Faksimile 0871 | Seite 863
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Kanon Kanonade Kanone kanonen Kanonich Kanonier kanonieren Kanonikat Kanonikus Kanonisation kanonisch kanonisieren Kanonissin Kanonist
Kān~on (gr.). I. m., –s, uv.; –s, –es (uv.,
ſ. 6): 1) Richtſcheit, Maßſtab, ſo nam. ein als Richt-
ſchnur, Regel, Muſter geltendes Werk in einer Kunſt:
Was der berühmte K. des Polyklet für die Bildnerei geweſen
ſein ſoll ꝛc. B. 353a ff. 2) (ſ. 1) bei den alten Gram-
matikern das Verzeichnis der als muſtergültig aner-
kannten oder klaſſiſchen Schriftſteller. Daher: 3) das
Verzeichnis der von der Kirche anerkannten bibliſchen,
der ſogen. kanoniſchen Bücher, im Ggſtz. der Apokry-
phen (ſ. d.): Die Unterſuchung des K–s. G. 14, 99; Die
Entſtehung des K. Guhrauer L. 2, 144 ꝛc. 4) Der K.,
das Verzeichnis der von der Kirche anerkannten Heili-
gen, daher: Kanoniſieren, in den K. der Heiligen auf-
nehmen, kirchlich heilig ſprechen. 5) (ſ. 3) eine
kirchliche Vorſchrift, im Ggſtz. der bürgerlichen Geſetze,
namentl. die Verordnungen der Päpſte und der allge-
meinen Kirchenverſammlungen, in ihrer Geſammtheit
die Grundlage des Kirchen- oder kanoniſchen Rechts
bildend. 6) K., Meß-K., die Gebetformel bei der
Meſſe in der kathol. Kirche, ſ. Stillmeſſe und II: Alle
beide K. Luther SW. 65, 51. 7) Muſ.: a) bei den
Alten eine Regel, die Verhältniſſe der Jntervalle zu be-
ſtimmen und das zu dieſer Beſtimmung dienende Ton-
werkzeug (Monochord). b) ein mehrſtimmiges Ton-
ſtück, worin eine Stimme nach der andern eintritt, die
Melodie der erſten auf derſelben oder auf einer andern
Tonſtufe wiederholend. Schlegel Sh. 2, 202: Zirkel-K.,
bei der Wiederholung in andre Intervalle überſprin-
gend und die Tonarten durchlaufend; Räthſel-K.,
wo der Eintritt der verſchiednen Stimmen nicht bez.
iſt, ſondern errathen werden ſoll. c) Sätze, worin
eine Singſtimme nach der andern eine Melodie auf-
nimmt, von der andern durch paſſende Melodien beglei-
tet, bis die erſte Stimme die Hauptmelodie wieder-
bringt. 8) Einen K. ſo nennt man in Paris ein Glas
Wein, das man ſtehend austrinkt. Stahr Par. 2, 216 ꝛc.
II. f.; –s: Buchdr., eine Schriftgattung von gro-
ßem Kegel, zwiſchen Doppelmittel und Miſſal: Kleine
K. 32, grobe K. 40 Punkte [ſ. d.]. Franke Buchdr. 16;
Die Namen K. und Miſſal beziehen ſich auf die Anfangsbuch-
ſtaben der Kanones [ſ. I 6], Miſſalen ꝛc. Kat. 40 ꝛc.
~onāde (frz.), f.; –n: Beſchießung mit Kanonen ꝛc.
G. 20, 69. ~ōne, f.; –n; -önchen: 1) grobes Ge-
ſchütz mit überall gleich weiter Seele (von der Röhren-
form, vgl. Kanal, Anm., vgl. den Ggſtz.: Kammer-
ſtück), zum Abſchießen eiſerner Vollkugeln, nach deren
Gewicht man die Kanonen bez., z. B.: 24-pſündige
K. oder 24-Pfünder (ſ. d. und Karthaune); Laffette,
Stoß, Traube, Frieſen, Bänder, Boden-, Zapfen- und Zünd-
feld, Zündloch, Gurt, Kopf, Hals, Mündung, Lauf oder
Seele der K. ꝛc.; Eine Kanone abblaſen, abkühlen, abprotzen,
laden, richten, abſchießen, vernageln ꝛc.; Wenn man ein klei-
nes Kanönchen losſchießt. Pouillet 2, 36; Daher gefahren
kommen wie aus einer K. [unerwartet ſchnell, vgl.: wie
eine Bombe]. Gotthelf U. 2, 299; G. 247 ꝛc., übertr.:
Er .. zieht ſich unter die K. des Glaubens zurück und findet
Rettung und Sicherheit in einer Baſtion des ſeligmachenden
Lavaters. Mendelsſohn 5, 638; Die ſchwache Seite, wohin
ſie ihre K–n richten und Sturmlücken ſchießen müßten. Stilling
4, 167 ꝛc.; Feld-, Feſtungs-, Schiffs-K.; Vom Zelt
des Feldherrn donnerte der Ton | der abendlichen Lärm-
K–e. Freiligrath 1, 251; Talvj 2, 155 (vgl. Lärmglocke)
ꝛc. 2) Seidenmanuf.: ein hohler Cylinder, in
den ein heißer Bolzen kommt, zum Kalandern der Sei-
denzeuge. 3) hoch hinaufreichende Stiefel, Poſtil-
lionsſtiefel, namentl. der Studenten. Börne 2, 16;
Brachvogel FB. 2, 198; Stahr Par. 1, 250; Voigts H. 38;
Reiter-K–n. 86 ꝛc., vgl. Koller 3. 4) (ſ. 3)
burſch.: Unter der K., zur Bezeichnung von etwas Er-
bärmlichem, wie: Unterm Nachtwächter ꝛc. ~ōnen,
intr. und tr.: bei Campe ſtatt kanonieren (ſ. d.).
~ōnich, m., –(e)s; –e: Kanonikus (ſ. d.). Schücking
Gſ. Erz. 4, 158. ~onīēr, m., –s; –e: Stück- oder
Kanonenſchütze; Ober-K. ꝛc. ~onīēren, intr. (ha-
ben) und tr.: mit Kanonen (be)ſchießen; übertr.: Ei-
nen beſtürmen ꝛc. Scherzh. auch: einen Kanon (ſ.
d. I. 7b) ſingen: Laſſt uns den ab-k. V. Sh. 2, 311,
gleichſam: unſern Kanon abfeuern. ~onikāt, n.,
–(e)s; –e: Stiftsherrnſtelle. ~ōnikus, m., uv.,
–ſes; –ſe, -onici: Dom-, Stiftsherr. ~oniſatiōn,
f.; –en: Heiligſprechung. ~ōniſch, a.: dem Kanon
(ſ. d. I, nam. 2 und 5) gemäß, darauf bezüglich (vgl.
Büchſenrecht). ~oniſīēren, tr.: heiligſprechen (ſ.
Kanon I4). ~oniſſin, f.; –nen: ein Frauenzim-
mer, das eine Präbende an einer Stiftskirche beſitzt.
~oniſt, m., –en; –en: Lehrer, Kenner des kanoniſchen
oder Kirchenrechts u. ä. m.