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fromm
Frómm, a., –st, frömmst:
1) (veralt.) tapfer, wacker, bieder, brav, rechtschaffen. s. Schm. 1, 610 ff. etc.
2) gottesfürchtig, die Lehren der Religion befolgend; dann auch: solcher Gesinnung entsprechend: Ein f–er Mann, Knecht; ein f–es Leben; eine f–e Handlung etc.; Die frömmsten Mönche. Alexis H. 1, 1, 291; Gedanken, die auch die frommste Frau um ihre Ruhe bringen. 1, 2, 167; Frömmer als ein Heiliger. Börne 2, 217; Im frömmsten Abendliede. Burmann F. 13; Die frommsten [der Mönche]. Chamiso 3, 99; „Alles was von Frömmigkeit im tiefsten Herzen wohnt, entfaltet sich in solchem Augenblick“. Auch ich .. war nicht frömmer als jetzt eben. G. 19, 400; Das zarte, f–e Gemüth. 39, 187; Das Fr ommste, das Andächtigste. Gutzkow Zaubr. 3, 258; Ein ritterlich Gemüth, | das von der frömmsten Miene für Gott und Menschen glüht. Reithard 82; Ein Volksvertreter, | der in Gerechtigkeit bestanden einen Tag | ist frommer als der fromme Beter, | der im Gebete funfzig Jahre lag. Rückert Erb. 2, 25; Reine Opfer will er haben .., | mit des Feldes f–en Gaben | wird der Heilige verehrt. Sch. 55b; Die f–e Pflicht ehrt auch der rohe Krieg, | frei sollt Ihr Eurem Herrn zu Grabe folgen. 472a; Rothkehlchen werden | mit f–em Schnabel alles Dies dir bringen [aufs Grab]. Tieck Cymb. 4, 2; Könnten so die fr ömmsten Augen lügen? W. 11, 211 etc.
a) in der Bibel etc. auch anthropomorphisch von Gott = gerecht, gut. 5. Mos. 32, 4; Ps. 92, 16 etc. (s. 3).
b) vermeintlich eine religiöse Pflicht erfüllend: Aus f–er Einfalt seinen Bündel Holz zu dem .. Inquisitionsgericht herbeigetragen. Guhrauer L. 1, 164; Eh Ferdinand mit f–er Wuth [religiösem Fanatismus] die Mauren von sich stieß. Ramler F. 3, 43 (Pfeffel); Ein f–er Betrug etc.
c) die äußern Religionssatzungen eifrig beobachtend, zumal ohne wahrhaft gut zu sein, scheinheilig, frömmelnd (vgl. Heilig 2): Du aber bist mystisch rein, | weil sie dich nicht verstehn, | der du, ohne f. zu sein, selig bist. G. 4, 24; Wenn ich der Frömmler Gaukelei entkommen, | so sei der Dank dafür an dich gewendet, | wohl fand dein [Winckelmann’s] Geist, was nie beginnt, noch endet; | doch fand er’s nicht im Predigtbuch der F–en. Platen 2, 122 etc.
d) Ein f–er Wunsch, ein guter, wohlgemeinter, oft mit dem Nebensinn, daß es eben nur ein Wunsch ist, zu dessen Verwirklichung Nichts geschieht: Es ist ein f–er Wunsch aller Väter, Das, was ihnen selbst abgegangen, an den Söhnen realisiert zu sehen. G. 20, 32; Damit man aber nicht denke, daß Dies nur ein f–er Wunsch oder eine Forderung ins Blaue sei. 39, 125; 468; 15, 214; F–e Wünsche, die Nichts frommen etc.
3) in Sonderheit: mild, gütig, wohlthätig, mitleidig: O Gott, du f–er Gott, | du Brunnquell aller Gaben! Heermann etc.; Eine f–e Zähre | fließt von des Helden Angesicht. Gellert; Des Mitleids f–e Stimme. Sch. 474b; F–e Gaben etc.
4) Keinen verletzend, friedlich, friedfertig, geduldig, still, ruhig, lenksam, gehorsam etc.: [Da] ward Esau ein Jäger .., Jakob aber ein f–er Mann und blieb in den Hütten. 1. Mos. 25, 27; F–er [Hirten-] Stab, o hätt’ ich nimmer | mit dem Schwerte dich vertauscht! Sch. 474b; Es kann der Frömmste nicht in Frieden bleiben, | wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt. 545a; Ein f–er [nicht bissiger] Hund; Ein f–es [nicht wildes] Pferd; Ein f–es Schaf, auch Bezeichnung eines harmlosen, Alles ertragenden Dummkopfs; Ein f–es [artiges, folgsames] Kind; Geduldig wie ein f–es Schaf. Gleim 4, 37; Still und f. wie ein Engelchen. Rückert Mak. 1, 64; Ein gutes Mädchen .., f. wie ein Lamm. W. 15, 5; 3, 78 etc.
Anm. Ahd. frum (so noch Luther 5, 270b etc.), Nbnf. zu fram, s. fremd, Anm., wie goth. fruma, der Vorderste, also zunächst: fördernd (vgl. frommen), nützlich, tauglich, tüchtig (was in brav, tugendhaft etc. sich entwickelt). Zum selben Stamm auch: frümmen = vorausbestellen etc. Schm. 1, 612. s. fremmen. Es findet sich auch ein verkl. Hw. Frömm(i)chen, Frömmlein, nam. ironisch in der Bed. 2c. s. Spate 569, und z. B.: Ja sie haben ihre Lügen (die Papisten, die Frömichen) noch weiter aufgeblasen. Luther 6, 28a. Eine im Allgem. veralt. Nbnf.: From(m)ig (s. Frisch 1, 299a in der Bedeutung tapfer), vgl.: Was Lutherus frommiglich und gottselig verordnet. Weidner 158, bei Spate mit Uml., findet sich so auch noch: Jene gepriesenen Lämmer der Sanftmuth würden sich minder frömmig [4] geberden, besäßen sie die Zähne und die Tatzen des Tigers. Heine Rom. 304. Daraus erklären sich die versch. Formen des abstrakten Hw.: An Frommheit und Kourage. Blumauer 2, 177; Schuldlos .. wie die Frommheit selbst. V. Sh. 3, 32; vgl.: Solche hinterhältige Unfrommheit. Ant. 1, 323 etc. Veralt.: From(m)keit. Geßner 1, 88; Luther 6, 177b; 265a; Schaidenraißer 7b; Waldis Ps. 36, 2; Zinkgräf 1, 331; 3, 54; Zwingli 2, 14 etc., u. so alterthümelnd! Frummkeit und Tugend beider preisen. G. 2, 119; Fröm(m)keit. Luther 1, 166b; 6, 386a; Matthestus Luth. 30b etc.; From(m)igkeit. Luther 6, 177b; Zinkgräf 1, 335; 3, 130 etc. Jetzt gew. mit Uml.: Frömmigkeit (s. u.).
Zsstzg. z.B.: Hérzens- [2]: innerlich, wahrhaft fromm, Ggstz.: maul-f.
Hyper-: über-f. Brachvogel FB. 2, 167. Lámm- [4]: Erzog den Jüngling zum Rächer, nicht zum l–en Mönche. Kinkel E. 9; Die blauen, | l–en Augen. Wieland 12, 106 etc.; So lämmer- fromm. Blumauer 2, 171. Līēbe- [2]: von frommer Liebe erfüllt: Wir finden ein l–es Gemüth, das alle Härten des Vaters in sich zu schmelzen vermochte. Moleschott Forster 8. Litanēīen- [2c]: L–e Weisen. Heine Rom. 60. Māūl- [2c]: nur in Worten, nicht im Handeln fromm. Auerbach D. 1, 526.
Ǖber-: übertrieben fromm, nam. [2c]. Ún- [2 u. 2c]: ohne Frömmigkeit. Wēīsheit- [2]: weise u. fromm. G. 4, 20 etc.