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Kein
Kēīn, pron. adjectiv.:
das Nichtstatthaben. des Satzes, worin es sich findet; das Nichtvorhandensein des danebenstehenden oder des zu verstehenden Hw. zu bez. = nicht ein, in Mz.: nicht welche; nicht etwas etc.:
1) Abwandlung, wie bei „Dein“ (s. d. 3d und 4a und vgl. „Ein“ Anm. 1, doch auch: „keinenfalls“ neben „keineswegs“). Die Flerionsendung tritt im männl. Nom. (k–er) und im sächl. Nom. und Acc. (k–es oder häufiger k–s) hervor, wenn nicht unmittelbar das zugehörige Hw. folgt (s. 6, 7 und 8), sonst gilt hier flerionsloses „kein“ und ein zw. k. und dem Hw. stehndes Ew. hat nach diesem flerionslosen k. starke Flerionsform: K. froher Tag neben: k–es frohen Tages, k–em frohen Tage; Von ihm erwart’ ich k–e frohen Tage. G. 13, 231 etc., wofür Campe irrig „k–e frohe Tage“ verlangt, wie sich diese Form allerdings fand und vereinzelt findet, z. B. Börne 2, 224; Hagedorn 3, 152; Heinse A. 2, 11; Zinkgräf 1, 319. Vgl. auch mit substant. Ew.: Ihr habt in uns k–e Leibeigen en vor euch. Gutzkow R. 3, 431.
2) K. bez. das Nicht-Statthaben des Satzes, worin es sich findet, was durch Beifügung des entsprechenden Fragesatzes bes. klar hervortritt: „Jst bei Gott ein Ding unmöglich?“ Bei Gott ist k. Ding unmöglich; „Giebt es ein Ding, das Gott nicht möglich sei?“ Es giebt k. Ding, das Gott nicht möglich sei (s. 4); „Heckt ein Adler eine Taube?“ K. Adler heckt eine Taube oder: Ein Adler heckt k–e Taube, auch (s. 9): K. Adler heckt k–e Taube; „Ist eine Rose im Garten?“ Es ist keine Rose im Garten; „Hat eine Katze zwei Schwänze?“ K–e Katze hat zwei Schwänze; „Ist das eine Fontäne?“ Alles in der Welt nur k–e Fontäne. Merck 2, 281; „Weiß Das Jemand anders als er?“ Das weiß K–er (= k. Andrer) als er, K–er außer ihm; Aus k–em [andern] Grunde, als weil; Der Verlust k–es [andern] Sinnes (s. 5) macht so bitter wie der Verlust des Auges. Gutzkow R. 7, 303; „Hat er dir das Buch, ein Buch geschickt?“ Er hat mir k. Buch oder k–s geschickt; „Hat er dir Bücher, die Bücher geschickt?“ Er hat mir k–e Bücher geschickt; „Hat er dir die 5 Thaler gegeben?“ Er hat mir k–e 5 Thaler gegeben; „Ist es wohl schon 5 Minuten her?“ Es ist noch k–e 5 Minuten her; Vork–er Viertelstunde. Hebel 3, 182; Ich sehe meinem Processe unter k–en 4 Monaten ein Ende. L. 11, 94; „Ließ sich Undine hören oder sehen?“ K–e Undine ließ sich hören oder sehen. Fouqué 8, 15; Als der Kondukteur immer und immer nicht kommen wollte, wurde ein Postbedienter abgeschickt ihn zu suchen. Der fand k–en Kondukteur. Hebel 3, 102; Ich habe ihn mit k–em Auge gesehn, bin mit k–em Fuß da gewesen, habe mit k–em Gedanken an ihn gedacht; Es ist k–e [nicht einmal] Spur davon übrig; „Sind Das etwa häßliche Mädchen?“ Es sind k–e häßlichen Mädchen [mit betontem Ew., sondern hübsche]; K–en vorübergehenden Werth ansprechen dürfen [sondern einen dauernden]. Gutzkow R. 1, 345; Die Rüstung zeigt mir k–en schlechten Mann. Sch. 472a; Das ist k. niedriges Spiel; In k–er Weise (s. k–erlei); Unter k–er Bedingung; In k–em, auf k–en Fall, s. k–enfalls, k–esweges etc.
3) K. bez. das Nichtvorhandensein des danebenstehnden oder zu verstehnden Hw. (= nicht ein), eine freilich in 2 mitenthaltne Bed., die aber bes. Beachtung verdient, vgl. in 2 die Bsp. aus Fouqué und Hebel: Der fand k–en Kondukteur = den best. Kond. nicht, was aber auch in anderm Zusammenhang bez. könnte: nicht einen der Kondukteure; Da ist K–er, der Gutes thue, auch nicht Einer. Ps. 14, 4 etc. Auf der Vertauschung der versch. Bed. beruht z. B. der Trugbeweis, daß eine Katze drei Schwänze habe. Denn, heißt es (nach 2): K–e Katze hat zwei Schwänze. Eine Katze hat natürlich einen Schwanz mehr als k–e Katze. Da nun k–e Katze zwei Schwänze hat, hat eine Katze deren drei etc. Vgl. auch das Räthsel von dem [zwei] Apfel tragenden Baum, nach welchem ein Knabe einen Stein warf, so daß k–e Apfel herunterfielen [sondern nur ein Apfel] und auch keine Apfel oben blieben [sondern ebenfalls nur einer] u. ä. m. (s. 4).
4) In vielen Fällen ist die Verbind. von k. mit der Mz. und mit der Ez. vom Hw. fast gleichbedeutend: K–en oder k–e Kameraden haben, ebenso: K–e Genossen, Freunde, Diener etc.; Jch bekam k–e Zeitungen oder Zeitung zu lesen etc., vgl. nam.: K–e Gesetze waren noch vorhanden. ... K. Gesetz war noch da. Sch. 1010b, wo nur die Stellung gewöhnlicher lauten würde: Noch waren etc. und bes. bei Wörtern, die ausschließlich oder hauptsächlich in der Mz. vorkommen: K–e Eltern, Geschwister, Leute, Hilfsmittel, Hilfsquellen ha- 112* ben; Sein Ehrgeiz kennt keine Grenzen, Schranken; K–e Kosten scheuen etc. Doch hat in andern Fällen die Anwendung der Mz. selbst bei Hw., die nur als Plurale vorkommen ihre Härte. So wird man z. B. lieber sagen: Es giebt k–e (solche) Eltern, die Das gern sehn, als: K–e Eltern sehn Das gern, vgl. dagegen: K. Vater sieht Das gern; K–e Leute sind eingebildeter als die Beschreiber ihrer Empfindungen. Lichtenberg 1, 323 (gw.: Es giebt k–e eingebildeteren Leute als etc.); K–e Urtheile sind gemeiner als diese und k–e können falscher sein. 3, 484 (gw.: Es giebt k–e Urtheile, die gemeiner sind und falscher sein können) etc.; ferner: Sonst ist es keinen (häufiger: k–em) Genossen erlaubt. Möser Ph. 3, 199 etc. Vergl.: Diesen Akteurs könne man so Etwas anvertrauen oder keinen. L. 7, 42; Diesem Akteur oder k–em etc.
5) Abhäng. Satzverhältnisse wie bei verneinten Sätzen überh., z. B. ein verneinter Relativsatz, dessen Verneinung sich mit der vorangehnden gleichsam aufhebt, s. die ersten Bsp. in 2; ferner solcher Relativsatz oder ein verneinter Satz mit „daß“ nach voraufgehendem „so“ etc.: Es ist k. Feind so klein, daß er oder der dir nicht schaden könnte; Es ist k–e Frau so ruchlos, die nicht einen kleinen Winkel des Paradieses in ihrem Herzen trüge. Börne 2, 277; K. Starker ist so stark, so rasch ist nicht der Rasche, | den überwältigend sein Tag nicht überrasche. Rückert Rost. 114a etc. Statt dieser abhängigen Sätze stehn aber auch (der Form nach) unabhängige Sätze ohne die Verneinung: Es ist k. Feind so klein, er kann dir schaden; K. Blümchen blüht ver- einsamt hier am Strande, | es spricht zu mir und meldet stille Grüße [= das nicht zu mir spräche]. KlGroth 76; K. Köhl ist je so alt und essigsauer, | es kommt der Koch, ihn wieder aufzuwärmen. 119; K. Betrüger ist so schlau, er verrathet sich. Hebel 3, 3; Es ist k. Gerücht so klein, es ist immer ’was Wahres daran. Klencke Parn. 2, 211; Es ist nie k. Kleid so feiertäglich gewesen, es ist endlich ein Alltagskleid daraus worden. Zinkgräf 1, 160 etc. Eine ähnliche Umwandlung gilt auch für die verneinten Bedingungssätze in Sätze ohne Verneinung mit dem entsprechenden „denn“, z. B.: Es kann K–er entschieden darüber urtheilen, wenn er nicht oder: außer wenn er in derselben Lage gewesen = er sei denn in derselben Lage gewesen.
6) substantiv.: K–er = k. Mensch, Niemand (vgl. Nichts = k. Ding), ohne Rücksicht aufs Geschlecht, seltner so den Geschlechtskompler bezeichnend (s. Herrig 20, 114) das Neutr.: K–s, z. B. Novalis 1, 41; Rückert Rost. 21b etc., vgl.: So fest umarmt, als wären sie [Hüon und Amanda] zusammen- | gewachsen, k–es mehr sich seiner selbst bewusst. W. 20, 187 etc. Für den Genit., der formell mit dem Neutr. zusammenfällt, häūfiger: k–es Menschen, z. B.: Ich entsinne mich K–es (oder gw.: k–es) Menschen, der etc.; abhängig von einem Hw. steht er diesem in der Regel voran (s. g. sächs. Genit.), z. B.: Das steht in K–es (oder k–es Menschen) Macht.
7) Mit abhäng. partit. Vh., zumeist durch Präp. bez., vor (unter), zuw. auch (bei Sammelnamen) in, aus, z. B.: K–er von (unter) seinen Freunden; K–er im oder aus dem Volke, Heere, unter der Menge; Es ist dir k–er gleich unter den Göttern. Ps. 86, 8; Unter seinen Knechten ist k–er ohne Tadel. Hiob 4, 18; K–er unter (Hos. 7, 7), von ihnen. Joh. 17, 22 etc.; Mir gefällt k–er von all diesen Romanen, k–s von diesen Büchern, von diesen Büchern k–s etc. Statt Dessen auch (zumal in Mz.) der Genit.: K–er seiner Freunde oder: Seiner Freunde k–er etc.; K–er des Heers (gw.: der Soldaten); K–er dieses bösen Geschlechts (gw. aus etc.); K–s dieser Bücher; Ich bin K–er Derer oder von Denen, die etc.; Diese Bücher sind alle nicht schlecht, keins derselben ist aber so gut wie die frühern; Derer soll K–er das Land sehen. 4. Mos. 14, 23; Derer, die ich kenn’, ersetzt ihn K–er. Rückert (s. Der Anm.); Unser K–er lebt ihm selber. Röm. 14, 7; Weish. 2, 9; Der Das vermag, was unser K–er kann. G. 12, 17 etc., g.: K–er von uns (s. auch 8 am Ende), indem der Genit. hier bei pers. Fw. seltner ist und z. B. bei „all“ gradezu ugw., z. B.: K–er von Allen; k–s von all diesen Büchern etc., nicht: K–er Aller etc.
8) Während in der Regel k. vor dem zugehörigen Hw. steht, kann dies auch, wenn es Subj. oder Obj. ist, nachdrücklicher an die Spitze des Satzes treten und k. (vergl. über die Form 1) folgt nach: Engel 12, 198; Fallmerayer Mor. 1 34; Ich habe allerlei Bekanntschaft gemacht, Gesellschaft habe ich noch k–e [etwa = nicht] gefunden. G. 14, 10; 21, 46; Mist war fast k–er vorräthig. Gotthelf Sch. 67; Kuchen ist k–er mehr. G. 70; Geld hatte sie k–s. Sch. 254; U. 2, 96; Gutzkow R. 2, 136; 150; 5, 41; Champagner wird fast gar k–er getrunken. Hackländer Stillfr. 1, 161; Sold. 11; Hdl. 2, 5; Geld hab’ er k–es. Hebel 3, 23; Ausschweifungen gab es fast k–e. H. Ph. 10, 47; Höfer V. 96; Kohl A. 1, 76; JvMüller 1, 519; Platen 7, 13; 15; 93; 109; Sch. G. 1, 266; FSchlegel Al. 43; Stahr Jahr 1, 379; W. Merck 2, 179 etc. Vgl.: Wir können K–er dafür. Mendelssohn 4, 2, 352, gw.: K–er von uns kann etc. (s. 7).
9) Verstärkung von k. wie der verneinenden Partikeln überh. durch vorangehndes: durchaus; gar; schlechterdings (absolut, partout); Alles in der Welt, nur etc. (vgl. auch: überall, ewig, irgend 4), ferner durch nachfolgendes: je, irgend etc., ferner durch Verdopplung der Verneinung (s. Anm.): k. nicht, k. nie etc., oft in der Volksspr. und, wenn auch in der gw. Schriftspr. (zumeist wohl durch den Einfluß der auf s. g. Korrektheit dringenden Grammatiker) vermieden, oft in der Bibel und bei vielen, darunter unsern mustergültigsten Schriftstellern, z. B. Hiob 30, 28; Luk. 22, 35; Alexis H. 1, 2, 198; Brockes 9, 263; Chamisso 3, 64; 303; Fischart B. 10a; Gellert 1, 275; Gleim 4, 232; G. 7, 22; 69; 11, 152; 162; 18, 116; Hagedorn 1, 92; 95; 2, 26; Hölderlin H. 1, 70; Kl. Od. 2, 130; M. 6, 209; 232; L. 11, 322; Lichtwer 245; Luther 5, 530b; 8, 180a; 251a; Musäus M. 1, 60; 3, 116; Opitz 1, 10; 15; Schaidenreißer 11b; Sch. 382b; Schlegel Sh. 6, 41; Tieck 2, 31; NKr. 2, 279; Werner Febr. 94; W. 3, 91; 10, 210; 11, 179; 12, 58 etc.; ferner k. verbunden mit weder ... noch. Heinse A. 2, 157; L. 6, 373; W. 22, 128 etc. nach: sich in Acht (s. d. III, 3e) nehmen, verbieten (s. d. 1), verpönen (z. B. Uhland 507), nach ,,als, denn“ etc. beim Komparat. s. Herrig 20, 75 ff.; ferner doppeltes k. in einem Satz: K–e Luft von k–er Seite. G. 1, 54; Es war k. Katalog noch Verzeichnis von k–er Statue. 30, 182; Es ist k. Haar an K–em unter euch, das nicht in die Hölle fährt. Sch. 123a; Alexis H. 1, 2, 198; Echtermeyer 70; Rückert W. 2, 188; Rost. 12b etc. Schon diese (leicht zu mehrenden) Stellen zeigen (s. nicht etc.), daß nach dem Geist der deutschen Sprache die doppelte Verneinung einander verstärkt (vgl. das Frz. und Griech.), nicht aufhebt, wie im Lat. und dies bestätigen vereinzelte nach lat. Weise vorkommende Stellen, z. B.: Daß ... K–er k–en Samen hat. Droysen A. 1, 86, was unbefangne Deutsche schwerlich wie es gemeint ist verstehen werden: Daß Jeder Samen hat, K–er samenlos ist. Im Deutschen bejahen nämlich in der That zwei Verneinungen nur (s. 2), wenn die eine mit einem dadurch verneinten Wort verschmolzen ist (z. B. samenlos) oder wenn sie in einem besondern von dem ersten verneinenden abhängigen Satz enthalten ist: Es ist K–er da, der k–en Samen hat etc. Vgl.: Bei Gott ist k. Ding unmöglich; K. Ding, das bei Gott nicht möglich wäre, dagegen: Das ist K–em nicht möglich etc. Versch. ist der Fall, wo die Verneinung neben k. sich nur auf einen Satztheil bezieht, z. B.: Schwur ihm, nicht etwa: k–e Thorheit zu begehen, sondern etc. Chamisso 4, 260; Indeß daß, nicht weit davon [= in der Nähe] k. Tropfen fiel. Forster R. 1, 108 etc.
10) Über den Einfluß der Stellung der Verneinung bei all, jeder etc. s. diese Wörter (†): Nur ausnahmsweise und vereinzelt finden sich Abweichungen, die in lebendiger Rede durch die Betonung verdeutlicht werden, z. B.: Jedes Hofhahns Mordgeschrei | bringt kein Basiliskenei. V. 3, 209 (Nicht jedes H. M. b. ein B.); Da es endlich für Alle k. Gedicht ist. Zelter 1, 12 (nicht für A. ein G. ist) etc.
11) Ebenfalls nur vereinzelt findet sich k., welches das Nichtvorhandensein bez., in Wendungen die grade das Vorhandensein von Etwas hervorheben (eine Contradictio in adjecto), z. B.: Mit weniger Speise und fast keinem Trank gesättigt. H. Ph. 10, 91; Bei meiner geringen Belesenheit und fast gar k–en Hilfsmitteln hier. Knebel 3, 31, korrekter: und dem Mangel an fast allen Hilfsmitteln; So werd’ ich mit gar k–em Geld und [ganz ohne Geld und mit] etwas mehr Verstand .. heimkehren. V. Sh. 3, 611 etc.
12) Vereinzelt wie „ein“ (s. d. 2a) auch k. beim Superl., z. B.: Natürlich verrieth k–e leiseste Miene. Prutz E. 2, 137 = k–e, auch die leiseste Miene nicht; K–e schlagendsten Lichtwirkungen, k–e schwierigste Verkürzung konnten ihr einen Ersatz für den dem Werk abgehenden Ernst bieten. HHerz 47, vgl.: K–e noch so glänzende Stellung. 54 etc.
13) Dem bejahenden: so ein (s. d. 2b) oder ein solch etc. entspricht in der Regel verneint nur: k. solch (oder: so ein .. nicht), doch findet sich vereinzelt: Schneide so k. Gesicht. G. 3, 99; So k. Gesicht sah ich in meinem Leben. 11, 120; So k–en Säufer sah ich in meinem Leben. Mörike N. 179.
Anm. Mhd. kein, in der Bed. k. entstanden aus nekein und „irgend ein“ wohl entstanden aus dekein, s. Benecke 421 ff. und das dort Angeführte.