Faksimile 0391 | Seite 389
Faksimile 0391 | Seite 389
naiv Naivetät
* Naīv (frz.), a.:
in argloser Unschuld, rein natürlich ohne Rücksicht auf und im unbewußten Ggstz. gegen das bloß Konventionelle: Das rein Natürliche, insofern es sittlich gefällig ist, nennen wir n. etc. G. 3, 259; Das N–e verbindet die kindliche Einfalt mit der kindischen .. Zum N–en wird erfordert, daß die Natur über die Kunst den Sieg davon trage .. In beiden Fällen aber, beim N–en der Überraschung, wie bei dem der Gesinnung muß die Natur Recht, die Kunst aber Unrecht haben etc. Sch. 1191b ff. (s. die ganze Abhandlung und die in der Anm. darin angeführte Stelle aus Kant); Fasst man den Begriff des N–en in so weitem Sinne, daß er überhaupt das Eintreten eines beziehungsweise Unbewußten, wo man Bewußtes erwartet, bezeichnet, so kann alles Komische als n. bestimmt werden; im engern Sinne aber hat das N–e seine besondere Sphäre, nämlich die des Anstands. Vischer Ästh. 1, 356; Die tölpelhaft-n–e, treuherzige und kurzsinnige Plumpheit. W. HB. 1, 189 etc. Je nach dem Gesichtspunkt tritt bald die Freude an der Herzenseinfalt, bald der Spott über die Verstandeseinfältigk. hervor. Der n–e Theil, verhüllende Bez. für Arsch (s. d., Anm.).
~etǟt, f.; –en:
das Naivsein („die Naivheit.“ Sturz 1, 217) o. Mz., und: eine Außrung solches Wesens: Beide N–en sind dem Volksdialekt inwohnend. Auerbach SchV. 154; Da mir seine Sinnesweise . . in ihrer Natürlichkeit und N. überhaupt wohl zusagt. G. 21, 193; Die derbe Natürlichkeit des alten Testaments und die zarte N. des neuen. 22, 76; Welches anmuthiger und eindringlicher wirkt als das Kunstgerechte, sobald dieses die N. entbehrt, indem es alsdann nur den Verstand anspricht und den Kalkul hervorruft. 26, 333; Gutzkow G. 84; Giebt es in der Kunst eine geniale Ursprünglichk. ohne N.? Heine Lut. 2, 10; 1, 129; Kant Anthr. 12; SchE. 39; 40; Kr. d. Ästh. § 54; Sch. 1192b; 96aetc.; auch: Naīvität, z. B. Stahr Par. 1, 271.