Faksimile 0585 | Seite 577
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Genie
Genīē (frz. shen–), n. (s. Anm.), –s; –s:
1) (vgl. Genius) die eingeborne schöpferische Geisteskraft: Das Talent [ist] die Voraussetzung des G–s. Danzel 139; Daß das eigentliche Talent Nichts sein kann als die Sprache des G–s. G. Lav. 95; G. und Talent werden wohl am besten so unterschieden, daß Jenes auf die Erfindung und Dieses auf die Nachahmung bezogen wird etc. Gutzkow G. 39; Darin ist Jedermann einig, daß G. dem Nachahmungsgeiste gänzlich entgegenzusetzen sei. Kant Kr. d. Urtheilskr. 181; Also ist das G. eines Menschen „die musterhafte Originalität seines Talents“. . . Wie wäre es also, wenn wir das französische Wort G. mit dem deutschen „eigenthümlicher Geist“ ausdrückten? Anthr. 159 ff.; Daß alle Vermögen und Fähigkeiten der Seele in einem vorzüglichen Grade zu einem großen Endzwecke übereinstimmen müssen, wenn sie den Ehrennamen des G–s verdienen sollen. Mendelssohn 4, 2, 340; 47; IP. 41, 60 ff. etc. Zuw. minder genau, wie Talent (s. d.), geistige Anlage: Ohne selbst G. zur Musik zu haben. G. 17, 3.
2) ein Mensch von Genie: Solchen Dichter von der Gnade | Gottes nennen wir G. Heine Rom. 221; In vielen Fächern G. zu sein, ist ein vastes G. Kant Anthr. 159; Das G. will mehr thun als sein Vorgänger, der Affe des G–s nur etwas Anders. L. 4, 109; Große G–s erreichen das Ziel mit einem Schritt, wohin sich gemeine Geister durch eine lange Reihe von Schlüssen müssen leiten lassen. Mendelssohn 4, 1, 9 etc.
3) (vgl. 2) zuw. tadelnd, vgl.: Ob der Welt durch große G–s im Ganzen sonderlich gedient sei, ... mag hier unerörtert bleiben. . .. Aber ein Schlag von ihnen, G.-Männer (besser G.-Affen) genannt, hat sich unter jenem Aushängeschilde miteingedrängt, welcher die Sprache außerordentlich von der Natur begünstigter Köpfe führt, das mühsame Lernen und Forschen für stümperhaft erklärt und den Geist aller Wissenschaft mit einem Griff gehascht zu haben, ihn aber in kleinen Gaben koncentriert und 73 kraftvoll zu reichen vorgiebt. Kant Anthr. 161. So namentl.: Kraft-G. Ein liederliches G. Danzel 266; Den er nun für ein gutem Rath nicht folgendes überspanntes G. ausgab. Fichte N. 15.
4) Geist (s. d. 5), die geistige Eigenthümlichkeit eines Volks, einer Zeit, einer Sprache etc., z. B.: Das G. beider Sprachen völlig außer Acht gelassen. Engel 8, 106; Du schnitzerst wider das G. der deutschen Sprache. L. 12, 21l; Mendelssohn 4, 1, 247 etc.
5) Ingenieurkunst (vgl. Jngenieur).
Anm. Zuw. Genit.: Des G., z.B. Prutz Mus. 3, 66 etc. Bei W. öfter männl. st. Genius (s. d. u. vgl. Geist 7): Vielleicht setzt unvermerkt ein freundlicher G. | .. sich bei der Arbeit ihm aufs Knie. 11, 158; 20 etc.; dann auch so = Geistesanlage: Den G. und das Maß der Fähigkeiten der jungen Leute aufs genaueste zu erforschen. Ders. etc. Vgl. die ungw. Mz.: Daß solch ein Zug von je und je im Stempel | erhabener Genieen (⏑–⏑) war. B. 31a. Vgl. das versch. Genien. Scherzhafte Fortbildung: Wird euch ’mal begenieen, | daß euch die Steiße glühen. B. 21a. S. †Be.
Zsstzg. z.B.: Díchter- [1; 2]. Musäus Ph. 2, 46, ebenso: Künstler-, Maler-, Bildhauer-G. etc. Erz- [2]. Ⅰ0 Prutz Woch. 27. Knēīp- [1; 3]: Sein Lied, die drei Reiche der Natur, ist voll echten K–s. Danzel 125; Er ist ein K. etc. Kráft- [3]. Kúnst- [1; 4]: Wehe dem griechischen K., wenn es vor dem Genius der Neuern Nichts weiter .. voraushätte. Sch. 1132b. Origināl- [1; 2]: von ursprünglich schöpferischer Kraft. . ] Universāl-: allumfassendes Genie, u. ä. m.