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glatt
Glátt, a., –est (glättst):
Ggstz. von rauh, frei von Unebenheiten, so daß man ohne Anstoß darüber hin gleiten kann oder gleitet:
1) eig.: G–e Fläche; Ein Spiegel, ein Marmorbild, das Eis ist g.; Eine Schlange, ein Aal ist g., schlüpfrig, nicht leicht zu halten; Etwas durch Bimsen, Bohnen, Hobeln, Meißeln, Polieren g. machen, es g. bimsen etc.; Die Haare g. bürsten, kämmen; Auf ebenem Wege kommt man leicht vorwärts, auf g–em gleitet und fällt man leicht; Es ist sehr g. zu gehn; G–es [unbärtiges] Kinn; G–e [runzellose] Stirn; G–e Frucht (Hebel 3, 470), g–es Getreide (Ggstz. von rauh), ohne Acheln, Grannen, Hülsen etc.; G–e, nicht krystallinische Seife. Karmarsch 3, 262 etc. Schroff-g–er Felsenwände Spiegelflächen. G. 10, 221; Auf dem g–en Grunde der Fürstengunst zu straucheln. Sch. 714a; Die Stirn war nicht mehr g. und die Locken wurden bleich. Schlegel Luc. 259; Sein g–es [bartloses, vgl. 3] Mädchengesicht. W. 16, 229 etc. Daher:
2) wohlgenährt (nam. vom Vieh), s. 3: Statt seiner zwei g–en und wohlgenährten Rappen ein paar dürre abgehärmte Mähren. HvKleis E. 1, 12; Der g–en Pferde wohlgenährte Zucht. Sch. 519a; Die g–en Kühe. V. 4, 13 etc., vgl. Blank 2.
3) hübsch, von gutem Aussehn, namentl. jugendliche Frische und Fülle zeigend, schmuck: Jugendliche, zarte und g–e Schönheit hatte er nicht, sondern stärkere Züge der Schönheit des männlichen Alters. B. 136a; So steht dein Bild auch klar und g. | in unserm Herzen. G. 6, 47; Mamsell hat Angst um ihre g–e Haut. Gutzkow R. 8, 33; 7, 151; Ein g. Gesicht hat manchen Mann betrogen. Musäus M. 2, 152; V. 1, 201; Des g–en Fells zu pflegen [s. 2]. W. HB. 1, 63 etc.
4) Etwas geht g. ab, ohne Anstoß; Der Wein geht g. ein [man trinkt ihnohne Widerstreben, mit Behagen, vgl. im Ggstz. Krätzer]. Spr. 23, 31; Es war ein g–es Geschäft [das sich rasch, ohne Anstoß abwickeln lässt]. Freitag Soll 2, 25; Das Außerordentliche geschieht nicht aufg–em, gewöhnlichem Wege. G. 15, 122; So g. geht’s euch vom Maule. 10, 146; Der Vortrag g–er, zierlicher. Kinkel E. 303; Alles im Hause so g. und so leise und so fix zu besorgen. Laube DW. 5, 50; Das ging denn g. und gut von Statten. Zelter 1, 453.
5) s. 4: Die Schmeichelei ging der Königin so g. ein. Musäus 1, 130 etc., und so überhaupt in Bezug auf ein Benehmen, das nirgend Anstoß giebt, sich überall anzuschmiegen und einzuschmeicheln oder durchzuwinden weiß etc.: G–e Höflinge, Heuchler, Schmeichler etc.; G–e Zunge, Worte, Rede etc.; Ich verließ mich .. auf den Gebrauch der Welt, der sich so g. | selbst zwischen Feinde legt. G. 13, 159; Er weiß | so g. und so bedingt zu sprechen, daß | sein Lob erst recht zu Tadel wird. 183; 329; 8, 115; 18, 163; Er sollte dem g–en Ohrwurm weniger trauen. Grabbe Hann. 61; [Die Schmeichelei] legt | ihr g–es Joch nur eitlen Seelen auf. Hagedorn 1, 17; Verführerisch wie die Stimme der g–en Satansmuhme. Heine Lut. 2, 177; Lied. 288 etc. —6)techn.: von Dem, was ohne Unterbrechung in einer Weise fortgeht, z. B.: G–es [Ggstz.: gezognes] Gewehr; G–e Dose, Knöpfe, ohne Verzierung; Glattes [Ggstz.: gemustertes] Zeug; G–es Tuch, ohne Spitzenbesatz etc., nam. auch Buchdr.: G–er Satz, der bloß Schrift, nicht etwa Ziffern u. dgl. enthält. 7) G. als Adverb zur Verstärkung = durchaus, ganz, ohne Weitres etc., hervorgegangen aus Wendungen wie: Etwas g. abhauen, wegschneiden etc., so daß Nichts davon bleibt: Daß man mit dem Lehrer g. weg [vgl. schlankweg, rund, ohne Umstände, vgl. 6] reden kann. Auerbach Leb. 2, 146; Die einzige verdammte Redensart hob ihn g. aus dem Sattel. Engel 1, 95; G. aus meinem Herzen verschwunden. G. 9, 249; Das habe ich ihm aber g. abgeschlagen. Hagen Nor. 258; 254; Fischart B. 102b; Wenn er der Armuth letztes Hemd | ihr g. vom Leibe schrieb. Langbein 2, 209;Ich sag’s ihr lieber g. Müllner 6, 153; Er sprach Das so rein heraus, so g. weg. Steffens Malk. 1, 328 etc. Veralt., mund- artlich in weitrer Anwendung, nam. auch bei Verneinungen: G. kein Rauch. Ryff Sp. 119b; 124a; 1b etc., s. Schm. 2, 95.
Anm. Adelung hat die Steigrung nur ohne Uml., doch findet sich: Glätter z. B. Ps. 55, 22; Spr. 5, 3; Forster R. 1, 210; G. 36, 24; Gutzkow R. 4, 169; Müllner 6, 47; Rollenhagen Fr. 228; Rückert 2, 150; Vogt Oc. 1, 201; V. Georg. 263 etc. Ahd. klat, mhd. glat, s. Glanz Anm. Ags. wie noch engl. glad, froh, vgl. lat. laetus (froh und wohlgenährt)
Zsstzg. bezeichnet theils einen Vergleich: Diese aalg–en Heuchler. Gutzkow R. 1, 219; Auf ihren atlas-g–en Wangen. Pfeffel Pr. 1, 140; All’ meine Proben gleiten | von diesem schlangeng–en Sonderling. Sch. 262b; Marmor-g., aber auch marmorkalt; An einem seifen- g. gewordnen Tau. Gutzkow R. 4, 155; Spiegel-g. wie Stahl. G. 12, 183 etc., theils auch die Ursache: Die Wege .. regen-g. [glatt vom Regen]. Gutzkow R. 7, 3 etc., theils den Ort: Den kinn-g–en Soldaten. Bodenstedt 2, 60 u. ä. m.