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Hure
Hūre, f.; –n; Hürchen, lein; –n-: 1) ein gemeines
feiles Weibsſtück, die ihren Leib zur Befriedigung der
Wolluſt preisgiebt, Metze. Dies harte Wort, häufig
in der Bibel und in der Volksſpr., wird im Ton der
feinern Welt meiſt vermieden, ſ. L. 11, 175 (vgl.
Freudenmädchen, Hetäre, Kurtiſane, Buhlerin, Dirne
ꝛc.), in der Schrift oft durch den bloßen Anfangsbuch-
ſtaben bez. oder H'r’ (ſo z. B. W. 2, 8; 32, 329) ꝛc.:
Junge H–n, alte Betſchweſtern (Sprchw.); So ſind die ta-
hitiſchen Buhlerinnen im Grunde minder frech und ausſchwei-
fend als die geſittetern H–n in Europa. Forſter R. 1, 255;
Pfui, ſpeit ihr aus, die H. da! | Bin doch ein ehrlich
Weib. G. 1, 163; Dieſe H. .. iſt eine abtrünnige, verlau-
fene Ehe-H., eine Haus-H., eine Bett-H., eine Schlüſ-
ſel-H., die im Hauſe Fraun iſt, Schlüſſel, Bette, Küchen,
Keller und Alles hat in ihrem Befehl, ſo böſe, dagegen die
gemeinen freien H–n, Buſch-H–n, Feld-H–n, Land-H–n,
Heer-H–n ſchier heilig ſind. Luther SW. 26, 26; So leicht
als der Sprung von einer H. zu einer Betſchweſter. Sch.
118b; Nie zu traun ... dem Hürlein, wenn es weinet. V.
Sh. 3, 491 ꝛc. a) Oft auch für eine Geſchwächte:
Eine Perſ. zur H. machen und als hartes Schimpfwort
für Frauen überhaupt, z. B.: Miller (reißt ſeine Frau
in die Höhe): Knie vor Gott, alte Heul-H., und nicht vor
Schelmen! Sch. 194a; Für wen ſeht Ihr mich an? vor eine
alte Kuppel-H. Gryphius 1, 771 ꝛc. b) Zuw. tritt,
nam. im Munde geiler Perſ., der hart beſchimpfende
Sinn des Worts zurück, z. B.: Er kriegte mich beim
Kinne und ſagte, wie er immer ganz ſpaßhaft iſt: He! kleine
H., willſt du ꝛc. Rabner 3, 28 und nam. verkl.: Wie ſüß
der Geſang, ihr himmliſchen Hürlein allzumal. Droyſen A. 3,
245 ꝛc. 2) übertr. ſ. 1, z.B. bibl. oft von abgötti-
ſchen Städten und Völkern, ſ. Heſ. 16, 30 ff.; ferner
z. B.: [Glücksgöttin], du H. vor des Pöbels Leib. Günther
204; Der Schelm [von Advokaten], der die Gerechtigkeit zur
feilen H. macht. Sch. 119a; Ein Schiff ..., geherzt, gelieb-
koſt von der H. Luft. V. Sh. 2, 47 ꝛc., vgl.: Die Cypreſſen
ſelbſt gehören zu der Zahl der H–n, wie unſere deutſchen
Maler ſie ziemlich unäſthetiſch nennen. Es giebt einige ſolcher
auffallenden Bäume, Landhäuſer und Vedutten, wie die Pinien
der Villa Pamphili, mit denen jeder neue Ankömmling ſich
genauer bekannt macht und die deßhalb mit jenem unäſtheti-
ſchen Kollektivnamen bezeichnet werden. Vogt Oc. 2, 212.
3) Bez. mehrerer Muſchelarten, z. B. Donax scortum,
die dreieckige Stumpfmuſchel; Venus meretrix, Gaſ-
ſen-H., Braunlippe. 4) volksthüml. Bez. der Li-
belle, auch Drachen- oder Teufels-, Waſſer-,
Gras-H. ꝛc., vgl. Jungfer, frz. demoiselle ꝛc. 5)
Pflanzenn.: Nackte H., Zeitloſe, Colchicum autumnale,
auch = ſtinkende H., ſtinkender Gänſefuß, Chenopodium
vulvaria.
Anm. Ahd. huor(r)â, mhd. huore, vgl. goth. hórs,
Ehebrecher; ahd., mhd. huor (neutr.), außerehelicher Bei-
ſchlaf ꝛc., vgl. Harn, wie μo-óς, Ehebrecher mit μμμ,
harnen zuſammengeſtellt wird.
Zſſtzg. ſ. 1; 1a; 3 und 4; ferner z. B.: Jungen-,
Matroſen-, Pfaffen-, Studenten- ꝛc., Allermanns-, Jeder-
manns-H., zur Angabe Derer, denen ſie ſich preisgiebt,
vgl.: Land-, Regiments-H. ꝛc.; Geld-, Heller-, Groſchen-,
Lohn- (W. 9, 56) H. ꝛc., feile H.; Erz-H. (Heſ. 16, 30;
L. 10, 72 ꝛc.), der der Name H. im höchſten Grade ge-
bührt; Luther SW. 26, 19; Angſt-H., Angſt-Erzhure. 6;
Gaſſen-H. (ſ. 3), H. der gemeinſten Art, die ſich auf den
Gaſſen umhertreibt; Glup-, Winkel-H., die ihr Gewerbe
heimlich treibt; Drachen- (ſ. 4), Teufels- (ſ. 4), Erz-
Teufelshure. Luther SW. 26, 24; Walpurgis-, Zauber-H.,
Here, inſofern der Volksglaube dieſe, nam. in der Wal-
purgisnacht Unzucht mit dem Teufel treiben läſſt, z. B.:
Daß der Teufel eine Drachenhur aus dem Gefängnis hinweg-
geführt. Hammer RH. 339 ꝛc.; Blitz-, Donner-, Strahl-,
Wetter-H., verfluchte, verdammte H. Spate u. ä. m.