Faksimile 0842 | Seite 834
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Jammer
Jammer, m., –s; uv.; -:
1) tief und schmerzlich ergreifendes Elend: Du schauest das Elend und J. Ps. 10, 14; Der Herr sahe an den elenden J. 2. Kön. 14, 26; Sie weinte nicht, sie schien in starrer Ruh | am grenzenlosen J. sich zu weiden. Chamisso 4, 136; 6, 255; Darum war’s der höchste J., | als einst Medschnun sterben wollte, | daß vor Leila seinen Namen | man forthin nicht nennen sollte. G. 4, 38; Mich schmerzt der Anblick des J–s. 5, 9; Diese Pforte führt | zu stillem J., wie zu stillem Glück. 13, 336; Des Schmerzes durchdringender Schrei, der schweigende J. Kosegarten Po. 1, 21; Die Welt in Krieg, Blut und alle J. zu führen. Luther 1, 420b; Kann Niemand sich nach Christo .. herzlich sehnen, der nicht sein J. und Seuch erkennet. 6, 383a; Gehet dir’s übel, stickst in J. und Noth. 8, 315a; Der J. dieses deutschen Volks erbarmt mich. Sch. 382a; Vernehmt den J., wieviel mir die Seele belastet. V. Il. 18, 53 etc. Dazu auch: J., wie „schwere Noth“ etc., Bezeichnung der Epilepsie oder fallenden Sucht. 2) sich ganz nahe mit
1) berührend, das tief-innige Gefühl des Elends, bittres Herzeleid, oft auch tiefes Mitgefühl bei fremdem Elend und Weh (s. 4): Ihr sollt vor Herzeleid schreien und vor J. heulen. Jes. 65, 14; Der Angst, der Quál, des J–s Stimme spalten | des Hörers Ohr. Sch. 33a; Man legt’ ihn auf die Bahr’. | Wie weh vor großem J. seinen Leuten da war! Simrock N. 967 etc.; Der tiefe J. um des Vaterlandes Weh (s. Jammern 1a); Es ist wirklich ein J., das Elend mit anzusehn; Wenn ich nur an ihn denke, möchte ich vor J. laut weinen; Da ist das arme Vieh verschlagen, daß es ein J. und ’ne Schande ist. Lewald W. 3, 84 etc. 3) (s. 2) mit „,nach“ (s. Jammern 1a) zur Bezeichnung des tiefschmerzlichen Sehnens und Verlangens nach Etwas: Ich habe den J. nach Haus kriegt. Grimm M. 108, und so auch allein: Du hast rechtschaffen J. (Heimweh) gehabt. Auerbach D. 4, 137. 4) (s. 2) oft in der Sprache der Konversation, wie viele andre Ausdrücke, abgeschliffen für Etwas, das man bedauert, das Einem leid thut etc., nam.: J. und Schade ist’s, daß etc. Merck’s Br. 2, 188 u. v., auch: Es ist Jam-. mer-Schade (s. d.); Es kleidet ihn und es wär ein J. um den Bart [wenn er abgeschnitten würde]. Höfer V. 28 etc. Auch als Jnterj.: J., da purzelt der Korb mit den Kirschen hinunter! V. 2, 130 etc. 5) oft auch (s. 4) von dem verächtlich bedauernden Gefühl, das wir mit etwas Erbärmlichem (s. d.) haben, vgl.: Jämmerlich (3), Miserabel; Jammervoll alte Gevatterinnen. Tieck A. 1, 172 etc., z. B.: Da ist’s denn wahrlich oft ein J.! | man läuft euch bei dem ersten Blick davon. G. 11, 27; Haben den ersten Akt im Halse und würgen so erbärmlich daran, daß es ein J. ist anzusehn. Tieck N. 1, 136 etc. 6) (s. 1 u.
2) lauter Ausbruch tiefen Schmerzgefühls, tiefschmerzliches Wehklagen: Wird sich ein lautes Geschrei erheben . ., ein Geheule .. und ein großer J. Zeph. 1, 10; Jer. 51, 54 u. o. Zuw. personif.: Vom J. gefolget, | schreitet das Unglück. Sch. 510a etc.
Anm. Ahd. jâmar, âmer, mhd. jâmer, âmer, noch bei Luther etc. Jamer. Vgl. Janken.
Zsstzg. vgl. die von Weh, Pein etc., z. B.: Herzens-J. Simrock N. 1031; Liebes-J. G. 10, 302; Den nie das Glück mit wiederholtem Streiche |. . .. zum Sklaven-J. niederschlug. Seume Gd. 95 etc. Über das schwzr. Kar-J. s. karjöhlen etc.; ferner: Dárm-: Darmgicht, Kolik. Frisch.
Kátzen-: der auf den Rausch folgende unangenehme Zustand, eigentl. (G. 4, 119; Heine Rom. 157 etc.) und übertr. (s. Kotzen): Im September 1819, an einem trüben, deutschen Bundestage, erwachte ich zu Frankfurt a. M. mit dem K. Ich hatte mich mit guten Kameraden in schlechter Hoffnung berauscht, hatte zu Viel getrunken von der verdammt geschwefelten Freiheit und mußte das Alles wieder von mir geben. Wer den K. nicht kennt, der kennt die Macht der strafenden Götter nicht, es ist die Reue des Magens. Börne 4, 303; Daß die Schauspielkunst den wilden Rausch der Selbständigkeit, in dem sie sich studentisch austobt, bald durch den kläglichen K. einer armseligen Ernüchterung büßen werde. Devrient 1, 285; Dem Rausch einer wüst durchlebten Jugend war frühzeitig ein fataler K. gefolgt. Eichendorf Lärm 6; Am Ende [der Seekrankheit] im fieberhaften K. Heine Börn. 133; Der National-K., den wir jetzt, nachdem der übertolle Freiheitsrausch verdampft, auch im politischen Leben der Franzosen bemerken. Sal. 1, 119; Rom. 157; oft: Moralischer K., z. B. Gutzkow R. 6, 355 etc., und mit Fortlassung des Hw.: Da hat sie einen Moralischen Hackländer Stillfr. 2, 50.