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horchen
Hórchen, intr. (haben) und tr.:
mit scharf gespannter Aufmerksamkeit hören oder zu hören suchen, von Pers., zuw. auch von personif. Ggstdn.: 1) intr.:
a) ohne abhäng. Verhältnis: An der Thüre h.; Der Schalk schläget die Augen nieder und horchet mit Schalksohren. Sir. 19, 24; Horchte mit beiden Ohren. Engel 12, 144; Alles war still, hörte, horchte. G. 19, 407; Die Mutter jedoch, mit heiterem Gesicht, übergebogen h–d, ließ nicht die mindeste Unruhe bemerken. 410; Horchte ich über das Buch weg und faßte das Italiänische .. behende. 20, 33; Er mag noch so sehr h., so hört er doch Nichts als ein unsäglich leises Zirpen. Heine Verm. 1, 243; H–d stehn die stummen Wälder, | jedes Blatt ein grünes Ohr. Reis. 2, 300; V. Od. 13, 2; Horchten mit hingerecktem Ohre und zurückgehaltenem Athem, um . kein Wort zu verlieren. W. 27, 229 etc., sehr oft im Jmper., um die Aufmerksamkeit zu erregen (vgl. sieh!): Und außen, horch! ging’s trap, trap, trap | ... und horch! und horch! den Pfortenring etc. B. 14a; Und horch! da sprudelt es silberhell. Sch. 62b etc.
b) mit abhäng. Satz: Bagoa horchete, ob sich Holofernes regen wollte. Judith 14, 13; nO7 H., was gesprochen wird etc.
c) mit Dat.: Einem mitangestrengter Aufmerksamkeit zuhören, auf seine Worte etc. eifrig achten, lauschen: So sprich! Du siehst, ich horche deinen Worten. G. 13, 83; Wenn ihr Geist den Lehren edler Männer | .. horcht. 234; [Ich] hörete, h–d dem Bache, der Nachtigall h–der. Kl. Od. 2, 187; Knebel 1, 20; Sch. 32a; Es horcht ihr schweigend der Vögel Chor. Schmidt- Phiseldeck 1 u. o. Diese Wendung nähert sich oft der Bed.: ge-h. und geht zuw. darein über: Allein wie sehr du Wünsche des Tags verstehst, | nicht horchst du blindlings jedem Geräusch. Platen 2, 153; Horcht den Befehlen! folget sogleich! G. 8, 54.
d) Auf Einen oder Etwas h., s. c und e: Wo eine zahlreiche Gesellschaft auf seine Lehren horchte und sie unmittelbar ausübte. G. 24, 94; Man darf vor dem Knaben Nichts reden, er horcht auf jedes Wort etc.
e) Nach Etwas h., das man nicht hören soll, aber eben deßhalb sich zu hören anstrengt.
f) An Einem h., durch aufmerksames Forschen, ohne daß man es merken lassen will, Etwas von ihm zu erfahren suchen, s. An-h.: Ich horchte an dem Lohnbedienten, der sich mir, jedoch nur langsam und auf eine kluge Weise näherte. G. 14, 170. 2) tr.: Etwas mit angespannter Aufmerksamkeit, um Nichts davon zu verlieren, hören: Der Baron horchte ihm jedes Wort von den Lippen mit aller der Begierde, womit er in seiner Kindheit auf die Gespenstergeschichten seiner Amme mochte gehorcht haben (s. 1d). Engel 1, 53; Wenn ein zärtlicher Jüngling .. das Lied der Nachtigall horcht. Geßner 1, 91; 3, 3; 44; 64; So sangen die Parzen; | es horcht der Verbannte | in nächtlichen Höhlen, | der Alte, die Lieder. G. 13, 72; Horch das Wollen [vernimm den Befehl] des Pikollos! Werner Osts. 1, 77 etc. 3) Dazu: Allwißbegier’ge Horcher, Hörer | versammeln sich um ihn. G. 12, 86, meist mit dem Nebenbegriff des Heimlichen und Versteckten [1e etc.]: Der Horcher an der Wand | hört seine eigne Schand. Sprchw.; Leise Horcher. Lenau Alb. 208; Daß ich ihn | mit meinen Horchern rings umgeben habe; | vom kleinsten Schritt erhalt’ ich Wissenschaft. Sch. 334a etc. Verfluchte Horcherei!, vgl.: Verfluchtes Gehorche! etc.; Horchung gw. nur in Zsstzg.
Anm. Mhd. hôr(e)chen, horchen, zu: hören, wie: schnarchen zu: schnarren etc.
Zsstzg. z. B.: Áb-, tr.: Einem Etwas a., es von ihm er-h., es horchend sich von ihm aneignen: Die frohen Lieder, die meine Muse oft dem Hirten abhorcht. Geßner 3, 2; Horchte er nicht nur als ein gelehriger, sondern als ein gelehrter Jünger seinen Meistern zu, er horchte ihnen ihre bestimmten Kenntnisse leicht ab. G. 30, 34; 33, 92; V. 3, 46; Mosch. 3, 48 etc. Än-, intr.: sich horchend nähern, s. [1f]: Es hielt sich mit Müh die leis“ a–de Mutter, | wie sie das holde Geschwätz der sich Bettenden hörte. Baggesen 1, 29; Er muß a. [hin-h., wie’s steht]. Höfer Hausbl. (57) 1, 27 etc. Āūf-, intr. [1d]: scharf, genau, mit aufgerichtetem, gespitztem Ohr auf Etwas horchen, aufpassen; die Ohren spitzen, aufmerken, merken, s. Empor-h.: Hoch a.; Er horchte genauer auf, wenn er hörte, der Vater habe im Spiel verloren. G. 19, 290; 190; Begierig horcht’ ich auf ..., doch ach! je mehr ich horchte etc. 13, 124; Der Mutter Geist .. ruft der Nacht uralten Töchtern zu | ... Sie horchen auf. 44; Ich werde ruhig a., aber auch desto strenger richten. 17, 18; Platen 3, 83; Ein Fluch ..., dem die Mitternacht aufhorcht. Kl. M. 6, 293; Daß selbst das Alter aufhorcht seiner Mähr. V. Sh. 2, 435 etc. Der rechte Aufhorcher und Lauscher. Kühne Freim. 144; Aufhorchung. Merck’s Br. 2, 36 etc. Āūs-, tr. und intr.: horchend ausforschen: Einen, seltner: Etwas a.: Der Vorsatz, meinen Gast auszuhorchen. G. 30, 350; Muß die Arme sich gebrauchen lassen, ihren wahnsinnigen Geliebten auszuhorchen. Tieck DBl. 2, 87 u. v.; Den ich Dinstags | um Neuigkeiten auszuhorchen sandte. Schlegel Sh. 6, 191 etc.; Fragte er mit feiner a–der Miene. Klencke Parn. 2, 14 etc.; Diesen Aushorchern sein ganzes Geheimnis preiszugeben etc. Be-, tr.: Einen, Etwas b., belauschen, darauf horchen: Die Gegend behorchte entzückt die neue Harmonie und die Vögel des Hains schwiegen und horchten. Geßner 1, 96; Seine Stimme ward sanfter, er behorchte sich mit Wollust. G. 29, 231; Zwei sich geheim Besprechende b. etc., zuw., wie „belauschen“, auch übertr. auf den Sinn des Gesichts: Blieb ich stehen und behorchte mit den Blicken ihre Unterhaltung. Zschokke 8, 265 etc. 99* Auch: Lasset keine Nachtigall | unbehorcht verstummen! Hölty 177; Hier wollten Sie, von Menschen unbehorcht, | den stillen Wünschen ihres Herzens leben. Sch. 261a etc.; Alles behutsam und ohne Behorcher verrichten. L. 3, 39 etc. Empōr-, intr.: auf-h.: Ich hielt den Athem an und horchte scharf empor. W. 12, 252. Entgêgen-, intr.: auf etwas Nahendes, gleichsam mit dem Gehör entgegeneilend, horchen: Während er den Eingebungen seiner Muse entgegenhorchte. Hartmann Pet. XXXIII; W. 20, 289 etc. Er-, tr.: durch Horchen entdecken: Wenn das Herzchen mich nicht erhorchte. B. 497b; So ist’s denn wahr, ... was ich erst | erhorcht, erfragt. G. 13, 349; Bei solchen Gelegenheiten erhorchte ich mir nun, daß man .. das Umgekehrte versucht. 18, 340; Als hätte mich Etwas erweckt, daß sich e. ließe. Gutzkow 3, 157 etc. Ge-, intr.: Einem g., auf die Kundgebung von Dessen Willensmeinung horchen, achten und ihr folgen, sein Thun danach einrichten, in der Basler Bibel von 1523 noch als „ausländig“ erklärt durch „gehorsam, unterthänig sein“: Man muß Gott mehr g. als den Menschen; Jemandes Worten, Lehren, Rath etc. g.; Der Herr befiehlt, der Knecht gehorcht; Sie g. mir mit gehorsamen Ohren. 2. Sam. 22, 45; Geh, gehorche meinen Winken. G. 1, 104; Das Reich .., wo Jeder stolz gehorcht, | wo Jeder nur sich selbst zu dienen glaubt, | weil ihm das Rechte nur befohlen wird. 13, 118; Im G. selig. Platen 4, 292 etc. Zuw. auch pass. (wie frz. obéir, vgl. folgen, schmeicheln etc.): Man kann sicher sein, daß man gehorcht werde. Eckermann G. 2, 91; Ein großer Herr will gehorcht sein. G. Lav. 154; Zelt. 6, 383; Wohnte dort .., geehrt, gehorcht. Rückert Mak. 2, 216; Statt allgebietend, nun gehorcht von Keinem. Schlegel Rich. III. 4, 4. Miß-g.: ungehorsam sein: Dir zur Ehre, misgehorch’ ich dir. Platen 3, 27. Herāūs-, tr.: Etwas durch Horchen herausbekommen, erh., es sich horchend aneignend: So horchte ich von Bedienten und Soldaten .. soviel [Französisch] heraus, daß ich .. einzelne Fragen verstehen konnte. G. 20, 106 etc. Hín-, intr.: auf Etwas horchend seine Aufmerksamkeit hinrichten: Jtzt schweigt der Gesang, lange noch horchen sie still zu dem Wipfel hin. Geßner 1, 92; 204; Übrigens mochte man kaum hie und da h., der Verdruß war grenzenlos. G. 25, 128; Wie er .. bei jedem Schlage, den er mit dem Klopfer that, hinhorchte. Thümmel 3, 8 etc., nam. auch von dem bedachtsamen Erforschen, wie die Sachen eigentlich stehen; Erst h., ob er es gern thäte. G. Zelt. 4, 270; Laube DW. 5, 37 u. v., vgl. auch: Wie Kaspar aufmerksam in den Wald hineinhorchte. Hackländer Hdl. 1, 228 etc. Nāch-, intr.: nach Etwas hin-h., nam. das vorüber ist: Dem schweren Fall [des in den Strom geworfnen Goldes] n–d. Gutzkow R. 3, 408. Über-, tr.: über Etwas hinweg horchen, nicht darauf achten, gw.: überhören: Ihr Kinder, seht Nichts voraus und überhorcht unsre Erfahrungen. G. 9, 190.
Ver-: (veralt.) Etwas absichtlich zu ver-oder überhören scheinen: Könnt ver-h., Andern nachgeben. Rollenhagen Fr. 282. Zū-, intr.: auf Etwas horchen, vgl. zuhören: Diese horchte Dem, was sie erzählte, nur halb zu. Gutzkow R. 8, 72; Es singt die Nachtigall ... Der ganze Wald horcht zu. Ramler F. 2, 288 etc. Zusámmen-, tr.: durch Horchen zusammenbringen, zuw. auch ohne Obj.: Man horcht zusammen .., aus Vermuthungen macht man Gewißheit. Tieck NKr. 2, 174 etc.