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minder Mindest
Mind~er, ~est (vralt. minst), a.:
Kompar. und Superl., denen als Positiv der Bed. nach wenig, gering und zuw. klein und als Ggstz. mehr und meist entsprechen: 1) adv. zur Bez. der niedern und niedrigsten Stufe bei Vergleichen, wie zu der der höhern und höchsten Kompar. und Superl. (durch Flerion oder durch mehr und am meisten bez.): A ist reicher als B; B ist m–er (oder weniger) reich als A, vrsch.: B ist ärmer als A, indem er im erstern Satz nicht als arm, sondern nur als nicht (ganz) so reich als A, im zweiten im höhern Grade arm als A bez. wird, vgl.: Daß ihre Hörsäle, ich will nicht sagen leer, doch m–er voll würden. L. 11, 38; Zwar m–er schön als Helena, | doch m–er reizvoll nicht, und —: Es giebt kein hässlicheres und reizloseres Geschöpf; Du weißt, wie ich dir lauschte .., | wenn du den kühnen Helden mir beschriebst, | .. doch wenn du auf das m–er Rühmliche | zu reden kamst .., wie hätt’ ich nicht gewünscht, so schönem Leben | die m–er würd’ge Hälfte zu ersparen. Sch. 610a etc.; Diese Methode ist die kostspieligste, jene die am m–esten (am wenigsten) kostspielige; Er wählt nicht das Beste, sondern das m–est Theure etc.; Die Stube ist mehr lang als breit, m–er (weniger) breit als lang etc. Ferner bei Zeitw.: Das rothe Tuch gefällt mir mehr als das blaue, das blaue gefällt mir m–er (weniger), am m–esten (am wenigsten); Er greift ihn an, wenn er es sich am aller-m–esten versieht; Die Exposition des Stücks lobt er sehr, m–er schon die Schürzung des Knoten und am m–esten die Entwicklung; Schön bist du, Das weißt du, | ach, leider zu sehr. | O wüßtest du’s m–er, | du wärest es mehr. Rückert; Niemand war, der Solches Iwan dankte, | m–er noch [war es der Fall, geschah es], daß Einer Iwan lohnte. Talvj 2, 271 etc.
a) für den Komparat. (s. 2) die bei Komparat. übrh. gw. Verbindungen, z. B.: Noch m–er; Etwas, viel, wenig m–er; Je m–er er Das voraussehn konnte, je oder desto oder um so m–er verdient er Tadel; Um so m–er, da auch etc. Fouqué 8, 26; Sie zählt auf Euch; | [um] so m–er wird sie Anstand nehmen etc. Sch. 423b etc.; Nichts desto m–er (weniger) = trotzdem. W. 12, 13 u. v., bei Altern auch: Und deß wird mir nichts m–er das Meine verzehret. Schaiden- reißer 67b und ohne ,,desto“: Nichts m–er landeten wir. 36b; 3b; 38a u. v., auch: Deshalb (s. d.) nicht m–er bekannt. HHerz 146 etc. Ferner in Bezug auf den Superl.:
b) vereinzelt: m–er neben einem Superl.: Die frischen Feigen sind unter den Sommerfrüchten die m–er schädlichsten. Ryff Sp. 47b statt: Die m–est (oder am m–esten) schädlichen und selbst noch: Wie ich Ihnen Ihr Exemplar monatlich am bequemsten und m–er kostbarsten übermachen kann. W. Merck 2, 56.
c) M–est, am (aller-) m–esten, s. o., und in vralt. Form: Wenn man’s am minsten denkt. Gryphius Fr. 1; Wer alle Löcher will vermachen, fängt am allerminsten. Zinkgräf 1, 160 etc.
d) Mindestens, zum mindesten, aufs mindeste, zu mindest oder auch: allermindest, zu bez., daß das Angegebne ein Minimum, das Geringste oder Wenigste ist, was statthat, daß man also füglich noch mehr annehmen darf = wenn nicht mehr, doch jedenfalls: Er ist m–estens zwölf Jahre weg; Er kommt aller-m–est zweimal wöchentlich zu mir; Zu allem Leiden (Empfinden einer fremden Einwirkung) gehört doch aufs m–este Berührung. WHumboldt 4, 281; Der Schweif nimmt zuhöchst den dritten, zum–est den zehnten Theil der ganzen Länge hinweg. Linck Schl. 15; Die Gefahr seines Lebens, seiner Freiheit zum m–esten. Sch. 195b etc., vralt.: Zum minsten. Fischart B. 25b; Opitz 1, 142; 2, 258; Weichmann 2, 349 etc. c) Im mindesten, im geringsten, in verneinenden oder beschränkenden Sätzen, s. 2d: Nicht im m–esten od. zuw. im m–esten nicht, durch- aus nicht; Wer nur im m–esten Acht giebt, muß Das wissen; Wenn er auch nur im m–esten Acht gegeben hätte oder: Hätte er nur im m–esten Acht gegeben, so müßte er’s wissen etc.; Daß dies Fleisch im m–esten Nichts von dem geilen Geschmack hatte. Forster R. 1, 238; Sobald man sie aber nur im m–esten bedeutete, daß etc. 154; Wodurch sie Alles, was [auch nur] im m–esten verfänglich schien, von sich abzulehnen wußte. G. 15, 184; Die auch nicht mehr im m–sten stinkt. 11, 107; Daß sein Gewissen sich nicht im m–esten regte. 16, 43; Der Wolf bekümmerte sich nicht im m–esten um meine Wenigkeit. Münchhausen 22 etc. Vralt.: Es ist kein edler Stein, | der ihr am minsten auch nur kann gemessen sein. Opitz 2, 35 etc. 2) als Ew., im Kompar. (a—d) und im Superl. (e):
a) Minder unflektiert neben Hw. in Ez., wie wenig, weniger, viel, mehr (s. d. 3), nur daß diese auch neben der Mz. gw. sind (s. b): Wenn durch ihr schmetternd Lied | die Lerche m–er [geringre, weniger, nicht soviel] Kunst verrieth. Gellert; Mit nicht m–er Überschwang der Liebe, | als seinem Sohn der liebste Vater widmet, | bin ich Euch zugethan. Schlegel Haml. 1, 2; Ihr Herzchen klopfte nicht mit m–er Ungeduld, | als Ihres, gnäd’ger Herr. W. 11, 213; Ulysses hat in seinen Wanderjahren | nicht mehr als ich in m–er Zeit erfahren. 12, 181 etc.
b) flektiertes minder, z. B. (s. a): M–re Kunst verrathen; Mit nicht m–erm Überschwang der Liebe; Mit nicht m–erer Ungeduld; In m–erer Zeit; Keinen .., dem ich .. meine Freiheit | mit m–erm Widerwillen opfern würde. Sch. 416b; Frei war nimmer der Fehl’ ein Geborener; besserer Mann ist, | wenn die m–eren lasten. V. H. 2, 36 etc.; Unter den Göttern m–ern [niedrern, geringern] Ranges. G. 26, 216; Daß wir sie in keiner m–ern Rolle .. sehen wollten. 27, 468; Der geringere Maler. .. Der m–ere Musiker. 3, 158; Paris ziert selbst sein Haupt, weil eine m–re Stadt | nicht Kunst noch Puder gnug für kluge Hirner hat. Haller 123; Statt m–erer Spiele den bessern | Witz, den feinern Geschmack und die Spiele der Weisen erlernen. Ramler 171; Daß .. ein solches, so großes Volk der Achaier | .. kämpfet | gegen m–ere Feind’. V. Jl. 2, 122, weniger der Zahl nach; auch: Das mehr oder m–ere Eingreifen der Katastrophe. Burmeister Gsch. 219; Die mehr oder m–re Sorgfalt. JvMüller 13, 201 etc. und mehr mundartl., vralt.: Erst im fünfundvierzigsten Jahr der m–ern Zahl [s. d. und vgl. hundert] vollendet. Matthesius Lthr. 125b, d. h. mit Fortlassung der größern Zahl, der Hunderte und Tausende in der Jahrszahl, ferner: Versetzte den mehrern und m–ern [größern und kleinern] Zoll. . . Die kleiner Stadt Basel. .. In der m–eren Stadt. Stumpf 708b etc.; Den großen Bastard von Burgund seinem Bruder, dem m–ern [jüngern] Bastard. JvMüller 24, 139; Sankt Jakob der m–er. Zwingli 2, 2 etc., auch: Mich unwürdigen m–ern Bruder [Minoriten]. Fi- schart B. X; vgl.: Die Minores oder Minderbrüder, die Minimi oder Minsterbrüder. 25a; Minbrüder. VIII etc.—
c) (zu b) auch substant.: Censur fordert und übt der Mächtige, Preßfreiheit verlangt der M–ere [Niedrigre, Geringre]. G. 3, 229 etc.; Daß ihm seine Güter nicht eintrügen, was sie sollten. . . Das M–ere der Einnahme betrachte ich als Ausgabe. 18, 79 etc.; Empören sich die M–n [die Minorität, die Minderheit] | voll Stolz und Eigensucht, | des Volkes Geist zu hindern etc. V. 4, 50; Das Mehr (s. d. 3i) oder M–er. Raumer Päd. 3, 1, 149; Tiedge Ep. 1, 100 etc.
d) unflektiertes m–er ohne danebenstehndes Hw., z. B. als Prädikat: Dein Glück, o Freundin, wird nicht m–er | und unsers wird durch dich vermehrt. G. 6, 13; Er machte den Menschen wenig m–er als die Engel. W. 26, 217 etc.; Nicht mehr (s. d. 3c) noch m–er als etc.; Wenn der Bruch m–er [oder M–er] als die Hälfte eines Pfennigs beträgt, so wird er weggelassen; Jch habe M–er (m–er) von der Welt gesehn als er; M–er besitzen des Gelds heißt m–er von Sorgen gequält sein; Mit M–er (m–er) als dieser Summe ist ihm nicht geholfen etc. Vralt.: Welcher m–er einer Schlacht 40mal geschlagen. Eppendorf 18 = 39mal, eine Schlacht weniger als 40mal.
e) im Superl.: Wer die m–esten Fehler macht, wird der Erste; Er hat von allen Schülern die m–esten Anlagen; Er hat die m–esten Ansprüche auf Belohnung; Er hat von Allen das M–este geleistet; Des ist das M–este, was ich verlangen kann etc., auch (s. 1e): Es ist [auch] nicht die m–este Aussicht dazu vorhanden; Er bekommt nicht das M–este [gar Nichts]; Wenn du ihm auch nur das M–este davon sagst; Das m–este Geräusch weckt ihn, jedes, und wenn es auch nur das m–este wäre; Jede oft zudringliche Aufmerksamkeit auch des m–esten Unterthanen erwidern. Engel 4, 37; Das Allermindeste | müsst ihr entdecken. G. 12, 126; Daß uns seine Gegenwart nicht die m–este Unbequemlichkeit ver- ursacht. 15, 6; Die neue, prächtige Welt .., von welcher sie . . bisher das M–este nicht [gw.: nicht das M–este] geahnt. Möricke N. 57; Ohne [den] m–sten Harm. W. 20, 227 etc. Vralt.: Daß wir nur die minsten sehn. Brockes 1, 138; Der Leib, das minste Theil; die Seele kann nicht sterben. Opitz 1, 103; Daß das Blut, | wie göttlich es auch ist, bei euch das Minste thut. 161; Das Meiste tadelt Der, der selbst das Minste kann. Weichmann 2, 131 etc.
Anm. Der Kompar. als Ew. goth. minniza, ahd. minniro, mhd. minner, minre, minder, als Adv. goth. mins, ahd. min und später minnerâ, mhd. min und minner, minre, minder. Superl. goth. minnists, ahd. minnist, mhd. minnest, minst (wie noch im ältern Nhd., s. o.). Niederd. min als Posit. und Kompar., s. Brem. Wörterb. 3, 162. Vgl. lat. minor, minimus. Dazu Minderheit, ahd. minnerheit; mindern ahd. minnirón, mhd. minnern.