Faksimile 0579 | Seite 571
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Geiz
III. Gēīz, m., –es; 0; -:
1) Gier, heftiges Streben, Verlangen nach Etwas, z. B.: Die heroischen Gesinnungen, den G. nach Gefahren. L. 5, 101; G. nach eigner Macht. 6, 219 (Weiße); Mich locket nicht des eiteln Ruhmes G. Sch. 420b; Ich will mit G. in deinen Reichthum sinken, Natur. Seume Gd. 202; Wie voller Reize | sie war! mit welchem verschlingenden G–e | ich an ihr hing! W. 11, 38; Betrachtet, | auf sie herabgebückt, mit liebevollem G. | das engelgleiche Bild. 20, 198; Ihr Ehr-G. weicht nun einem süßern G., | dem G. nach seinem Kuß. 293; Ihre Seelen kannten auch | sonst keinen G. als den nach Ruhm. HBr. 2, 230. So schwzr. noch = Heißhunger, Eßgier, wonach man Keinem Etwas lassen möchte (vgl. 2d): Auf den G. hin zu essen. Gotthelf 5, 163, s. Stalder 1, 439.
2) in engerm Sinn: das übermäßige Streben nach Geld und Gut, Habgier, z. B.: Der schlimmste G. ist der, mit dem sich Kargheit paart, | ein Filz hat keine Scham. Lichtwer 214, noch häufiger aber verschieden von Habgier, das Festhängen am Besitz, von dem man Nichts oder doch nur das möglich Geringste, und auch dies nur mit Überwindung weggiebt (vgl. Kargheit, Knauserei, Filzigkeit, und s. Geiz-Hals, -Hammel, -Drachen), oft auch: Habgier und Kargen vereint: Hütet euch vor dem G., denn Niemand lebt davon, daß er viel Güter hat. Luk. 12, 15; Der G. ist eine Wurzel alles Übels. 1. Tim. 6, 10; Ehr-G. und Begierde nach Glück und Reichthum so sollte man wohl den G. nennen, wenn er bei sovieler wahren Ehrbegierde steht waren wohl die Haupttriebfedern seiner [Cook’s] Handlungen. Lichtenberg 4, 108 u. o., so bibl. auch: Den G. treiben. Hes. 22, 13; Dem [nach]stellen, u. ä. m. Dazu:
a) eine karge Gave (bibl.) 2. Kor. 9, 5.
b) personif., z.B.: Bin männlichen Geschlechts, der G. G. 12, 44; Derwegen sie [Accus.] das Land nicht geizig, sondern den G. selbsten hieß. Hammer RH. 309; Die zwo schädlichsten Plagen, .. falsche Prediger .. und Junker G., der da hindert am guten Leben. Luther 5, 410b; Hier durchwühlt der G. .. | seiner Koffer goldnes Eingeweide. Seume Gd. 89.
c) übertr. in Bezug auf das Obj., z. B. auf das Kargen mit der Zeit etc.: Aus G. mit meiner Zeit. L. 12, 387b etc.
d) übertr. in Bezug auf das Subj.: Den schönen Baum .. Noch hat seiner Natur Kraft | der Erde aussaugendem G–e | .. widerstanden (vgl. 1a). G. 2, 35; Die Natur .. begabete mit mildem G. [das Geschaffne]. H. 15, 65.
Anm. Ahd., mhd., noch schwzr. (Gotthelf G. 83; Zwingli 2, 27 etc.) git, vgl. gienen, gähnen, das Maul aufsperren nach Etwas. Veralt. Geizerei, z. B. Luther 1, 296b in der Stelle 2. Petr. 2, 3. G. I. gehört wohl hierher (vgl. 1a und 2d), indem der Nebenschoß als gierig die Kraft aussaugend und an sich reißend betrachtet wird, vgl. IV. und Räuber. Andre ziehn diese Bed. zu dem mit „Keim“ stamm- und sinnverwdt. ahd. kidi, s. Schm. 2, 282; Stalder 2, 98.
Zsstzg. z. B.: Ehr- [1]: das (unersättliche) Streben nach Ehre und Auszeichnung, vgl. Ehr-Begierde, -Sucht: Er war hoffährtig ohne E., wollüstig ohne Geschmack und geizig, ohne ein guter Wirth zu sein. W. 27, 179; personif.: Den plaget Junker Haß und Frau E. Luther SW. 61, 56 etc. Géld- [1 u. 2]. Gūt- [2]: (veralt.). Līēbes- [1]: Die mit heißem L–e | deinem Kuß entgegenflohn. Sch. 10a etc.