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grade
I. Grāde, a.:
1) aus Zahlpaaren bestehnd, also durch Zwei ohne Rest theilbar, im Ggstz. Un-g.: G., un-g. Zahlen; Spielen gerad’, ungrad. V. H. 2, 147; Gerad oder Ungerade spielen. W. HB. 1, 53, ein Kinderspiel mit Nüssen, wobei es darauf ankommt, zu rathen, ob die Zahl der in der Hand gehaltnen g. oder un-g. sei. Sprchw.: Fünf (s. d.), seltner: Sieben (Auerbach 1, 214) g. sein lassen, etwas Falsches gelten lassen, ein Auge zudrücken. Vgl.: Also muß Mancher .. glauben, Sieben und Neun seien gerade Zahlen, ob er schon in seinem Herzen eines Andern überzeugt ist. Weidner 264.
2) Ggstz. von krumm, eig. und übertr.:
a) eig., zunächst von etwas Emporgerichtetem: „G. wie ich!“ sagte der Tanzmeister und stand krumm wie ein Fiedelbogen; Aus krummer Rippe ward sie geschaffen; | Gott konnte sie nicht ganz g. machen. G. 4, 44; Manches Mütterchen ging g–er auf, als es seit Jahren gegangen. Gotthelf G. 383; Die Lahmen werden gehn, | die Krüppel g. sein. Opitz 1, 12; Gerad wie eine Kerze und schlank wie eine Tanne. Musäus M. 4, 118; Gerade wie ein Bolz. Rückert Mak. 1, 178; Warum .. wär’ ich ein krummer Bogen? | Gerade [s. f] sollst du mich erfinden wie der Pfeil. Rost. 74b; Schlank und gerade wie eine Tanne. Temme SchwM. 1, 125; Aufmerksam sitzt sie da, gerader als ein Kegel. W. 12, 318; Schritt einher gerader als ein Bolz. 20, 153 etc. S. Zsstzg.
b) (vgl.
a) von etwas Emporgerichtetem, zuweilen senkrecht, Ggstz. schief: Der Stock ist g., aber er steht nicht g.; Das Tiefe hoch, das Hohe tief, | das Schiefe grad, das G. schief. G. 12, 37 etc. c) nicht krumm oder gebogen, namentl. von etwas sich wagerecht Erstreckendem: Die g. Linie ist der kürzeste Weg zwischen zwei Punkten; Der Weg geht g. wie eine Schnur; G. zu, los, hin auf Etwas gehn (s. f); Geht grade zum Schulz. Hebel 3, 449, häufiger: Von da gerades Weges nach Rom. L. 12, 202; Wohin? geraden Weges nach Rom. 203; Gerades Weges vom Galgen her. Sch. 120a; [Der] graden Weges gegen Appulien anrückte. 1043a, soPlaten 4, 398; W. 21, 195etc.; Das ist der gradste Weg, den Freund .. zu schüchtern [führt unmittelbar dazu]. Tieck 2, 111 etc. Sprchw.: Bei geraden Fingern [ehrlich, vgl. Ggstz.: krumme Finger machen] verhungern. Sch. 108a; Aber ich thue Reineken selbst nichts G–es noch Krummes [gar Nichts, weder Gutes noch Böses etc.]. G. 5, 193. d) zuw. (vgl.
b) Ggstz. von schräg, von dem seitwärts Geneigten: Er wohnt uns g. gegenüber; In einem Kreis stehn die Endpunkte eines Durchmessers ein- ander g. [diametral] gegenüber etc.; In g–er [nicht: in einer Seiten-] Linie von Einem herstammen. Übertr.: e) einen Punkt scharf hervorhebend und das genaue Zutreffen desselben bezeichnend, örtlich, zeitlich, der Zahl, der Art, Beschaffenheit nach etc. (vgl. d und Eben, Just etc.): G. in die Mitte der Scheibe treffen [nicht daneben, seitlich abirrend]; Einem g. ins Auge sehn; G. hier, g. jetzt, g. so, g. mich mußte es doppelt verdrießen; G. 100 Thaler; G. weil ich’s nicht haben will, thut er’s; G., als müßte es so sein; Die Division geht g. auf, es bleibt Nichts übrig; Wenn sie ja Etwas beweiset, so beweiset sie gerade das Gegentheil. L. 11, 121; Das gerade Gegentheil. Lewald W. 1, 344; Prutz DM. 1, 2, 3; Meinungen Anderer, wenn sie nur nicht mit meinen Überzeugungen in geradem [s. d] Widerspruch standen. G. 22, 125 etc. Man achte auf die Verschiedenheit des Tons und der Stellung: Jetzt sollst du’s grade nicht haben [weil du’s durchaus haben willst]; Es braucht nicht g. jetzt zu sein etc. f) ohne Umschweife und Umwege auf das Ziel los gehend, die krummen Wendungen vermeidend, rückhaltlos, offen, ehrlich, aber auch: rücksichtslos, derb, plump (s. c): Mit der Sprache gerade herausgehen und die Wahrheit sagen. Fichte N. 27; Das Gerade | in meiner Denkungsart gefiel. Göckingk 2, 98; Mich drang’s, so g. zu genießen | und fühle mich im Liebestraum zerfließen. G. 11, 116; 113; Sagt grad, mein Herr, habt ihr noch Nichts gefunden? 136: Da er das Herz nicht hatte, ganz gerade auf die Sache los zu gehen, so lenkte er von Weitem dahin. 18, 211; Ihn erst auf die feinste Weise sondiert und da er nicht hören wollte, auf die g–ste Weise befragt. 19, 204; Ganz offen und gerade gegen ihn zu sein. 21, 2; 29, 218; Die Nation ist wacker und gerade vor sich hin. 23, 16; Der gerade [nicht verdrehte] gesunde Menschenverstand. 39, 365; Ein gerader und unverkünstelter Bauersmann. Hebel 3, 312; Der Herr von Sitten war ein alter g–r Degen. Müllner 7, 187; Ich bin halt ein plumper gerader deutscher Kerl. Sch. 183a; Ihr werdet selber nicht erwarten, | daß euer Spiel mein g–s Urtheil krümmt. 352a; Mein Weg muß gerad sein. | Ich kann nicht wahr sein mit der Zunge, mit dem Herzen falsch.. Eure künstlichen Gewebe | mit einem g–n Schritte zu durchreißen. 359b; Um weder .. durch g. Vorwürfe zu beleidigen, hüllte der Dichter seine Sehnsucht in eine . . Allegorie. V. Ländl. 1, 234; Der scheue Blick, anstatt gerad’ ans Ziel| zu gehn, muß einen Umweg nehmen. W. 11, 165 etc. S. G.-aus, -hin, -zu etc. g) Du scheinst schief [krumm, übel] zu nehmen, was grad in meinem Sinn geht [in der Ordnung, so ist, wie es sein soll]. Chamiso 5, 82; Sanftmüthig bleiben und demüthig grad zu machen suchen, was Andere krumm gemacht. Gotthelf U. 2, 51. h) Mit geraden [rechten] Dingen [s. d.] ging Das nicht zu. Kapper Ch. 1, 12 etc.
3) Nach g. = jetztallmählich: Das müssen wir doch nachgerade an den Kinderschuhen abgelaufen haben. Danzel 411; Die kriegerischen Gelüste . . sind nachgerade ziemlich erloschen. Heine Lut. 1, 203; Immermann M. 1, 348; Nachgerade, gestehe ich, fing mir an, ein wenig schwul zu werden. Münchhausen 97 etc., vgl.: Der Anfall .. kam nach Graden, wird aber leider täglich ärger. Wagner Kind. 38.
Anm. Mundartl., veralt. Bedd. und Formen s. Schm. 3, 48 ff. und vgl.: Gerädere Furchen. Schaidenreißer 79a; Den gerädesten [längsten] Menschen. Eppendorf 15; Höhere und gerädere Bein. 67; Ist gerad [hurtig] mit Springen. 68; Geradigkeit zu laufen. 16; Mit Stärke, Größe und Geräde zu laufen überlegen. 42; Stumpf 144b etc.; 140; Edler gerader [tüchtiger] reicher Jüngling. Schaidenreißer VI. Heute schwankt, wie die Belege zeigen, die Form zwischen Grade und Gerade. Jene, schon bei Opitz 1, 12 (vgl.: Gräder. Stumpf 390a etc.), scheint der Ausspr. am gemäßesten, wie sie denn nicht nur häufig im Vers vorkommt (z. B. G. 11, 170; Sch. 361a; V. 1, 43; Od. 23, 107 etc.), sondern auch in der Prosa z. B. Burmeister gB. 2, 208; G. 3, 300; Gutzkow R. 1, 36; 162; 7, 151; 8, 33 etc. Ahd. gerad, zunächst in Bed. 1; Grundbegriff scheint das Gepaarte, Gereihete, Geordnete, Gehörige, vgl. Un-G. 2; Reihe, Raiten, Bereit, Rath, Geräth, Grade III etc.
Zsstzg. z. B.: Bāūm- [2a]: Da richtete sich sein Pferd erst b. auf. Alexis H. 2, 1, 144. Bólz- [2a]: Gotthelf G. 166; 266; 363; U. 2, 51; Keller gH. 4, 399 etc. Fāden- [2c]: schnur-g. Kurz Sonn. 165. Kérzen- [2a]: Alexis H. 2, 1, 101; Prutz Mus. 1, 57etc.
Kūgel-: von dem Rohr eines Schießgewehrs, überall gleich weit, kugelgleich, vgl. Kaliber. Pfēīl- [2a]: Geßner 3, 142; L. 1, 107; Sch. 30b etc. Schnūr- [2c]: Sch. Hauptallée. Gutzkow R. 2, 373; 5, 285; Ja wohl ist diese Stelle dem Herrn Klotz so sch. entgegen. L. 11, 195; Sch. zuwiderlaufen. Sch. 687a; 1193a etc. Stángen- [2a]: J. 3, 95.
Ún-:
1) [1].
2) [2] U–e Linien, gewöhnl. krumme, schräge, schiefe etc. Aber oft = ungehörig, nicht der Ordnung gemäß: Wo es bisweilen etwas ungerade hergehen soll. Hebel 3, 482, und als sächl. Hw.: Der Hund merkt, hier sei etwas U–s vorgefallen. 159; Gotthelf G. 146; 181; Der Schwangern würde was U–s geschehen [abortieren]. Arndt E. 2. Graf