Faksimile 1071 | Seite 1063
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Kuss
Kúſs, m., –es; Küſſe, Küßchen, lein; -: der von
lautrem oder leiſrem Schall begleitete Druck des Mun-
des auf Etwas als Ausdruck eines Gefühls (ſ. küſſen),
ohne Zuſatz gewöhnl. ſolcher Druck auf den Mund als
Zeichen der Liebe ꝛc., vergl. Buß, Goſche, Mäul-
chen, Schmatz: Einem einen K. auf den Mund, auf die
Wange, auf die Stirn geben; Einen K. bekommen; Einer
Schönen ein Küßchen nehmen, rauben, ſtehlen, entwenden ꝛc.;
Küſſe wechſeln; Einen K. auf die Lippen, auf die Hand drü-
cken; Einem Küſſe zuwerfen, indem man die eigne Hand
küſſt und dieſe dann gegen ihn hin bewegt, z. B. als
Zeichen freudiger Bewunderung. Weſt Dian. 3, 5 ꝛc.;
dichtr.: Einen K. küſſen (ſ. d. 1d); Reine, keuſche, un-
ſchuldige, geile, brünſtige, feurige, heiße, ungeſtüme Küſſe;
Ein Küßchen in Ehren; Mit brünſtigen Küſſen den heimiſchen
Boden küſſen, bedecken ꝛc. Vgl. ferner: Noch ſchmecket in
der Abendlaube | der Kuß auf einen rothen Mund. Hölty
104; Ein Kuß von Deinem Mund auf mein em Munde. G.
2, 8 [bei Bettine 1, 187, in ihrer Proſa: auf meinen
Mund]; Der K. der Stirn, der Hand ꝛc., = auf die Stirn
ꝛc. dagegen: Er küſſe mich mit dem K–e ſeines Mundes.
Hohel. 1, 1 ꝛc.; ferner: Grüßet euch unter einander mit dem
K. der Liebe. 1. Petr. 5, 14; Daß er der Liebe K. in einem
ſolchen Grün | noch küſſen werde. Alxinger D. 183; Der K.
der Freundſchaft ꝛc.; Der K. des Freundes, des Verräthers ꝛc.;
An ſolch einem papiernen Küßchen [die der Entfernte brief-
lich ſchickt] hab’ ich nur die halbe Freude. Kinkel E. 157,
ſ. küſſen 1, im Anfang. Gw. nur von Perſ., doch
dichtr. z. B. auch von ſich ſchnäbelnden Tauben ꝛc.,
z. B.: Ein Kuß, den Lesbia mir reichet | .. und der dem
K. der Tauben gleichet. vgl. küſſen 2: Gutzkow R. 9, 494.
Anm. Ahd. chus, mhd. kus, vgl. goth. kukjan, küſſen
(ahd. chussan, mhd. küssen).
Zſſtzg. z. B.: Nimm, o Welt, die letzten Abſchieds-
küſſe. Sch. 5a; Braut-K. 205a; Zſchokke 8, 146 ꝛc., ſ.
Vermählungs-K.; Mit falſchem Bruder-K. verräth mich
Frankreich (vgl. Judas-K.). Sch. 438; Den Dank-K.
erhörter Liebe. VWeber 2, 73; Doppel-K. Schlegel Anton.
1, 5; Erwidrungs-K. (Gegen-K.); Feuerküſſe [feu-
rige] regnen auf den Marmor. Sch. 262b; Ihr Feuer-K. an ſei-
nem Feuer-K–e. Mahlmann 17; Frauen-; Freundes-,
Freundſchafts-; Friedens-K., z. B. der erſten
Chriſten bei ihren Liebesmahlen; Vom Papſt zum Fuß-
K. gelaſſen werden; Mir den Gegen-K. zu bieten. Heine
Reiſ. 3, 153; Ich fühlte noch auf meiner Lippe die Gluth
ihres Gegen-K–es. Zſchokke 1, 135; In jedem ſchmeicheln-
den Lüftchen umſchauerte mich Geiſter-K. Koſegarten Po.
2, 168; Als Fürſten ſich zu ſeinem Hand-K. drängten.
Sch. 243a ꝛc., ſ. Kußhand; Deiner Lippen Honig-K.
[ſüßer K.]. Koſegarten Po. 1, 318; Seinem Inbrunſt-
K. entſäuſeln Wonnen. 2, 247; Judas-K., verrätheri-
ſcher, vgl. Luk. 22, 48; Der Labe-K. [der labende].
Daumer 1, 236; Lehens-K., dem umarmenden Vaſallen
bei der Belehnung vom Lehnsherrn gegeben; Den erſten
Liebes-K., den je mein Mund geküſſt, | nehmt ihn! Alxin-
ger D. 48, auch = Friedens-K., ſ. 1. Petr. 5, 14; Des
Minne-K–es Glück. Müllner 5, 134; Wie über Roſen-
haine | Zephyr haucht den Morgen-K. Grün Gd. 219;
Daß wir [Weiber] den Freund zu unſern Nebenküſſen [die
wir Andern neben dem Ehmann geben] nicht wählen
können. Ramler 3, 95; Pantoffel-K., vgl. Fuß-K.;
Ein K., den mir mein Vater giebet, | ein wohlgemeinter
Segens-K. L. 1, 74; Auch hatte Bertrand ſchon | ..
den Söhnungs-K. auf meinen Mund gedrückt. Alxinger
D. 44; Sühne-K. CRudolphi NGd. 205; Er [der Himmel]
giebt der Erde Strahlenküſſe. Freiligrath SW. 5, 131;
Unſchulds-K.; Des Oheims heil’gen Vater-K. | auf
dieſer Stirne ſchönen Raum gedrückt. G. 13, 242; Daß die
Eine . . | den Vermählungs-K. mir küſſt. B. 73a, ſ.
Braut-K.; Ich küßte den Verſöhnungs-K. 6a; Ver-
ſanken wir beim Wechſel-K. [gewechſelten Küſſen] ein-
ander in den Arm. Baggeſen, vgl.: Wechſelhauch und -Kuß.
G. 1, 192; Man weiß, wieviel ein Weiber-K. | aufs
Männerherz vermag; Wer der Muſe Weihe-K. [weihen-
den] empfing; Zucker-K. (ſ. Honig-K.) ꝛc.