Faksimile 0774 | Seite 766
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Hirt Hirte Hirtin
Hirt(eHirt(e), m., –en; –en; –en-; (Hirtin, f.; –nen):
1) ein Hüter, allgm., z. B. schwäb. Feld-H. (vrsch. 2), Feldhüter, Flurschütz; Wilden-H., Wildenmeister, mund- artl. statt Stutenmeister (s. d.), und in manchen Anwendungen, die aber (s. 3) doch meistens wohl nur Übertragungen von 2 sind. 2) speciell: der, der eine Herde hütet und weidet, zunächst eine Viehherde, sei diese nun sein Eigenthum, womit er wie dies in den ältesten Zeiten der Fall war von Weideplatz zu Weideplatz umherzieht = Nomade. 4. Mos. 14, 33; Sobald er [der Mensch] seinen Thieren ihre Freiheit geraubt hatte, war er in die Nothwendigkeit gesetzt, sie selbst zu ernähren und für sie zu sorgen. So wurde er also zum H–n. Sch. 1010a etc. (vgl.: H–n-Stand, -Leben, -Gedicht etc. u. Schäfer); Und sie führt den schönsten H–en | zu der schönsten H–in hin. 56b etc., sei es, wie es jetzt meist der Fall ist, Einer, der um Lohn einer Herde vorsteht und sie weidet. In beiden Fällen, namentl. im letztern, Zsstzg. zunächst nach dem geweideten Vieh, z. B.: Gänse- (mundartl. auch Name des Wiedehopfs), Geis-, Kälber-, Kamel-, Kuh-, Lämmer-, Pferde-, Rinder-, Roß-, Sau-, Schweine- (s. Bildhauer), Ziegen-H. etc., dann auch nach Denen, welchen die Herde gehört, z. B.: Gemein(de)-, im Ggstz. Eigen-, Dorf-, Stadt-Hetc., ferner nach dem Ort des Weidens z. B.: Alpen- (vgl. Senne), Berg-, Feld-, Wald-H. (versch.
1) etc., ferner nach der Zeit des Hütens: Nacht-, Tag-H. etc., dann auch: Ober-, Unter-H. (s. 3) u. ä. m., z. B.: Wo viel H–en sind, da wird nicht wohl gehütet. Sprchw.; Zank zwischen den H–en über Abraham’s Vieh und den H–en über Loth’s Vieh. 1. Mos. 13, 7; Dort, wo dem H–en | ruft eintreibend der H. und der austreibend ihn höret | und wo ein Mann schlaflos zwiefältigen Lohn sich erwürbe, | diesen als Rinder-H. und den als Hüter der Schafe. V. Od. 10, 82; 4, 413; Der männerbeherrschende Sau-H. 15, 388 etc.; Der Ober-H–e der Rinder. 20, 235; Die Mit-H–en. Ländl. 2, 508; Jetzo kamen die Schäfer, der Kuh-H. kam und der Geis-H. Th. 1, 80; Bald erschienen die Herden, von zween Feld-H–en begleitet. Il. 18, 525; [Es wird] jeder Flöten-H–e [flötende Hirt] zum Apoll. Seume Gd. 164; Als Alpen-H–in scherzt und singt | sie munter [vgl. Senn]. Schlegel Gd. 1, 214 etc. 3) oft übertr. (s. Herde 2b) der die unter seiner Obhut Stehenden Leitende und für sie Sorgende (zumeist nur m.), so namentl. bibl. oft von den Leitern und Führern eines Volks, den Regenten (auch im Homer), ferner von den Seelsorgern (vgl. Pastor, Bischof), von den Propheten, Lehrern, Aufsehern; ferner auch von Christus, von Gott etc. Auch hier in mannigfachen Zsstzg. z. B.: Der Erz-H–e [Christus]. 1. Penr. 5, 4; O Götzen-H–en [,,nichtsnutzige“ Zunz], die die Herde lassen. Zach. 11, 17; Nun wurde der Neuangekommene gleichsam im Triumph allen besonders geliebten Schäfchen des Ober-H–en [vorher: „,,Oberhofprediger“]vorgestellt. G. 17, 144; Alle diese zerstreuten Schafe [,Brüdergemeinen“] durch die engste Verbindung ihrer H–en unter einander nahe genug beisammen zu haben, um die Stimme des Ober-H–en immer hören zu können und von keinen blinden oder betrügerischen Leitern irre geführt zu werden. W. 17, 16; Ein ungehinderter Verkehr des Unter-H–n mit seinem Ober-H–n! Gutzkow Zaubr. 2, 181; Seelen-H.; Wodurch sich ein König in Scheshian über alle Völker-H–en gegen Morgen und Abend erheben würde. W. 8, 259; Sch. 412b etc., vgl.: Dryas, der H–e der Völker. B. 188a; Dryant, der Völkerweider. 145a etc.; Gregorius . . ., der heilige Welt-H. [Papst]. Platen 2, 241 u. ä. m. So auch: H–en-Amt, -Brief, -Pflicht, -Treue etc.
Anm. Goth. hairdeis, ahd. hirti, mhd. hirte, vgl. Herde und Hort, wohl von einem Zeitw. mit dem Grundbegriff „hüten, bewahren“. Es verdient Beachtung, daß in Niederd. die Volksspr. weder Herde (s. d.) noch H. gebraucht, sondern für dies! Hüter (s. d.) oder auch Schäfer, wie man denn in Meklenb. z. B. sehr häufig selbst „Kuhschäfer“ hört, vgl. auch „Junge“ I. 3 etc. Dagegen schwzr. einige hochd. nicht allgem. übliche Ableit. s. Stalder und vgl. Kohl A. 1, 103; Gotthelf Sch. 149 etc. Zuw., namentl. in Zsstzg.: des Hirts etc.; Dem kleinen Ziegenhirt. Geßner 4, 101; Seit Chloe ihren Hirt mich nennt. 3, 25 etc.
Zsstzg. s. 1; 2 und 3.