Faksimile 0773 | Seite 765
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Hirn
Hirn, n., –(e)s; –e; –chen, lein; -:
1) der Bregen (s. d.), die in der Schädelhöhle enthaltne weiße, weiche Masse, aus zwei Theilen bestehend, wovon der vordre: das große H. heißt, der hintre aber: das kleine H., das H–lein, ein Hauptlebensorgan, als Sitz des Denkvermögens oft übertr. (vgl. Kopf) und danach auch = Pers., in Bezug auf ihre Denkkraft: Ein Angstgespenst nur ohne Wesenheit, | das dein erhitztes H. ins Äußre trug. Chamisso 4, 92; Was grinsest du mir, hohler Schädel her, | als daß dein H. .. jämmerlich geirret? G. 11, 30; Daß ihr tiefsinnig fasst, | was in des Menschen H. nicht passt. 79; Die Phantasieen, die des Nachts | im H. den bunten Umzug halten. Heine Verm. 1, 150; Hatten die lieblichsten Träume sein H. umgaukelt. Immermann M. 3, 189; Sein [des Katers] H. war voller Mäus’. Lichtwer; Raupen .., die in Göschel’s H. ehmals rumort. Prutz W. 9; Hast du denn kein H.? Ramler F. 2, 468; Fehlt es dem Dichter nicht an H.? 540; Es wollte kein Funken entstieben dem H. Rückert Mak. 1, 136; Der muß auch kein Wasser im H. gehabt haben [nicht dumm gewesen sein]. Sch. 109b; Nicht Herkules konnt’ ihm | das H. ausschlagen; denn er hatte keins. Tieck Cymb. 4, 2; Dies ist bloß eures H–es Ausgeburt. Schlegel Sh. 3, 276; Gd. 18; Was ist dir durch’s H. gefahren? Spindler St. 1, 25; Furcht vor Dieben | verrückt dein H. V. 4, 130 etc.; Es brütete das Helden-H. | und konnte Nichts erbrüten. Blumauer 2, 197; Glaubt Ihr, daß es ein Weiber- H. giebt, mit einiger Eitelkeit, die [nach dem Sinn, etwa auf ,Frau“, wofür hier ,Weiber-H.“ steht, bezogen] Das aushalte? G. 29, 255 etc. 2) Holzarb.: die Seite eines Bretts, Balkens etc., wo die Jahre oder Fäden des Holzes quer durchschnitten sind: Über, vor H. hauen, sägen, der Quere nach durchschneiden, s. Holz 1.
Anm. Ahd. hirni, mhd. hirne, womit außer lat. cerebrum, H., gr. ~αρc (Kopf), viell. auch goth. hvaúrnei (Schädel) zu vergl. ist, wie H. mundartl. auch = Stirn, s. auch Horn. Als Bestimmungsw. in Zsstzg. gilt meist H., sonst findet sich häufiger Ge-H., ohne daß doch (s. die leicht zu mehrenden Bsp.) nach Adelung (vgl. auch: „H. für Gehirn ist unerträglich.“ Gellert 1, 317) H. als „veraltet“ bez. werden darf; dagegen mundartl. Mz.: Kluge Hirner. Haller 123. Der Zusammenhang der Bed. 2 mit 1 ist unausgemacht, s. Schm. und vgl. überhirnt = verdreht, woraus die Bed. quer hervorgeht.
Zsstzg.: Ge-: s. Anm.: Kein, wenig G. im Kopf, im Schädel haben; Im G. nicht wohl verwahrt sein; Einem das G. benebeln [den Kopf verwirren]. Heinse A. 1, 267; Es geht in seinem G. um [spukt darin, ist nicht richtig darin]. Mendelssohn 4, 2, 320; s G. ist ihm der Quer [verdreht]. Mülner 5, 140; Wolkige G–e [trübe Gedanken], | Furchen auf der Stirne. Lichtwer 263; Dein G–chen soll sich im Schädel umdrehen [vor Verwundrung]. Sch. 108a; Auf mehr raffiniert dein Fingerhut voll G. nicht? 109a; Ein wenig mehr G–e. W. 12, 32 etc.; Sogleich antworte das andere G–chen [der Dummkopf]. G. 28, 189; Weil sich das Esels-G. einbildet, daß der Mann kein Geld mehr habe. L. 1, 551; Was er für Augen macht! wundert sich das G–chen? Gal. 4, 3 etc.