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Kuss
Kúss, m., –es; Küsse, Küßchen, lein; -:
der von lautrem oder leisrem Schall begleitete Druck des Mundes auf Etwas als Ausdruck eines Gefühls (s. küssen), ohne Zusatz gewöhnl. solcher Druck auf den Mund als Zeichen der Liebe etc., vergl. Buß, Gosche, Mäulchen, Schmatz: Einem einen K. auf den Mund, auf die Wange, auf die Stirn geben; Einen K. bekommen; Einer Schönen ein Küßchen nehmen, rauben, stehlen, entwenden etc.; Küsse wechseln; Einen K. auf die Lippen, auf die Hand drücken; Einem Küsse zuwerfen, indem man die eigne Hand küsst und diese dann gegen ihn hin bewegt, z. B. als Zeichen freudiger Bewunderung. West Dian. 3, 5 etc.; dichtr.: Einen K. küssen (s. d. 1d); Reine, keusche, unschuldige, geile, brünstige, feurige, heiße, ungestüme Küsse; Ein Küßchen in Ehren; Mit brünstigen Küssen den heimischen Boden küssen, bedecken etc. Vgl. ferner: Noch schmecket in der Abendlaube | der Kuß auf einen rothen Mund. Hölty 104; Ein Kuß von Deinem Mund auf mein em Munde. G. 2, 8 [bei Bettine 1, 187, in ihrer Prosa: auf meinen Mund]; Der K. der Stirn, der Hand etc., = auf die Stirn etc. dagegen: Er küsse mich mit dem K–e seines Mundes. Hohel. 1, 1 etc.; ferner: Grüßet euch unter einander mit dem K. der Liebe. 1. Petr. 5, 14; Daß er der Liebe K. in einem solchen Grün | noch küssen werde. Alxinger D. 183; Der K. der Freundschaft etc.; Der K. des Freundes, des Verräthers etc.; An solch einem papiernen Küßchen [die der Entfernte brieflich schickt] hab’ ich nur die halbe Freude. Kinkel E. 157, s. küssen 1, im Anfang. Gw. nur von Pers., doch dichtr. z. B. auch von sich schnäbelnden Tauben etc., z. B.: Ein Kuß, den Lesbia mir reichet | .. und der dem K. der Tauben gleichet. vgl. küssen 2: Gutzkow R. 9, 494.
Anm. Ahd. chus, mhd. kus, vgl. goth. kukjan, küssen (ahd. chussan, mhd. küssen).
Zsstzg. z. B.: Nimm, o Welt, die letzten Abschieds- küsse. Sch. 5a; Braut-K. 205a; Zschokke 8, 146 etc., s. Vermählungs-K.; Mit falschem Bruder-K. verräth mich Frankreich (vgl. Judas-K.). Sch. 438; Den Dank-K. erhörter Liebe. VWeber 2, 73; Doppel-K. Schlegel Anton. 1, 5; Erwidrungs-K. (Gegen-K.); Feuerküsse [feurige] regnen auf den Marmor. Sch. 262b; Ihr Feuer-K. an seinem Feuer-K–e. Mahlmann 17; Frauen-; Freundes-, Freundschafts-; Friedens-K., z. B. der ersten Christen bei ihren Liebesmahlen; Vom Papst zum Fuß- K. gelassen werden; Mir den Gegen-K. zu bieten. Heine Reis. 3, 153; Ich fühlte noch auf meiner Lippe die Gluth ihres Gegen-K–es. Zschokke 1, 135; In jedem schmeichelnden Lüftchen umschauerte mich Geister-K. Kosegarten Po. 2, 168; Als Fürsten sich zu seinem Hand-K. drängten. Sch. 243a etc., s. Kußhand; Deiner Lippen Honig-K. [süßer K.]. Kosegarten Po. 1, 318; Seinem Inbrunst- K. entsäuseln Wonnen. 2, 247; Judas-K., verrätherischer, vgl. Luk. 22, 48; Der Labe-K. [der labende]. Daumer 1, 236; Lehens-K., dem umarmenden Vasallen bei der Belehnung vom Lehnsherrn gegeben; Den ersten Liebes-K., den je mein Mund geküsst, | nehmt ihn! Alxin- ger D. 48, auch = Friedens-K., s. 1. Petr. 5, 14; Des Minne-K–es Glück. Müllner 5, 134; Wie über Rosenhaine | Zephyr haucht den Morgen-K. Grün Gd. 219; Daß wir [Weiber] den Freund zu unsern Nebenküssen [die wir Andern neben dem Ehmann geben] nicht wählen können. Ramler 3, 95; Pantoffel-K., vgl. Fuß-K.; Ein K., den mir mein Vater giebet, | ein wohlgemeinter Segens-K. L. 1, 74; Auch hatte Bertrand schon | .. den Söhnungs-K. auf meinen Mund gedrückt. Alxinger D. 44; Sühne-K. CRudolphi NGd. 205; Er [der Himmel] giebt der Erde Strahlenküsse. Freiligrath SW. 5, 131; Unschulds-K.; Des Oheims heil’gen Vater-K. | auf dieser Stirne schönen Raum gedrückt. G. 13, 242; Daß die Eine . . | den Vermählungs-K. mir küsst. B. 73a, s. Braut-K.; Ich küßte den Versöhnungs-K. 6a; Versanken wir beim Wechsel-K. [gewechselten Küssen] ein- ander in den Arm. Baggesen, vgl.: Wechselhauch und -Kuß. G. 1, 192; Man weiß, wieviel ein Weiber-K. | aufs Männerherz vermag; Wer der Muse Weihe-K. [weihenden] empfing; Zucker-K. (s. Honig-K.) etc.