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Gären
Gǟren, gor (gärte), göre (gärte); gegoren (gegärt):
intr. (haben u. zuw. s. c sein): in innerlicher Erregung u. Bewegung sein, eig. von chemisch sich entmischenden Körpern, und übertr., auch unpersönl. (s. Gärung): Der Most, der Wein, das Bier, der Sauerteig gärt, hat gegoren etc.; Daß schon Leidenschaft im zarten Busen gor. Alxinger 6; Ein sonderbares Gemisch von Lebensliebe und Lebensverachtung gärte in ihm. Auerbach Dicht. 2, 93; Der Most, der g–d sich vom Schaum geläutert. G. 6, 370; 30, 34; Wie g–d stieg aus der Erschlagnen Blut | der Mutter Geist. 13, 14; Ketzereifer! .. Du gärst in Priesterblut. Haller 77; Es kocht mein Blut und zischt und gärt. Heine Lied. 13; So sehr aber bei dem ersten Zuflusseprotestantischer Elemente das bisher ruhige katholische Fulda gor und gischte. König Leb. 1, 35; In wildem Aufruhr gor die Luft, das Meer, das Land. Kosegarten Po. 2, 291; Den g–den Pumpernickel. IP. 1, 6; Riesenplane g. in meinem schöpferischen Schädel. Sch. 108a; 319a; G–d Drachengift. 544a; Die Kufe [ihr Inhalt] gärt. V. 3, 186; Der See .. bauchte Pest und gor. 218 etc.
a) auch unpersönl.: Es gährt im Faß, im Kopf, im Herzen, in der Masse, im Volke; Daß es in seiner Seele gärt. G. 34, 160; Wie es da in mir gärte! Ach verdammt! nicht zu einer großen .. Handlung gärte es. Gutzkow R. 8, 364; Ruge Rev. 1, 175; Dem’s im Busen thatenschwanger wühlte, gor. Platen 2, 76.
b) refl., mit Beifügung der Wirkung: Uns ward dein Geist | gut- edel schon gekeltert, | er gor sich klar. V. 3, 223; Der Most hat sich zu Essig gegoren.
c) vgl. b, intr. mit sein: Der Wein ist klar gegoren [durch Gären klar geworden], ist zu Essig gegoren etc. Auch: Most ist ungegorner Wein = Wein, der nicht gegoren hat (ist), wie zuw. auch tr.: Wein, den man nicht gegoren hat [hat gären lassen], vgl. Aus-g. 3.
Anm. S. gischen, gäschen. Ahd. jësan, gësan und jërian, gërian (Graff 1, 611 ff., vgl. Benecke 1, 529 und 535) mit Wechsel von „s“ und „r“, vgl. kiesen, erkoren; Verlust, verlieren etc. Grundbed.: die heftige Erschüttrung, vgl. goth. geisjan, erschüttern, außer sich bringen. Hierzu: Gur, güren etc., Gest (Hefe), Jast (s. d.), Gäscht, Gischt, auch Geist, Gas etc. Oft die Schreibw.: Gähren, veralt. die Formen des Präs.: Du gierst, er giert; Ein Faß, darin ein Most gieret. Luther SW. 35, 292 etc. (s. Aus-g. 2 u. 3). Mundartl. Nbnf.; Gärmen, Germen, wie auch Gärm, m., –(e)s; –e: Hefe, Gäscht (s. d.); Gärmig, a.: Hefe habend etc.
Zsstzg. z. B.: Áb-: fertig gären: Im A. des Getränkes. Willkomm Sag. 1, 208 etc.
Āūf-: gärend aufsteigen, aufbrausen (mit sein und haben): Wenn das Volk endlich aufgärt und seine Ketten zerreißt. G. 14, 56; Wenn das wilde Wesen aufgärt und die Zucht und die Liebe zerreißt. Hölderlin H. 2, 44; Da der Pfuhl . . aufgor. V. Br. 1, 10; A–de Wogen. Th. 7, 53 etc. Aus festem un- aufgegorenem Teige. Rumohr Kochk. 98.
Āūs-:
1) zu Ende gären, durch Gären fertig werden: Der Most, der zum trinkbaren Wein sich läutern soll, muß erst a. Riemer G. 1, 16; Es ist ein trefflicher Junge und wird, will’s Gott, auch a. G. Stolb. 1, 34; Ein Älterer gegen einen Jüngeren, ein Ausgegorener gegen einen Gärenden. Gutzkow G. IX; Wo die Revolution noch nicht ausgegärt [hat]. Heine Lut. 2, 31; Bis Hirn und Herz hat ausgegoren. Seume Gd. 192 etc.
2) durch Gären heraustreten: Wo der Krankheit Urstoff | nicht dem Blut ausgor. V. Hor. 1, 103; Kein Schattenspiel, | im Sitz der Phantasie aus Weindunst ausgegoren. W. 20, 85. Bergb.: Der Gang gieret (güret) durch das Gestein aus. s. Gur.
3) tr. zu 1 und 2: Der Wein .. allen Unflath von ihm ausgiert [stößt ihn gärend aus]. HSachs 2, 2, 89a; Diese Nacht habe ich einen Plan ausgegoren [ausgedacht etc.]. Zelter 1, 140; Stahl a., ausgärben. I. Dúrch-: intr. (sein): 1) gärend durch eine Offnung dringen, z. B. auch Kohlenbr.: Das Feuer ist durchgegoren, durchgeeimert, s. II, 1. 2) gehörig gären: Gut durchgegornes Bier. II. Durch-: tr.:
1) gärend durchdringen: Die Übergangskrise, wie solche so viele Länder durchgoren hatte. König Leb. 1, 60; Von ihrem eignen Most durchschäumet und durchgoren. Rückert BE. 378; Mak. 1, 50 etc. So (Kohlenbr.): Der Meiler ist durchgegoren, durchgeeimert, wenn durch zu starken Luftzug das Feuer an die Oberfläche schlägt, s. I. 2) gärend durchmachen, vollenden: Dem Topfe, worin Jedes seinen Bildungsproceß durchgor. Gutzkow Bl. 1, 373. Nāch-: nachträglich, nachfolgend, gären: Das Jungbier muß auf den Fässern n.; Im Norden ist’s nicht just . . . Es gärt so heimlich nach. G. 7, 83. I. Ǖber-: intr. (sein): gärend übertreten, vgl. über-kochen, -laufen etc.: Noch zwingt er seinen Zorn, bald wird er ü. II. Über-: refl.: zu viel gären: Das Bier hat sich übergoren; Übergornes Bier. Ver-: aus-, zu Ende gären: Alte, langsam vergorene Biere. Karmarsch 1, 224; Bis er [der Wein] dir klar vergor, harre du noch aus! Schimper 242; Die Jugend sei wie der Most .., er müsse „verjehren“ und überlaufen. Zinkgräf 1, 174. Indem unvergorene Elemente verschiedner Sphären obwalten. G. 32, 298. Zusámmen-: Der Mensch entsteht aus Morast und gärt wieder zusammen zu Morast [c]. Sch. 130b; Wenn Alles zusammengegoren hat. W. 23, 246 etc.