Faksimile 0537 | Seite 529
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gaffen
Gáffen, intr. (haben):
1) gähnen, den Mund aufsperren, klaffen: Man legt sie [die Muscheln] ins Trockne, bis sie g. Oken 5, 396; Er denkt, ein Abgrund gaffe unter ihm. IP.; Kluft, die ins Gesicht dir gafft. Thümmel; Daß die Seel’ aus der g–den Todeswunde | schleunig entfloh. V. Jl. 14, 518. 2) scharf auf Etwas sehen, spähen, lauern: Jes. 8, 22; Klagel. 4, 17; Auf des Nachbarn Schritt und Tritt zu g. G. 11, 139; Hat mir oft in die Augen gegafft. 1, 227; Wie aller Menschen Herzen auf diesen Reichstag g. und warten. Luther 5, 76b. 3) aus den beiden Bed. 1 u. 2 entstand die heute gewöhnlichste: Mund u. Augen aufgesperrt, Etwas anstarren, sei es als neugieriger, müßiger Zuschauer (vgl.: Maulaffen feil haben), sei es bewundernd und anstaunend (vgl.: große Augen machen): Jedennoch gafften wir | das Maul und Augen auf und hofften für und für | auf Hilfe. Opitz 2, 58 (Klagel. 4, 17); Daß er zu g. sich freut, wenn den Nächsten ein Unglück befället. G. 5, 6; So daß die Menge staunend g. kann. 11, 7; Ein so höchst bedeutendes Ereignis müsse man nicht .. nur g–d und staunend an sich vorbeigehen lassen. 20, 213; 31, 19; 2, 140; Du wirst g., du wirst Augen machen! Sch. 108a; Ihr steht da und gafft 120a; Jener im Schauplatz | gafft dem Geklatsch . . tieferstaunt. V. Georg. 2, 508; Pervonte starrt und gafft. W. 12, 28; 8; 20, 43 etc.
a) so auch zuw. tr.: Etwas durch Gaffen zu erkennen geben: Indem sie treffen, blenden meine Keile dich, | von mir getödtet, gaffst du noch Bewunderung. Platen 4, 183.
b) refl. (s. 2) mit Angabe der Wirkung: Da [in ihrem Anblick] will ich mich wieder gescheit oder völlig rasend g. G. 9, 43; Klinger Th. 2, 125; [Da] hab’ er beinah sich blind und steif gegafft, | ob etc. Wieland 11, 173.
c) Gaffer, m., –s; uv.: Hoch auf dem fernen Ufer stand | ein Schwarm von G–n. Bürger 36b; Machst du zum Gaffer mich in diesem Spiel? | hast du kein Wort für mich? Tieck Cymb. 5, 5 etc. Auch = Gienmuschel. Auch: Alles .. begafft er voll Verwunderung, und lediglich aus dieser bewundernden Gafferei des Berliner Badaud etc. Fichte Nic. 117.
Anm. 1 ist das ahd. giwên, s. Graff 4, 107, gaiffen. Schm. 2, 17, plattd. gapen. Brem. Wörterb. 2, 483, so auch seem.: Die Planke gapt. Bobrick 308b, s. Schottel 1132a; Weidner 203 etc., vgl. jappen, gähnen, gaffern etc. 2) dagegen ist ahd. chaphên (vgl. chaph Warte zum Ausschaun). Graff 4, 369, mhd. kapfen. Benecke 1, 786.
Zsstzg. zu 3, vgl. die v. sehn, gucken etc.: Áb-: Einem Etwas a.
Án-: anstaunen etc.: Glanz und Erdengüter werden angegafft. V. 4, 51; Stehe nicht und gaffe die Herren an, wie die Kuh ein neues Thor. Waldau N. 2, 157 etc. Āūf-.
Āūs-: zu Ende gaffen. G. 32, 25.
Be-: Nachdem sie der Held genug begaffet und bestaunet. L. 6, 482; Was begafft sie mich so? Sch. 203b etc.
Entgêgen-: Ihm [dem Blitz] mit einem kindischen Vergnügen e. L. 12, 51. Hêr-, Hín- etc.: Auch Cerberus’ drei hin-g–de Mäuler | schwiegen. V. Ge. 4, 484.
Nāch-: Wenn sie sterben, gafft [starrt] man ihnen nach. Merck’s B. 2, 221.
Um-: Du wirk ohn’ umzugaffen. V. 3, 190, am häufigsten refl. Ver-, refl.: durch Gaffen sich an Etwas hingeben, sich daran verlieren, durch den Anblick des Außern sich darin verlieben: Sich in ein Paar blaue Augen v. Chamisso 4, 262; Das schöne junge Blut! | wer soll sich nicht in euch v. G. 11, 38; Am Glanz des reichen Taugenichts | wird sich dein Blick auch nicht v. Pfeffel Po. 3, 53; Ohne sich .. an ihrem schlaffen | Busen .. zu v. W. 11, 47; Ein Titon hätte sich zum Jüngling dran vergafft. 3, 225 [wäre durch das Gaffen zum Jüngling geworden]; In ihren Busen hätt’ ein Engel sich vergafft. 12, 238. Auch: In Jemand vergafft [verliebt] sein etc.
Zū-: Während wir Maulaffen den Kinderpossen zugafften. Börne 5, 225 etc.