Faksimile 0703 | Seite 695
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harren
Hárren, intr. (haben):
1) in Erwartung von etwas (ungeduldig) Ersehntem ausdauern, festbleiben, nicht weichen, vgl. das allgemeinre „Warten“, das nur das ruhige Verweilen bez. und dem sich H. zuw. nähert:
a) ohne abhäng. Vh.: Mit H. und Hoffen | hat’s Mancher getroffen; Hoffen und H. | macht Manchen zu Narren; Da harrete er noch andere sieben Tage. 1. Mos. 8, 12; Harre, morgen .. wollen wir ihn erwürgen. Richt. 16, 2; Das ängstliche H. der Kreatur wartet auf die Offenbarung. Röm. 8, 19; Dann fühlt er erst die Höhe seiner Würde, | wenn er den H–den beglücken kann. G. 13, 81; Peinlich h–d stand indessen Assad. Platen 4, 286; Den ängstlich h–den Dulder. V. Od. 1, 55; Wenn ihr nicht ... einen Tag oder mehr schwimmen und ohngessen h. [aus-h.] könnt, so bleibt nur von hinnen. Zinkgräf 1, 57 etc.
b) mit abhäng. Satz, mit versch. Nüance: Er harrte, bis man ihm aufmachte, wo das ausdauernde Verweilen der Hauptbegriff ist; Er harrte. daß man ihm aufmache, wo die Erwartung des Verweilenden der Hauptbegriff ist, und, wenn dazu noch die Unsicherheit der Erwartung bez. werden soll: Er harrte, ob man ihm aufmachen werde, vgl. warten; Sieben Tage sollst du h., bis ich zu dir komme. 1. Sam. 10, 8; H–d ohne Schmerz und Klage, | bis das Fenster klang. Sch. 65a; Aber ich harrete dort standhaft, bis die Mutter herankam. V. Od. 11, 152; H–d, ob deinem Haus ein Geschenk darbieten er wolle. 2, 187, in erwartender Sehnsucht nach einem Geschenk etc.
c) mit Genit. oder auf zur Bez. des Erwarteten und Gehofften, wobei gw. das sehnliche Verlangen nach Etwas, zuw. aber auch, zumal bibl., das ausdauernde Vertrauen auf Etwas mehr hervortritt: Meine Seele harret nur auf Gott, denn er ist meine Hoffnung. Ps. 62, 6; Keiner wird zu Schanden, der dein harret. 15, 3; Die Inseln h. auf mich und warten auf meinen Arm. Jes. 51, 5; Wir h. auf das Licht, siehe, so wird es finster etc. 59, 9; Dein zu h. und deines Anfalls. B. 237b; Da harrt sie dein in bunter Pracht. Frei- ligrath Garb. 62; Wir h. ja selbst und warten des Ausgangs. G. 5, 80; Saß geduldig nunmehr und harrete ruhig der Kutsche. 81; Vergebens h. wir schon Jahre lang | auf ein vertraulich Wort aus deiner Brust. 13, 5; Geron .. giebt ihr keine Antwort. Lange harret deren | die holde Frau. W. 11, 146; Jst’s wieder zu bekommen .., so kann, als lang ihr Dessen harrt [es entbehrt], | kein Messer über meinen Bart. 60; Es h. Viele darauf und ich hungere darnach. Zelter 1, 221 etc. Veralt. statt warten ohne Nebenbegriff: Wenn ihr zusammenkommet zu essen, so harre Einer des Andern. 1. Kor. 11, 33 [„so warte Einer auf den Andern“. Eß]; Weidner 167 etc.; ferner: Daß das ander Theil sollt verbunden sein, nach ihm zu h., wie lang er wolle. Luther 5, 383b, auf ihn zu warten. Ugw.: Harre [hoffe] nur zu Gott. Mendelssohn Ps. 42, 6; Harrt | meinem Gang noch bis ans Ziel | Ungewitter. H. 15, 148 = steht bevor, wartet seiner. 2) (veralt.) warten, zögern, zaudern: Wenn wir Das verschweigen und h., bis daß licht Morgen wird. 2. Kön. 7, 9; Harre nicht mit Besserung deines Lebens. Sir. 18, 22; Da Gott einsmal harrete und Geduld hatte. 1. Petr. 3, 20 etc.
Anm. Mhd. harren, wahrscheinl. eines Stamms mit „hart“, wie lat. durare (warten, harren) zu durus (hart) gehört, vgl. Dauern und Harre. Mundartl. h., ver-h., härren, tr. = verschieben, s. Schm. In der Basler Bibel von 1523 als „ausländig“ noch erklärt durch „warten, beiten“.
Zsstzg. (vgl. die von Warten, auch die, wofür hier die entsprechenden ugw. sind, wie: Abwarten, da sie auf den Untersch. der Bed. ein Licht werfen) z. B.: Áb-: gw. aus-h.: Die Seele .., die das End’ a–d geduldet. V. Ländl. 1, 271, aus Horaz, wo die Stelle (s. 2, 321) jetzt lautet: Die in Hoffnung des Ends die Beschwer trug.
Aūs-:
1) intr.: ausdauern, bis ans Ende nicht weichen, fest bleiben: Der Deutsche ist von einer a–den Gesinnung. G. 22, 98; Wer ausharret, wird gekrönt. H.; Von all dem rauschenden Geleite, | wer harrte liebend bei mir aus? Sch. 49a; Nicht abwankend vom Ziel mit getreu a–dem Eifer. V. 3, 18; Welch a–der Dulder! H. 2, 168.
2) tr., vgl. ausdauern: durch ausdauerndes Harren Etwas erreichen, es vorübergehn machen, bestehn, überstehn, überwinden: Nach wenig ausgeharrten Tagen. Gotter 1, 158; Länger als gewöhnlich verzogen, um ihn auszuharren [abzuwarten]. Musäus M. 4, 73; Durch die pünktlichste Erfüllung ihrer Wünsche sie auszuharren und ihren spröden Sinn zu überwinden. 2, 20; Fest auf die Füße gestemmt | auszuharren den graß mit dem Schild anwandelnden Streiter. V. Th. 14, 67; Wenn ich am Strom ausharre der Nacht unfreundliche Stunden. Od. 5, 466; Jl. 13, 106; Unser Herr Christus hat wohl reichere Beutel ausgeharret [größre Bestechungen überdauert]. Zinkgräf 2, 31. Be-:
1) intr. (haben und sein): ausdauernd in einem Zustand, bei, auf Etwas etc. bleiben, nicht davon abgehn oder weichen:
a) ohne Zusatz: fest, unveränderlich bleiben, bestehn, ausdauern: Wer bis an das Ende beharret, Der wird selig. Matth. 10, 22; Sir. 2, 16; Hiob 6, 11; Wenn du beharrst [Ausdauer hast], wenn dich das Glück begünstigt. G. 13, 183; Nicht ohne daß Manches weiche, was zu b. Lust hat. 15, 262; Daß in der Kunst wie im Leben kein Abgeschlossenes beharre, sondern ein Unendliches in Bewegung sei. 30, 33; Ob Alles im ewigen Wechsel kreist, | es beharret im Wechsel ein ruhiger Geist. Sch. 88a etc.
b) Zuw. mit beigefügtem Prädikat: Auch wir b. stumm in deinen Armen. Chamisso 3, 159; Nicht lang unkundig beharrete Penelopeia | jenes Raths. V. Od. 4, 675; Ich beharre [häufiger: verharre] hochachtungsvoll ergebenst der Jhre (Briefschluß] etc. Auch: Wie ich beharre, bin ich Knecht. G. 11, 70, immer, wie ich auch sein mag; unter allen Umständen. Zuw. auch mit prädikat. Genit.: Seine Majestät b. des unveränderlichen Vörsatzes. Adelung, vgl.: Der Meinung sein etc.
c) mit Präpos., zuw. örtliches Verweilen, häufiger das Nicht-Abgehn von Etwas, das Nicht-Fahrenlassen desselben bezeichnend: Jetzt wollen wir rüsten das Mahl, am rüstigen Schiffe b–d. V. Od. 12, 292; Das Städtle, das bisher an der Stadt Zürich beharret [ihr treu geblieben, angehangen etc.] war. Stumpf 734b; So unerschütterlich auf jenem Princip beharrt .. hat ..Keiner außer unserm Helden. Fichte 8, 12; Beharrten die Stände auf ihrer Weigerung. Forster A. 2, 70; Weil Alle steif auf ihrem Sinn beharrten. Gellert 1, 207; Was hilft es, auf seinen Gedanken b., wenn sich um uns Alles ändert. 9, 150; 15, 132; Wilhelm beharret steif darauf, daß er nirgend von wüßte. Stumpf343b; Wenn sie schlechterdings darauf beharrt wäre, die Leidenschaft . .. erwidern zu wollen. W. 5, 147, wo selten nach frz. Weise das ,,dar- auf“ fortbleibt (vgl. d): Beharre doch nicht, mit dem Wenigen .. dich zu behelfen. Forster B. 2, 379. Seltener bei ,,auf“ d. Accus.: Sie weigerten sich und beharrten auf laute Vorlesung. Alexis H. 2, 3, 88, sie verlangten dieselbe beharrlich, vgl. „Bestehen auf“ mit Dat. und Accus. Die ihr beharret habt bei mir in meinen Anfechtungen. Luk. 22, 28; örtl. Matth. 15, 32; Bei verjährtem Unsinn .. b. Chamisso 6, 271; Er wäre bei der .. Wahrheit trotz allen Gefahren 30, 40 Jahre beharret. L. 8, 335 etc. In der Sünde b. Röm. 6, 1; Beharre in deinem Beruf. Sir. 11, 21 etc.
d) mit Infin.: Nun beharr’ ich, anzuschauen | Den, der einzig wirkt und handelt. G. 1, 205, ich schau ihn beharrlich, fortwährend an; versch.: Ich beharre darauf, ihn anzuschauen (s. c).
e) Dazu: Soviele Standhaftigkeit zeigte seine Beharrung. Sch. 905b; Bei aller Beharrung der Person wechselt der Zustand, bei allem Wechsel des Zustandes beharrt die Person. 1161a; Heldenmüthige Beharrung. 775a, vgl.: Den widerstrebenden Boden durch sein B. überwunden. 1004a, ferner: In getreuer Beharrnis an jüdischen Gebräuchen. Heine B. 65 und Beharrlichkeit. 2) tr.: (veralt.) beharrlich Etwas nicht aufgeben, nicht fahren lassen, s. Grimm, z. B. auch: Daß sie das Wild beharrt [beharrlich verfolgt]. Mühlpforth Geistl. 15; Richardus beharret den Krieg etc. Stumpf 253a. Durch-, tr.: von Anfang bis zu Ende harrend zubringen: Manchen .. mit Ungeduld durchharrten .. Tag. G. 13, 115; Nach einer ängstlich und vergebens durchharrten Stunde. 16, 195; Kohlhaas durchharrte in trüber Ahnung der Zukunft den nächsten Mond. HKleist E. 1, 35; Wie zuvor schlaflos ich die Nächte durchharret. V. Od. 19, 340 etc. Vgl. intr.: Er hat den Mond durchgeharrt, ausgeharrt etc. Entgêgen-, intr.: Einem, einer Sache e., harrend entgegensehn, sehnend darauf harren; Hessen und Schwaben harren ihren Erlösern entgegen. Forster B. 2, 256; Wie eine Braut | harr’ ich seinem Gruß entgegen. Müllner 2, 19; Laß uns nicht | in dieser düstern Einsamkeit dem Ausgang | mit sorgendem Gemüth e. Sch. 393b. Er-, tr.: Etwas e.: harren, daß Etwas komme und bis es kommt, z. B.: Hektor, harre mir nicht! mein Kind erharre nicht Jenen | sonder Gehilfen, allein. B. 237b; Umsonst erharrte nun der Greis daheim [harrte auf] der Söhne Wiederkehr. 160b; Laß uns im Stillen jenen Tag e. G. 13, 253; Du, die so lange mir erharrt warst. 4, 75; Wenn wir den Weltgeist und seine großen schöpferischen Gedanken vom Elysee in Paris .. aus e. und erhoffen sollten. Gutzkow (DMus. 1, 1, 25); Als nun, erharret mit Verlangen | von Jung und Alt, der große Freudentag erschienen war. W. 12, 17 etc. Veralt. mit Genit., zuw. mehr der Bed. von erwarten, abwarten sich nähernd. Sir. 1, 28; 20, 7; Judith 7, 22; Es war noch früh, ... darum konnte ich des Tanzes nicht e. Luther 5, 268a; SW. 26, 39; Sei getrost, erharre mein und hoffe. Opitz 2, 55; Rachel 4, 305 etc. Selten ohne Obj. oder Genit. wie aus-h.: Erharret ruhig und bedenket: | der Freiheit Morgen steigt her- auf. Uhland 130. Ver-, intr. (haben, seltner: sein): beharrend (s. d.) verbleiben: Sie haben nun drei Tage bei mir verharret. Mark. 8, 2 [,,beharren“. Matth. 15, 32]; Sie v. in ihrer Hoffahrt. Ps. 59, 13; Sie ließ nur selten merken, daß sie auf ihrem Sinn verharre. G. 17, 122; Der auf seinen eigenen Ansichten verharrt. 24, 176; Der liberal Gesinnte, nicht auf seiner Persönlichkeit und Eigenheit V–de. 39, 466; Die Lust, zu bleiben und zu v. von unsern Vätern geerbt. 19, 94; Diese hier in Ruhe verbliebenen .. Männer geben schon durch ein solches V. deutlich Wunsch und Absicht zu erkennen, dem vaterländischen Grund und Boden auch fernerhin angehören zu wollen. 102; 18, 139; Er sei lange mit ihm in eifrigster Unterredung verharrt. König Kl. 2, 158; Haben bis ans Ende in seinem Gefolge verharret. L. 11, 84; Der .. festgebannt an der Stelle verharrt hatte, ALewald 1, 60; Ich verharre hochachtungsvoll ergebenst etc. Unpers. im Pass.: Es ist [Ich habe] zu lang verharrt in Lust- und Lasterleben. Canitz 191.