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Motte
Mótte, f.; –n; –n-:
1) Insekten, die zu den kleinen Nachtfaltern gehören, theils auf Pflanzen, theils auf Pelzwerk und wollenen Zeugen lebend, wo sie große Zerstörungen anrichten, indem sie als Raupen sich aus den zernagten Stoffen tütenartige Hülle oder Futterale fertigen, als Schmetterlinge aber nächtlich fliegen, nam. gern das Licht umfliegen, auch wohl hineinfliegen, Tinea, Schabe. Einerseits ohne wissenschaftliche Genauigkeit, ausgedehnt auf andre kleine nagende Insekten, z. B. Milben (s. d.), Gewürm andrerseits verallgemeinert (z. B. bei Oken etc.) für Nachtfalter überhaupt: Wie ein Kleid, das die M–n fressen. Hiob 13, 28; Ps. 39, 12; Jes. 14, 11; 50, 9; Matth. 6, 19 etc.; Siehe .. die M–n nur eines verwesenden Leichnams. Kosegarten Dicht. 1, 143; Die Schuld schwärmt um Verderb, wie „Mutten“ um das Licht. Lohenstein Soph. 1; Jene Leichen, | sie sind ein Raub der M–n und der Schaben. Platen 4, 164; Er flattert um seine Schöne, wie die M. ums Licht. Rabner 4, 367; Rückert Mak. 1, 107; So ging dem Licht die M. nach. Schlegel Kaufm. 2, 9; Eine M. wird in der Wage den Ausschlag geben, ob Pyramus oder Thisbe mehr taugt. Sommern. 5, 1 s. Anm. [das Kleinste, so gleich schlecht sind sie]; Seine Folianten bleiben den M–n und Bücherkrebsen. Waldau N. 1, 240; Du bist .. eine unschuldige schwärmerische M., die dem Lichte zufliegt, weil sie von seinem Schein entzückt ist und nicht eher erfährt, daß er auch brennt, bis sie mit versengten Flügeln am Boden zappelt. W. 14, 144; 20, 150 etc., s. auch M–n-Welt. Zsstzg. zur Bez. der Gattungen und Arten, s. nam. Oken Reg. 268 an funfzig, z. B.: Feder-M., mit federartig zerschlißnen Flügeln (s. Geist 8a) Pterophorus; Fichten-M., Phalaena pinetella. (Nemnich, s. Föhrenspanner); Halmen-M., Ph. culmella (ebend.); Korn-M., Tinea granella (s. Kornwurm); Kleider- und Pelz-M., T. pellionella; Lager-M., Bombyx castrensis; Schwamm-M., Liparis dispar; Tiger-M., Bombyx lubricipeda; Wasser-M., Phryganea, z. B.: Vom Adler bis zur Wasser-M. [vom Größten bis zum Kleinsten]. W. 14, 154 etc.
2) (s. 1 und vergl. Grille 2, Mucke 7) wunderlicher Einfall, Marotte, Gedanke, der sich in einem Kopf eingenistet: Es vertreibt die M–n! die M–n im Kopf, die Grillen, die Raupen, den Ärger etc. Gutzkow R. 3, 173; Alle die künstlichen M–n und Marotten, welche die Köpfe der Diplomaten füllen. Volksz. 8, 262 etc., vgl.: Muß unter güldnen Decken | sich stets der Sorgenwurm, die „Kummer-Mutte“ hecken, | die Seel’ und Mark ausnagt? Lohenstein IbrS. 97.
Anm. In der Basler Bibel von 1523 wird „Mutten“ als „ausländig“ durch „Schaben“ erklärt. Goth. (Matth. 6, 19) steht malo, mhd. (s. Benecke 2, 173b) milwe (s. Milbe) = tinea etc. Dagegen ags. modde, engl. moth, versch. mote, das Geringste, Kleinste (s. „Meit“ in der Anm. zu: Miete I). Dies z. B. bei Shakspear in der zweiten oben in Schlegel’s nicht ganz genauer Üebersetzung mitgetheilten Stelle, während in der ersten moth steht, vergl.: O Himmel! säß auch ’was [im Original: a mote] im Auge nur, | ein Korn, ein Stäubchen, eine Mück’, ein Haar. Schle– gel Joh. 4, 1; Darum sollte jeder Soldat .. jedes Stäubchen [mote] aus dem Gewissen waschen. Heinr. V. 4, 1; Ein Stäubchen [mote] ist’s, des Geistes Aug zu trüben. Haml. 1, 1 etc. Abstammung von M. unausgemacht, vgl. etwa Made, Matte 6 u. Miete. Vrsch.: Mott (s. Moder, Anm.).