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Kriechen Um-Kriechen um-kriechen
Krīēchen, kroch, kröche; gekrochen; kriechst (kreuchst), kriecht (kreucht); kriech (kreuch):
1) intr. (sein und haben s. Anm.): eig. sich am Boden hin, ohne sich viel darüber zu erheben, also niedrig, geduckt etc. erstrecken oder sich so langsam und schleichend fortbewegen und danach auch übertr.: Man kann die Ortsbewegung in zwei Hauptklassen theilen, in solche, welche ohne Glieder geschieht, das K., und in die mit Gliedern. Oken 4, 231; Schnecken, Würmer, Raupen etc. k.; Alles Gewürm, was auf Erden kreucht. 1. Mos. 1, 26; Alles was auf dem Bauch kreucht. 3, 11, 42; 44 etc., dann auch (vgl. v. 29) von Thieren, welche gehen, insofern sie nämlich dabei niedrig, in geduckter Stellung oder langsam schleichend, schneckengleich oder heimlich, versteckt sich fortbewegen (doch s. Anm.), so auch von Menschen, insofern sie auf allen Vieren langsam sich fortbewegen etc.: Kinder k., ehe sie gehn lernen; Er wächst, er kreucht, er richtet an Stühlen sich empor. Chamisso 3, 59; Der Verwundete kroch auf Händen und Füßen in die Höhle; Ins Bett k., schlüpfen; Die Maus kriecht ins Loch, der Dachs, der Dachshund in den Bau; Daß er möge in die Steinritzen und Felsklüfte k. vor der Furcht des Herrn. Jes. 2, 21; Daß mir das Sehen schier verging | und ich irr zu k. anfing. Rollenhagen Fr. 525 etc.; Vögel k. aus dem Ei, Säugethiere aus dem Mutterleib; Sind Sie erst gestern aus dem Ei gekrochen? Holtei Ob. L. 1, 137; Warum bin ich nicht der Erste aus Mutterleib gekrochen? Sch. 105b etc.; Von dem Ufer .. | krochen .. eine Wassermaus und Kröte | an den Bergen in die Höh. Lichtwer 150; Die Pferde krochen wie Schnecken über den Sand. Thümmel 1, 16 etc. Ferner von Pflanzen: Ein Stengel heißt k–d, wenn er liegend überall mit Wurzelfasern befestigt ist; Ein Gewächs kriecht, wenn seine Zweige und Ranken nahe am Boden fortlaufen etc.; ferner übertr. und bildlich, z. B.: Wo das Blut nicht hinläuft, da kriecht es hin. (Sprchw.), das Gefühl für Blutsverwandtschaft macht sich auch, wo es sich nicht sofort lebhaft regt, doch, wenn auch langsam und allmählich, geltend etc.; Nur ein Streif von weißem Nebelrauche | kriecht durch die Meeresöde lang und weit, | als wälzte fraßesmatt, träg auf dem Bauche | dahin die Schlange sich der Ewigkeit. Grün Gd. 194; Dennoch würde die Empörung nur schüchtern und still am Boden gekrochen sein, hätte sie nicht an dem Adel eine Stütze gefunden, woran sie furchtbar emporstieg. Sch. 799b; Durch labyrinthische Sophismen kriecht | mein unglücksel’ger Scharfsinn, bis etc. 346b; Aber an meine Blume soll mir das Ungeziefer nicht k. [meine Geliebte soll das niedrige schändliche Gesindel nicht mit seinem Gift verunreinigen etc., s. u.]. 202a etc. So auch in Bezug auf den Geist, insofern er, am Staube haftend, sich nicht hoch erhebt, keinen hohen Flug nimmt etc., z. B.: Gegen mich kriecht Milton. L. 1, 273 etc., und nam. oft in Bezug auf die eines Mannes unwürdige sich in den Staub erniedrigende Demuth und Knechtesgesinnung, wie denn auch der Kriechende selbst Wurm, Ungeziefer (s. o.) etc. heißt, vgl.: Zu oder zum Kreuz (s. d. 2h) k.; Zu meinen Füßen kreuch, du Wurm! Chamisso 3, 284; Sich bücken und schmeicheln und k. L. Gal. 2, 4; Um Erdengötter klein zu k. Paleske Sch. 1, 188; „Wenn es nach deinem Kopfe ginge, du kröchst dein Leben lang im Staube“ [bliebst in der Niedrigkeit]. O immer noch besser, Vater, als ich kröch’ um den Thron herum. Sch. 186b; K–s nicht bedarf der Mann,| der noch kräftig schreiten kann. Werner Osts. 1, 21 etc.; Vor Einem k., dichtr. auch mit bloßem Dat.: Thuiskon’s Ab- art, kroch er dem Pfaffen Roms. V. 3, 8 etc.; Nach etwas zu Erreichendem, um etwas zu Erlangendes k.; Heim zur Stadt und kriech’ um Gold! Boie (Matthisson A. 8, 145) etc., s. 3. Nam. auch oft im adjekt. Partic.: K–d = niedrig, z. B.: Ein k–der Stil; Der k–dste Schmeichler; Mit erde-k–der Bosheit. Kl. M. 6, 386 etc. 2) zuw. unpersönl., sprichwörtl.: Es kroch mir übern Magen. W. 12, 22 = es verdroß mich, vergl.: Es kribbelt mich; Das Würmlein läuft mir in die Nase; Die Laus (s. d.) läuft, kriecht mir über die Leber (s. d. 1d und die Stellen dort) etc. Alles Wendungen, die den Verdruß als etwas Prickelndes etc. bez. 3) zuw. refl., nam. in übertr. Bed. mit Angabe des Erfolgs (s. †sich): Er kriecht sich adelig und reich. V. 4, 184. 4) Dazu (selten): Bei seinen Wanderungen und Kriechungen unter den Gletschern. Tschudi Th. 486. etc. und Kriecher (s. d.).
Anm. Ahd. chriohhan, mhd. kriechen. Die Formen mit „eu“ im Präs. alt, obrd. und noch dichterisch (s. o. und z. B.: Was da kreucht und fleugt. Sch. 532, vgl. 1. Mos. 9, 2, im allgm. Sinn der Bewegung wie bei Homer ἔρπeτóν etc.). Gew. das Hilfszeitw. „sein“, doch auch „haben“, wenn nicht sowohl die Ortsveränderung als die Art und Weise der Bewegung (eig. und übertr.) bez. werden soll: Das Kind hat lange gekrochen, ehe es zu gehn anfing; Er hat vor dem Gönner gekrochen und sich bis in den Staub gedemüthigt etc. Ein entsprechendes Hw. (wie Flug von fliegen; Gang von gehen; Lauf von laufen etc.) ist unüblich, vgl.: Zum Schnecken- gang verdorben, was Adlerflug geworden wäre. Sch. 107a; 112betc. Schwzr. kruchen (vgl. krächseln (3). Schm.; umkröcheln. HSachs G. 1, 96 etc., s. krächzen, Anm.), plattd. krupen, vergl. engl. creep etc., dazu als Fortbildung: Kröpel, Krüppel, zunächst wohl: Einer, der nicht gehn, sondern nur kriechen kann, vergl. krüps, kleines verkrüppeltes Ding. Frommann 3, 134 etc., und demgemäß auch wohl in mehr verhochdeutschter Form: kraufen, krauchen. Versch.: Krauch, m., Athemzug. Gotthelf G. 326.
Zsstzg. wie bei ähnl. Zeitw. der Bewegung, vgl. gehen, laufen, schleichen etc. Als intr. meist mit sein etc., z. B.: Áb-: fort-, weg-k.
Án-:
1) intr. (sein): sich kriechend nähern etc.: Angekrochen kommen; Dort [in den Gesellschaften der großen Welt] nur so eben a. zu dürfen. Kl. 12, 359 etc.
2) tr.: Einen a., an ihn herank. und ihn be-k.: Von Raupen, von dem niedern Geschmeiß, von Schmarotzern angekrochen werden etc. Aūf-: hin- auf-, empor-k.: Wie an der Wand aufkriechet der Epheu. Aūs-:
1) intr. (sein): heraus-k. Uhland V. 649 etc., nam. kriechend ausgehn (aus dem Hause, Bau etc.; kriechend ausschlüpfen (aus dem Ei) etc.; (Schiff.) Der Wind kriecht aus und ein, mallt (s. d.).
2) tr.: vollständig durch-k. (s. d. II.): Der Tag ist vorüber und die Stadt in allen Winkeln ausgekrochen. Vogt Oc. 1, 206. Be- tr.: Etwas, Einen b., darauf herum-k.: Sie werden dichb., die Ameisen. L. 10, 263; Sie stieß den zurück-k–den, mit Krebsscheren umhergreifenden Argwohn weit von sich. .. Das von ihm bekrochene Herz zu reinigen. I. 39, 27; 40, 9 etc. Dahêr-, dahín-. I. Dúrch-, intr. (sein): durch Etwas hindurch kriechen: Wer nicht über ein Ding springen kann, der muß unten d. Weidner 17 etc., auch (s. II.) mit Accus.: Wenn ich meine Spanne Raum| durchgekrochen bin. Göckingk 1, 64 etc. II. Durch-, tr.: doch auch zuw. mit „sein“: kriechend durchgehen (s. d., II. und Anm.): Hat die Pyrenäen bereist, Das will sagen durchkrochen. Börne 3, 215; Ohne die niedern Stufen des Schuldienstes durchkrochen zu sein. Garve Br. 102; Manchen Wald habe ich durchwandelt, .. manche Ruine durchkrochen. G. 6, 331; 25, 176; 40, 278; Vorher hatte er .. ganz Deutschland durchkrochen und durchflogen. H. Ph. 13, 81; Da ich den Waterloo [das Bild] recht durchkrochen bin. Merck’s Br. 2, 191; So von Flammen in allen Nerven durchkrochen. IP. 31, 55; Als er .. Häuser und Hütten durchkrochen hatte. Stilling 4, 36; Heiliges Feuer erhebt sich und brennt den Körper d–d. V. Georg. 235; Hat er .. manche Kluft durchkrochen. W. 20, 200 etc. Auch veralt.: Geiz .. | durchkreucht den Leuten die Glieder aus [alle vollständig, s. aus-k. 2]. Hammer RH. 308. Eīn- intr. (sein): 1) hinein-k.: Ein Kleiner kann sich einschmiegen und e., wo ein Großer nicht einmal hinriechen darf. Arnim 53; Wir sind in die Tiefen der Erde eingekrochen. G. Stein, 1, 334; Wie wir Alle leider mit dunkeln Sinnen in die schöne Natur e. und uns gegen sie abstumpfen. IP. 21, 81, s. aus-k. 1. 2) einschrumpfen, s. zusammen-k.: Daß ein verstümmelter Rumpf [eines Polypen], sowie er die verlornen Theile wieder hervortreibt, auch in gleichem Maße einzukriechen und kürzer und dünner zu werden scheint. Blumenbach Bildungstrieb 29; Die Haut ist .. schrumpfig eingekrochen. Mühlpforth Geistl. 17; Die Sonne kroch jetzt ein zu einem einzigen rothen Strahl. IP. 3, 153; 127; Übrigens wird die deutsche Sprache sogar durch die größte Gastfreiheit gegen Fremdlinge niemals verarmen oder e. 7, VII. 3) refl. [3]: Einhêr-. Empōr-. Ent-: woher kriechen, kriechend entgehen: Entkrieche meinen Blicken! Gotter Sch. 22; Der Wand entkreucht | der Skorpion. Uhland 223. Entgêgen-: Seine Augen tragen ihn bis zum Sonnenziele der Gottheit, aber er selbst muß erst träge und mühsam durch die Elemente der Zeit ihm e. Sch. 753a; FMüller F. 143 etc. Er-, tr.: durch Kriechen erreichen: Mit erkrochnem Ordensstern. Göckingk Lieb. 24; Welche Begierde fühl’ ich . . über den schauerlichen Abgründen zu schweben! .. Soll ich denn immer nur die Höhe e., am höchsten Felsen, wie am niedrigsten Boden kleben. G. 14, 159; Sie e. mit klebrichter Beharrlichkeit die Höhe des Bürgermeisterthums. Heine Reis. 4, 127; Almosen der Schwachherzigkeit e. Lichtenberg 3, 199 etc. Fórt-: weg-k.: Er wimmelt von Ungeziefer, so daß es fast mit ihm fortkriecht etc. Hêr-, Hín- etc.: Her-, heran-, heraufetc. gekrochen kommen; Über gewisse Schwierigkeiten hinauszukommen, unter deren Last man sonst sein ganzes Leben hinkriecht. G. 24, 40; Kreuch zum Gezücht der Deinen hin. Ramler F. 1, 12 etc. Kam Mamsell herausgekrochen. G. 35, 411; Ehe wir zu dem Zaum wieder hinauskrochen. 25, 87. Krieche nur, du kleiner Docht, hinein, | mein Lämpchen brennt .. sonst gar zu hell. Göckingk Lieb. 82; Wie .. die Engländer leicht und frivol zu werden suchen und in jene Affenhaut hinein-k., die jetzt die Franzosen von sich abstreifen. Heine Reis. 4, 174; Ich hätte, wie man zu sagen pflegt, in die Erde hinein-k. mögen [vor Scham]. W. Luc. 1, 345 u. ä. m. Nāch-: kriechend folgend, verfolgen etc.: Da Schmähsucht . . | mir tückisch flüsternd nachgekrochen. Uz 2, 150; Dem Stelzenschritt oder dem Nachkeichen, Nachhinken und N. der Nachahmer. W. 13, 174 etc. Nīēder-. Über-, tr.: überschleichen: Melancholisch überkriecht uns der Gedanke. Heine Reisen 3, 209; Etwas ü., darüber hinkriechen, es kriechend bedecken: Den [Teich] überkrochen .. Sumpfmoose Freiligrath SW. 4, 147. I.
Um-, umher kriechen:
Welcher in den Feldern und Weingärten umkreucht. Schaidenreißer 2b; U–d Moos. Rosenkranz Centr. 31; Auch u–de Queck’. V. Th. 13, 42 etc. II.
Um-, tr.:
Etwas um-k., um dasselbe herum-k., sich kriechend herumwinden: Ihn umkrieche der sengende Molch. Böttiger Sab. 250; Von Spinnen umkrochen. Kohl A. 1, 34; Soviel Land als ein Krüppel würde um-k. können. Musäus M. 4, 88 etc.; nam. auch von Pflanzen: Ein Haus, von Reben umkrochen. EKleist 2, 15; Den .. Eingang hat ein Epheunetz umkrochen. Nicolai 1, 246; Ulm, dessen Stamm Wein umkroch. Ramler 93 etc. Auch: Kamen nach der Umkriechung einiger Baien zum Vorgebirge. Kohl Irl. 2, 413 etc. I. Unter-: unter etwas Schützendes, Deckendes kriechen; sich duckend ein Unterkommen finden etc.: Es giebt ein schönes Bild, nur zu groß für unsere nordischen Wohnungen. Ich werde wohl wieder dort unter-k., das Portrait aber wird keinen Platz finden. G. 23, 183; Eine Zeit, wo man Gott dankt, wenn man irgendwo unter-k. kann. 9, 190 etc.; (Bergb.): mit dem Bau unter der Erde den Anfang machen; Ein Gang ist untergekrochen, sinkt unter ein Gestein in die Tiefe, oder: es liegt noch ein Dach von Gesteinen über ihm. II. Unter-, tr.: Etwas u., durch Kriechen unter dasselbe gelangen: Daß der junge Kuckuck .. seine schon ausgekrochenen Stiefgeschwister rücklings unterkriecht .. und sie .. hinauswirft. Winkell 2, 476. Ver-, refl.: 1) (selten) sich kriechend erniedrigen: Bist du nicht .. frei, edel geboren? .. Verkriechst dich zum ersten Hofschranzen eines Pfaffen! G. 9, 26; So gern du dich auch zu den Würmern verkröchest, | was in dir fühlt und denkt, ist ewig. W. 26, 65 etc. 2) sich kriechend verbergen (s. d. und bergen 2a, in Bezug auf die Fügung) oder verstecken: Die Männer .. verkrochen sich in die Höhle. 1. Sam. 13, 6; Verkroch sich die Schlauheit in ihrer dunkelsten Höhle. Börne 2, 265; Er hatte dort sich in das Heu verkrochen. Chamisso 4, 128; Wo verkrieche ich mich hin? G. 6, 340; Der sich wie ein Dachs in seinen Winterbau verkrochen hatte. Kohl A. 1, 234; Die Augen, die ganz Genua in knechtisches Zittern jagen, müssen sich jetzt vor den Thränen eines Weibes ver-k. Sch. 163a; Vor dem König | verkriecht sich seine Leidenschaft. 264b; Verkriech ich mich | dann zitternd. Tieck Makb. 3, 4; Schon verkriecht sich ihr zagendes Haupt in dem Boden. V. Georg 3, 422; Sich unter [oder hinter] seinen Vater zu ver-k., daran war gar nicht zu denken. W. 27, 170 etc. Auch: Sich (vor, gegen Etwas) ver-k. [verstecken] müssen, als unvergleichlich dagegen zurücktretend: Die Helena .. muß sich ver-k. vor der Wahrheit. SClara (Wackernagel 3, 1, 915); Lärvchen, vor denen sich ein .. Christenantlitz ver-k. muß. Gotter Sch. 280; Was lobt man viel die Griechen? | Sie müssen sich ver-k., | wenn sich die teutsche Muse regt. Leibnitz 1, 434. Vōr-: hervor-k. Vorǖber-: Daß noch fünf ganze Monate mit schweren bleiernen Füßen v. werden. W. 23, 172. Zū-: Gleich dem Leu’n, der leise, leise zukriecht auf ein sterbend Feuer. Freiligrath SW. 4, 194. Zurück-: Daß 1000mal sich das entsetzliche | Geständnis schon auf meinen Lippen meldet, | doch scheu und feig zurück zum Herzen kriecht. Sch. 246a; Flugs in meine Schale zurückzukriechen [schneckengleich]. W. 9, 4. Zusámmen-: zusammenschrumpfen, ein-k. (s. d.).