Faksimile 0071 | Seite 69
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Leber
II. Lêber, f.; –n; –chen, lein; -:
1) das die Galle (s. d. 9) absondernde Organ im menschlichen und thierischen Körper: Die L. liegt beim Menschen in der Bauchhöhle unmittelbar unterm Zwerchfell; Gebratne Gänse-, Kalbs-, Schweine-L.; Bei dem gesellschaftlichen Rundspiele: die L. ist von einem Hecht. Gutzkow B. 168 [als gw. Anfang der L.-Reime, s. d.] etc.
a) Die Leidenschaft, die sich in seinem Herzen oder (wie die Alten meinten) in seiner L. zu bilden anfangen wollte. W. 19, 337; Wenn dieser Blick nicht, wie der schärfste Pfeil von Amor’s Bogen, in seiner L. stecken geblieben wäre. 23, 44; 21, 63; 16, 55 etc.; Kamilla, die .. ihm mit ihren schwarzen Augen stracks durch die L. geschossen hat. G. 34, 264; Hat Amor mir die L. angezündet. 8, 70 etc., vgl. Spr. 7, 23 und s. leberig, auch: Die Mißgunst nagte | ihm an der L. Ramler F. 3, 7 etc.
b) (s. a) (Frei, frisch, dreist, ehrlich etc.) von der L. [vrgl.: vom Herzen, von der Brust, von der Lunge] weg sprechen, reden, urtheilen. G. 9, 28; Zelt. 2, 4; Gutzkow R. 8, 295; Heinse Petr. 1, 113; Holtei Lammf. 1, 317; Klencke Gsp. 1, 69; L. 13, 50; Von der L. weg, wie die Sachsen sich ausdrücken, mit Ihnen zu sprechen. 551 (Heyne); Sprach von der L. und vom Maule weg. IP. 22, 122 etc., auch: Ein Liedchen, das von der L. weg ging. G. 34, 278; Der Akteur, der seine Rolle frei von der eigenen L. erfindet. Gutzkow R. 2, 189. Seltner: Man schmauste von der L. weg [ohne Umstände etc.] | Seespinnen etc. Michaelis 227.
c) Menzel sucht meine Gesinnungen aus meiner L. zu erklären, lässt drucken, ich hätte den Spleen (s. Milzsucht und Galle 9) und sehe den herrlichen deutschen Rosengarten mit schmutzig gelben Augen an. Börne Frz. 5.
d) (vgl. a und c) Die Laus (s. d. 1) kriecht, läuft (s. d. 3f) Einem über die L., überläuft Einem Lung’ und L., so auch: Was ist Ihnen schon wieder über die L. gekrochen? [hat Sie aus der Laune gebracht]. W. 1, 133; Übernacht | kriecht durch die L. ihm, ich weiß nicht was. HB. 1, 29 etc., vgl.: Es kroch mir übern Magen [verdroß mich]. W. 12, 22 und nam. schwäb.: Die L. überläuft mir. Schm. 2, 414, wie: Die Galle läuft mir über.
e) die L. als Sitz des Durstes: Die Qualen der durstigen L. Musäus M. 5, 66; Die L. dorrt mir ein. Uhland 91 etc., s. Zarncke 422a zu Brant Narr. 77, 10. 2) nach einiger Ahnlichkeit:
a) Mutter-L., Mutterkuchen, Nachgeburt.
b) in der ältern Chem. mehrere l.-braune Verbindungen: Antimon- oder Spießglas-L., Arsenik-L. und noch gw. Schwefel-L., ein Gemenge von schwefelsaurem Kali und Schwefelkalium. Mitscherlich etc.
Anm. S. Lab, Anm. und nam. Stalder 2, 152 ff., bei Luther Lebber. 2. Mos. 9, 23 etc. Versch. östr. Leber, m., Grenzhügel, Grenzstein, vgl. ahd. (h)lêo, (h)lêwari etc., Grabhügel, s. Graf 4, 1093; Schm. 2, 528 und Lehne, Anm.