Faksimile 0662 | Seite 654
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Hafer
Hāfer, m., –s; uv.; Häferchen, lein; -:
eine Grasart, Avena, die lange spitze Körner in einzelnstehenden Rispen trägt und diese Körner selbst, mit vielen Arten, z. B. der wilde oder taube H., A. fatua etc., nam. aber der als Getreide angebauete Futter-H., A. sativa, dessen Körner bes. zu Pferdefutter dienen, das sogen. „weiche Korn oder Getreide“ im Ggstz. des Hartkorns (s. d.) und wovon es ebenfalls eine Menge Arten giebt (s. Zsstzg.): H. säen, schneiden, dreschen; Eine Metze H.; Den H. sägen, ihn beim Messer durch Hin- und Herbewegen des Streichholzes locker abstreichen; Müchzender, muffiger H. etc. Sprchw.: Haff Das Pferd, das den H. verdient, bekommt ihn nicht; Einen sticht der H., von einem Ubermüthigen, zhergenommen von einem durch zu reichliches Futter übermüthigen Pferde, s. Kitzel, Haferkitzel; Es ist gut H. säen, von plötzlich eintretender Stille (vgl. Engel), weil beim Hafersäen es windstill sein muß; Er meinte, daß sein Sohn seinen wilden H. noch lange nicht gesäet [seine Wildheit nicht ausgetobt, sich die tollen Hörner nicht abgelaufen] und sehr übel thue, überhaupt zu heirathen. Burow Kepl. 1, 26 etc.
Anm. Ahd. habaro, mhd. habere (vgl. lat. avena). Neben der häufigeren Form H. (z. B. G. 23, 133; 343; 20, 246 etc.) auch nicht selten (vgl. Hufe und Hube etc.) Haber, B. 67a; G. 20, 239; Gotthelf G. 334; Hebel 3, 215; 238; Ramler F. 2, 551; V. 4, 54; Georg. 1, 77; 154; Hor. 2, 182; W. 11, 72 etc. S. Haberrohr. Vgl.: Mein Häberlein. Echtermeyer 370 v. 60; Mein Häferchen. v. 70 etc. Mundartl., veralt. auch: An Heu und Habern. Brockes 9, 237; Korn, Gersten, Habern. Luther 6, 134b etc., und als Ew.: Mit gutem wohlgebachnen habern Brot. Ryff Th. 10 etc.
Zsstzg. vielfach z. B. zur Bez. verschiedner (nam. grundherrlicher) Abgaben, die in Hafer geleistet werden oder ursprünglich wurden, z. B.: Er bezog den Rauch-H. [s. und vgl. Rauchhuhn etc.], Hühner-H., Weg- H. und wie alle die grundherrlichen Abgaben heißen. Auerbach D. 1, 57; Wieviel Zinsroggen und Schloß-H. du geben musst. Immermann M. 1, 260. So ferner z. B. (vgl. die Zsstzg. von Geld, Huhn etc.): Bann-, Forst-, Haupt- (s. Haupt 9), Hunde-, Jagd-, Kreuz-, Leib-, Mast-, Nachtfeld-, Spring- (für den beschälenden oder bespringenden Hengst), Vogt-H. etc. Ferner außer Augen-H., Gerstenkorn (s. d.) am Auge, nam. zur Bez. der versch. Hafer-Arten und ähnl. Pflanzen, wobei die nicht näher bezeichneten Abarten (zuw. schwankende) des gewöhnlichen Hafers A. sativa sind: Augúst-: frühreife Art.
Báck-: zum Brotbacken geeignete Art.
Bārt-: Art rauher Hafer mit kleinen, grauen, spitzen Körnern; aber auch = Flug-H.
Bēh-: Flug-H.
Bérg-: A. versicolor.
Bránd-: brandiger, vom Brand verdorbner Hafer.
Brúch-: Flug-H.
Díppel-: ein nam. unter dem Hafer wachsendes, Schwindel und Betäubung erregendes Unkraut, Lolch, Lolium tremulentum, auch Schwindel-, Tob-H. genannt: Raden, Ruß, am meisten aber | Schwindelhaber, Dippelhaber. Uhland 123, s. Döbel 3.
Eīchel-: Art glatter, schwarzer Hafer, A. strigosa.
Fāhnen-: Art dreikörniger Hafer.
Féld-: A. pratensis.
Flūg-: A. fatua, ein Unkraut, dessen Samen im Wind umherfliegt.
Fürst(en)-: Lolium perenne, vgl. Dippel-H.
Fútter-: A. sativa. Gāūch-- Flug-H.
Glátt-: A. elatior.
Góld-: A. flavescens.
Grāū-: mit kurzen, dicken Körnern, ein graues Mehl gebend.
Grütz-: Art nackter Hafer, A. nuda, die beste Hafergrütze liefernd.
Knóll(en)-: Glatt-H.
Mǟūse-:
1) Flug-H.
2) Trespe. Mórgen-. Nādel-: Stipa juncea. Pfúnd-: schwerwiegende Art. Púrr-: Bart-H. Rāūch-: Bart-H.; auch Art Abgabe, s. o. Rōth-: Fürsten-H. Sánd-: Bart-H.; auch = Strand-H. Schwánz-: Wind- H. Schwárz-: Bart-H. Schwíndel-: Dippel-H. Sílber-: A. sesquitertia. Sómmer-: vgl. Sommergerste etc. Spítz-: Eichel-H. Stránd-: Strandgras, Elymus arenarius. Stúmpf-: mit kurzen, dicken Körnern. Tāūb-: Mäuse-H. 1 und 2. Tóll-: Dippel-H. Wásser-: Zizania aquatica. Wēīß-: mit längern Körnern und weißres Mehl liefernd als der Grau-H. Wīēsen-: Feld-H.; Glatt-H. Wíld-, Wínd-: Flug-H. Wínter-: Ggstz. Sommer- H., s. Wintergerste u. ä. m.