kauen
Käuen
Kāūen, Kǟūen, intr. (haben) und tr.:
1) eig.: Speisen im Munde durch Zermalmung mittels der gegen einander bewegten Kiefern und zugleich durch Vermischung mit dem Speichel für die Verdauung vorbereiten (vgl. Mummeln etc.), — übertr. auch auf geistige Speisen, auf etwas Einem im Leben Entgegentretendes, das man verdauen (s. d.) und überwinden muß: Mit des Speichels Saft befeuchtet und gekäuet. 9, 206; Harte Bissen giebt es [in der Welt] zu kauen, | wir müssen erwürgen odersie verdauen. 3, 35; Sie kauen [Druckf. „bauen“] längst an dem schlechten Bissen. 106; O glaube mir, der manche tausend Jahre | an dieser harten Speise kaut. 11, 72; Männer, die Haare auf den Zähnen haben, mit dem ekeln Brei halbgekauter Bissen mehr besudeln als speisen. 3, 439; Wer diesen [Sinn] übersieht und an den Hülsen käuet. R. 7, 360; In unserem Haus ist Nichts zu kaun noch zu käuen [zu beißen noch zu brechen etc.]. Mak. 1, 71; Werden die Erd müssen darob käuen [ins Gras beißen, sterben]. 58a; Ich kaue ordentlich jedes Wort [deines Buchs, versch. 4] und da giebt es mir denn auch ordentliche Nahrung. 2, 7; Taback kauen; Sich an Etwas die Zähne stumpf kauen etc. — Anstatt daß Unsereiner wie ein wiederkäuendes Thier sich zu Zeiten überfüllt und dann Nichts weiter zu sich nehmen kann, bis er eine wiederholte Käuung und Verdauung ge- endigt hat. 24, 29. —
2) zuw. nur: auf Etwas nagend wiederholt beißen wie ein Kauender, nam.: Die Nägel, die Finger, die Lippen oder daran kauen, als Zeichen der Ungeduld; Die (oder an, auf der) Feder kauen, beim Schreiben, grübelnd, wenn sich das Rechte nicht einstellen will; Die Schöne, die dahinter sitzt, | um ihren Rosenkranz mit schwerem Muth zu käuen. 11, 177 etc. —
3) übertr.: sich mit Etwas — wie mit einem Bissen, den man nicht glatt herunterbekommen kann — immerfort beschäftigen, um damit zu Stande zu kommen: An einer einzigen Strophe Tage und Wochen lang zu käuen. ... Dann werden die scharfen Ecken und Spitzen weniger hervorragen. 482b; Ich käue auf meinen „Piissimum“ und wiederkäue ihn. 13, 271 = komme immer wieder und wieder darauf zurück, wer mit diesem Ausdruck gemeint sein mag. —
4) Die Worte, Silben etc. k., gedehnt und langsam sprechen.
Anm. Ahd. chi(u)wan, mhd. kiuwen etc. S. Kiefer I und Käfer, Anm. — Dazu mundartl.: Die Käu. (ahd. chiwa, mhd. ki(u)we) = Kiefer, Kieme, Kinn. — Die Form ohne Umlaut darf, außer in „wiederkäuen“ als die gewöhnlichere bez. werden. Weralt. Partic.: Gekauen, s. Aus-k. 3.
Zsstzg. vgl. die von beißen, nagen etc., z.B.: Áb-: z. B. [2]: Sänn’ ich mich mager ... | und kaute die Nägel mir ab. W. 15, 2. —
An-: Ein angekauter Bissen. —
Āūf-: Das .. Adelspatent, das .. Motten fast aufgekäuet hatten. JP. 1, 23, s. Ver-k. —
Aūs-:
1) zu Ende kauen: Nun mummelt er dumpf auskäuenden Backen den Ausspruch. 2, 119. —
2) tr.: kauend aussaugen etc., nam. auch übertr.: Das Schiff kaut das Werk aus, macht so heftige Bewegungen, daß dies sich aus den Nähten herausarbeitet. — 3) tr. [3]: Etwas durch Kauen [langes und mühseliges Arbeiten] herausbringen: Daß dieser Bogen hieselbst ausgekauen. 4, 450. — I. Durch-: kauend [1und 3] durcharbeiten: Sie haben die Stellen nunmehr reiflicher erwogen, Alles mehr durchkauet. 13, 172 vgl.: Eben Das habe ich bei mir durchgekaut, als wir uns begegneten. Sh. 3, 540 etc. — II. Dúrch-: 1) s. I. — 2) refl.: Honigwaben, durch rr die er sich natternartig durchzukäuen habe. 9, 182. — Eīn-: Einem Etwas e., es vor-k. (s. d. und zer-k.) und ihm dann zum Verschlucken in den Mund stopfen (s. d.), eigentl. und übertr.: Greifliche Lügen, welche Petrus a Scoto .. der kaiserlichen Majestät .. eingekauet. B. 210b; Einbläuen und einkäuen. 6, 154b. — Nāch-:
1) eigentl.: Vorgekautes nachträglich kauen. —
2) übertr.: Vorgekautes, Einem von einen Andern Eingepfropftes nachsprechend wiederholen. — Ver-: auf-k., kauend verzehren, entzwei kauen, zerk. etc.: Jhre Tapferkeit sollen sie mir an ihren eigenen Nägeln verkäuen. 9, 88; Haben .. schon so viele Federn darüber verkauet [2] und am Ende doch nichts Genießbares herausgebracht. 4, 387; Die schale Lektür’ verkäuen, wenn ich nicht gar darben will. Ph. 1, 61. — Vōr-: Einem Etwas vorkauen, es klein kauen, damit er das so in den Mund Gesteckte nur herunter zu schlucken braucht, eig. und übertr.: Es hätte denn die heil. röm. Kirch .. uns also die Päpp und Brei in ihrem saubern Mund vorgekauet und gleichsam mit einem Trichter eingegossen. B. 39a; Eine solche Katechismusmilch meinen Lesern noch vorkauen. 10, 88; SW. 63, 364 etc., s. Ein-k. — Wīēder-: wiederholt kauen, nam. eig. von den Säugethieren, den sog. „Wiederkäuern“, die die heruntergeschluckten Nahrungsmittel wieder heraufwürgen und zum zweiten Mal kauen und danach übertr., s. [1 und 3]:
1) Formbemerkungen:
a) selten ohne Uml.: Kühe, die man ruhen und wiederkauen sieht. Verst. 1, 96; Langweiliges wiedergekautes (s. b und 2b) Gewäsch. 13, 620 Ich habe es verschlungen und werde noch lange davon wiederkauen. 197 Ich kauete jedes Wort wieder, das sie mir zusprachen. Thümmel 2, 103. —
b) Da die Vors. betont ist, so wird das Zeitw. am füglichsten als trennbare Zsstzg. behandelt, doch findet es sich auch oft genug als untrennbare, s. die mit * bez. Bsp. in 2. —
c) mundartl.: Aderkauen, plattd. ahrekauen“ (z. B. Reis’ na Belligen 2), vgl. ferner: Wiederdäuen. — 2) Bed.:
a) eig.: Der Hase wiederkäuet. 3. 11, 6*; Da steht mein Vieh und wiederkäuet. 4, 17*; Phhs. Geogr. 2, 29“; Die Mütter [der Zicklein] käuen wieder. M. 2, 140; Lieg und wiederkäu in Ruh. 3, 103; 138; 2, 170; Ländl. 2, 283 etc. —
b) übertr.: Was die Franzosen vierzig Jahre lang gekäut und wiederkäut, Das haben sie seit sechs Jahren verdaut. Frzfr. 101; Jch will nicht mehr ein bischen Übel, das uns das Schicksal vorlegt, wiederkäuen .., ich will das Gegenwärtige genießen und das Vergangene soll mir vergangen sein. 14, 5; Ich sehe [in dem All] Nichts als ein ewig verschlingendes, ewig w–des Ungeheuer. 63; 16, 124; Ich empfand nun keine Zufriedenheit als im W. meines Elends. 20, 258; 25, 117; 128; Zelt. 1, 327; Alle Stoffe, die man jetzt ihrem Gedächtnis anbietet, w. sie nicht. 3, 222; Bis zum Ekel wiedergekäuet. 5, 263; Nun gehe er wieder an die ersten Begriffe und wiederkäue sie ohne Ekel. 705; Hatte Wladimir’s Parabel die Nacht über so sorgfältig wiederkäuet und verdauet. M. 3, 35*; Wiederkäuet’ ich .. das geführte Gespräch. Ph. 1, 151*; So würde in der geistigen [Welt] ein so abgeschabtes Leben sich ewig w. [wiederholen]. 36, 15; Bis .. ihren Raub die Grüfte w. [wieder von sich geben]. 6b; Reue, die ihren Fraß wiederkäut und ihren eigenen Koth wiederfrisst. 113a; Zu Nichts nütze, als. die Thaten der Vorzeit wiederzukäuen [darüber redend]. 106b; Mißd. 43*; Kleist sog jeden Balsamtropfen des Frühlings ein, so lang er dauerte; erst in den rauhen Wintertagen wiederkäute und malte er ihn. 5, 11*; Meine Empfindungen aus dem verlaufenen Tage am Schluß desselben wiederzukäuen. 58; Ein wiedergekäuter Auszug. Köhl. XXXVII; VI; Das Allegorische ... reproduciert und wiederkäuet sich selber. 1, 228* etc.; Mich selbst mit Wiederkäuung dieser trübseligen Historie ärgern. Gr. 2, 180 etc. — entzwei kauen, kauend zermalmen: Kindern den vorher wohl zerkauten Brei in den Mund drücken nennt man .. stopfen. 6, 17; Wo es [das Buch] ein kleiner Hund ... zerkaut, zerrissen hatte. 29, 238; Federn (14, 166), die Nägel 589a) zerkauen [2] etc. u. ä. m.
Zer-: Work in progress
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