Faksimile 0307 | Seite 305
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Miene
* Mīēne (frz.), f.; –n; –n-:
Gebärde (s. d.) des Gesichts, als Ausdruck des Innern und des darin Vorgehnden: Vorzüglich dient das Gesicht zu den Gebärden und hier heißen die Gebärden M–n. Engel 7, 70; M–n sind ins Spiel gesetzte Gesichtszüge. Kant Anthr. 279 etc.; M. und Gebärde, Punkt für Punkt, von der Natur selbst abzukonterfeien. Heinse A. 1, 296; Jene stolze, höhnische M., die auch das Gesicht einer Grazie entstellen würde. L. Gal. 1, 4; Seine M–n schienen mir zu verbürgen, | daß unter ihnen sich keine Minen [s. d.] verbürgen. Rückert Mak. 1, 146; Nun birgt er seines Sinnes Unhuld | unter der M–n Unschuld. 74; Jemandes M–n beobachten, in seinen M–n lesen etc., vgl.: Sein ohnehin schon m–n-loses Gesicht schien sich ganz zu versteinern. Paalzow Th. 2, 258; 1, 11 etc. Seltner (nach dem Frz.) allgemeiner von dem Aussehn des Gesichts, nicht als Ausdruck des im Innern Vorgehnden, z. B.: Eine M. von Gesundheit, Wohlsein und Kraft, welche man in den Heide-Katen selten findet. Niebuhr Nachg. 1, 5 etc. Häufig in best. Verbind., z. B. als Obj.: Eine so oder so beschaffne M. machen (s. u.), annehmen, aufsetzen, aufstecken, schneiden (s. d.) etc., so: Gute M. zum bösen Spiel machen, sprchw., vgl.: Zum sauren Apfel ein süßes Gesichtchen machen etc.; Wenn sie schwieg, schien sie Etwas bedeuten zu wollen und machte mit der Oberlippe eine fatale M. G. 23, 8; Sahe nach der Wunde | und machte saure M–n [ein bedenkliches Gesicht]. EKleist 1, 39; Keine Unantwort mehr geben, keine saure M. [verdrießliches Gesicht] machen. Gotthelf G. 258 etc.; Die M. eines Unschuldigen, eine unschuldige M., eine fromme, ernste, düstre, freundliche, nachdenkliche M. annehmen etc.; Schnitt so demuthsvoll-verlegene M–n. Bodenstedt 2, 32; Eine abscheulich gleichgültige M. schneidend. Gutzkow R. 1, 31; Schnitt eine ironische M. 169 etc.; Der Leutnant setzte eine geheimnisvolle M. auf. Schlichtkrull Lat. Mag. 98 etc.; ferner: Die M., keine M. verziehn, z. B.: Sie leiden innerlich an aller möglichen Misere, aber äußerlich verziehn sie keine M. Lewald W. 2, 125 etc. Auch: Ohne M. zu machen [zu thun], als ob Dies seine wahre Absicht sei. W. HB. 2, 184; M. zu Etwas machen, zu erkennen geben, daß man sich dazu anschicke, verallgemeinert auch von (personif.) Sachen: Die Festung macht noch keine M. zur Übergabe etc. Ferner abhäng. von Präpos.: Der, seiner M. nach, die eingelaufnen Schulden | .übersann. Gellert 1, 142 etc.; Seine Späße mit der trockensten M. vorbringen; Der die verhaßten Paradoxen mit einer so aufrichtigen M. von Wohlmeinenheit vorbringt. W. 29, 165; Mit der M. eines Menschen, dem etc. Luc. 1, 118; Unter der M. [dem Schein] des Scherzes Einem die Wahrheit sagen; Östreich hat unter der M. bequemen Thuns mehr verrichtet als Preußen mit unzeitiger zappelnder Geschäftigkeit. Börne 2, 65. S. auch Mine und Mies, Anm.
Anm. Frz. mine, Haltung, Gebärde, Ansehen, s. Diez 229, vgl. schwzr. (vrkl.): Mineli [das Aussehn, Gesicht etc.]. Gotthelf G. 46.
Zsstzg. keiner Erklärung bedürftig und leicht zu mehren nach den folgenden: Das häufige Annehmen der wichtigthuenden Amts-M. bei seinen Kollegen. Gutzkow Börne 86; Starrte er mit der Angst- M. des Weinens, aber ohne Thränen auf einen Fleck. Stilling 4, 178; Kamst du nicht mit der Bruder-M. zu mir? Schubart 2, 315, Bruderantlitz, hier etwas Echtes, nicht Angenommenes; Wenn du jetzt eine Lüge wüßtest, mir hinwärfest mit der offenen Engel-M. Sch. 209a; Mit diesen Engels- M–n. Körner 88a; Essig-M–n [saure]. IP. 9, 12; Mit einer wahren Gönner-M. G. 20, 127; Als Todter noch mit dieser Helden-M.; Ihre todte Jammer-M. ruft Himmel und Erde zur Rache. Hölderlin H. 2, 45; So trockenweg und so weinerlich! .. Mit einer wahren Leichenbitters-M. Sch. 148a; Zum Gatten hätte nie genommen ihn Tehmine, | wär’ er gekommen ihr mit solcher Löwen- M. Rückert Rost. 88a; Den Kopf aufwerfen und die Protektions-M. annehmen. Forster Jt. 2, 127; Daß der Bauerjunge alles dies abgeschmackte Zeug mit einer so verwünschten ehrlichen Schafs-M. vorbrachte. W. 1, 181; Ist er dir nie erschienen, | der Fürst von Jthaka, | wenn deine Sünder- M–n | in seinem Reich er sah? Herwegh 1, 9; Schritt sie ihm mit Todesblässe und einer armen [s. d., Anm.] Sünder-M. entgegen. Stilling 4, 178; Damit dich meine Todes-M. nicht erschrecke. LPHahn Hohn. 114; Man merkte . . an seiner Weltkinds-M., | ihn ziehe nicht die heilige Kathrine [in die Kirche]. W. 11, 159.