 116; Mir in meinen kleinen Liebesnöthen Dienste zu thun. W. 7, 133 etc. Privāt-: im Ggstz. der öffentlichen, allgemeinen, s. [1l]. Schíffbruchs-: Aus der Sch. | .. das Leben retten. W. 20, 217, vgl. See-N. Schúlden-: Noth und Bedrängnis durch Schulden. Schlegel Dramat. 2, 2, 176. Sēē-: Noth, die man zur See leidet: Das Ende unsrer S. Sh. 3, 21, vgl. Schiffbruchs-N. Sēēlen-: vgl. Geistes-, Leibes-N.: Bedenkt die nahe S. Gryphius. Stérbens-: Todes-N.; tödtlich quälende Noth: Mir zur Qual und St. Hungari 2, 68. Tēūfels-: verteufelte, verdammte Noth: T. mit Jemand haben. IP. 1, 5. Tōdes-: Todes-Kampf, -Qual, Sterbens- N.: In seiner windenden T. G. 11, 196. Un- [1e, g]. Wásser(s)-: Noth und Bedrängnis durch Überschwemmung: (Bergb.) Wegen Wasser-N. verlassene Gruben. Karmarsch 1, 175 etc., dazu: Wasser(s)nöthige [von W. leidende] Zeche. Ugw. = drückender Wassermangel. Campe. Wéchsel-: z.B. durch Wechselfälle sich hindurchziehnde Noth: Der Jrrfahrt kummervolle W. G. 12, 173; auch: durch Wechselbriefe veranlaßte Geld-N. etc. Wétter-: (Bergb.) Mangel an athembarer Luft in den Gruben etc., auch = Gewitter-N.