Faksimile 0987 | Seite 979
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vollkommen
III. Voll~kómmen (––), a.:
eig. Part. des vralt. Zeitw. voll-k. (ahd. follechomen; mhd. vol(len)komen), das die Bed. hat: ans Ende von Etwas kommen, vollenden, vollbringen, daher: 1) sinnvwdt. mit „vollendet“: ganz Das, was und ganz so, wie Etwas seiner Bestimmung nach sein soll, seiend, bald in strikterem, bald in larerem Sinne gebraucht (vgl. vollständig): V. ist nur Gott; daher auch verstärkt: DerAll-v–e. Kant ph. Rel. 203 etc.; Darum sollt ihr v. sein gleichwie euer Vater im Himmel v. ist. Matth. 5, 48; Wenn der Jünger ist wie sein Meister, so ist er v. Luk. 6, 40; Der da aber ewig lebt, Alles, was Der macht, ist v. Sir. 18, 1; Wer in keinem Wort fehlet, Der ist ein v–er Mann. Jak. 3, 2; Wenn aber kommen wird das Vollkommen[e], so wird das Stückwerk aufhören. 1. Kor. 13, 10 etc.; Jemand ist ein v–er Meister, Maler, Dichter, Künstler, Schuft etc.; Der v–ste Meister des Jahrhunderts; Ein v–es Meisterstück, Gemälde, Gedicht; Man konnte keine v–ere Darstellung wünschen; Er ist das v–e Abbild seines Vaters; Das macht meine Freude, mein Glück, mein Unglück v.; Das ist v. [durchaus] ausreichend, genügend, so gut wie das Andre etc.; Dort fühlt’ ich mich v–er (⏑–⏑–) genesen. G. 6, 97; Doch ist keins der Werke v. ausgedacht, völlig zusammengedacht. 31, 52; Ein aller-v–ster Wille thut es bloß deßhalb, weil es gut ist. Kant ph. R. 176; Wahrem Eifer genügt, daß das Vorhandne v. (⏑–⏑) | sei; der falsche will stets, daß das V–e sei. Sch. 91a; Die Welt ist v. (⏑–⏑) überall, | wo der Mensch nicht hinkommt mit seiner Qual. 513a etc. 2) Daran schließen sich einige besond. Anwendungen:
a) Botan.: V–e Blumen, die männlich und weiblich zugleich sind, gw. Zwitterblumen.
b) Mathem.: V–e Quadrat-, Kubikzahlen, Potenzen, deren Wurzel,eine Rationalzahl ist.
c) Schneider. etc.: von Kleidungsstücken, reichlich weit.
d) im gw. Leben = korpulent, dick, stark, völlig. 3) nam. zu 1 gehört: Vollkommenheit, f.; –en: das V.-sein und (mit Mz.) eine zum V.-sein dienende Eigenschaft, etwas V–es: Die V–heit Gottes, eines Künstlers, eines Kunstwerks; Das erste Mal, daß er ein Theater in solcher V–heit sah. G. 16, 301; Indem er sich mit allen V–heiten und Tugenden durchdringt. 30, 16; Mit dem Ausdruck geht’s hernach, wie bei der Musik: er ist die Blüthe der V–heit, aber nicht eigentlich die V–heit selbst. Heinse A. 1, 280; 2, 80; Zwar ist V–heit ein Ziel, das stets entweicht, | doch soll es auch erstrebt nur werden, nicht erreicht. Rückert W. 1, 164; Eine v–e Büberei ist auch eine V–heit. Sch. 199a etc.; Etwas aus eigner Macht-V–heit thun, ohne fremde Ermächtigung oder Bevollmächtigung, indem die eigne Macht dazu vollkommen ausreicht oder Einem doch so erscheint, s. Eigenmacht.
Anm. Nbnf.: Vollenkommen. Brockes 9, 234; 551; Vollenkommenheit. 517; 519; 1, 396; Hagedorn 1, 20; Da wird der halbe Mensch ein vollenkommner 123* Mann. Rachel 3, 28; Gott, der allein vollkommenlich. Zwingli 2, 206, und als Adv. Stumpf 525b; 609a; Vollkommentlich. Leibnitz 2, 49; Vollkommlich. Fischart B. 38a; Vollkömmlich [in vollem Maße] werden sie über dich kommen. Jes. 47, 9; Hiob 11, 7; Luther 5, 121a; 6, 10a; 484a etc. Nicht zu verwechseln mit dem von dem Zeitw. „vervollkomm(n)en“ hergeleiteten: Vervollkommlich: was sich vervollkommnen lässt, vervollkommnungsfähig, perfektibel, und dazu: Vervollkommlichkeit: Perfektibilität. W. 29, 171; 177; 184 etc. Zstzg.: Áll-: s. [1]. Mácht-: s. [3]. Un-: Ggstz. von vollkommen, z. B.: Der Mensch ist ein u–es Geschöpf; Die u–e [nicht volle] Scheibe des rothen Monds. G. 11, 169; Der Mond, zwar u., aber leuchtend hell. 12, 103; Noch bleibt es [das Gedicht] unvollendet, | wenn es auch gleich geendigt. | Allein war ich besorgt es u. | dir hinzugeben, so etc. 13, 108. An Voll- und U–heiten | hat jedes Ding bei uns zwo Seiten. Brockes 9, 557; Vollkommenheit! welch Bild an Pracht und Anmuth reich! | .. doch ach welch Gegenbild der U–heit. Lichtwer 165 etc.