Faksimile 0499 | Seite 491
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fremden
Frémden, intr. (haben):
(mundartl.) leutscheu sein, von Kindern. Stalder; Schm.
Zsstzg. z. B.: An-, tr.:
1) Einen fremd behandeln; auch von Sachen, als Ggstz. von anheimeln (s. d.): Daß jeder Einblick eines Dritten etwas A–des zurücklässt. Auerbach Leb. 3, 125.
2) = anfremen (s. d.). Be-, tr.: Einem fremd (s. d. 2d), sonderbar, seltsam, überraschend vorkommen: 1. Petr. 4, 4; 12; Diese b–de Aufforderung machte mich .. betreten. HHerz 216; Wenn dich Dieses zu sehr befremdet. L. 12, 410; Daß ihn dieser Entschluß sehr befremde. 448; Können dergleichen Eltern es sich wohl b. lassen, wenn etc. Rabner 3, 15; Unbefremdet, mild und freundlich. W. 11, 122; Zu meinem großen B. [Staunen] etc. Zuw. refl.: Die Jungfrau mochte sich wohl darum b., daß etc. Hebel 4, 34; Kant 8, 359 etc.
Anm. Mit Dat.: Damit es Ihnen nicht befremde. L. 12, 161; 382; 7, 347 etc. Hierzu: Befremdung = Staunen, Verwunderung. G. 15, 85; B–en, daß ich zu lange ausbleibe. L. 12, 244; 6, 441 etc. So auch Befremd-lichkeit (s. d.) und zuw. -nis. So giebt das Wasser beim Strömen durch die organische Materie befremdete [fremde] Stoffe an sie ab. Burmeister gB. 1, 24. In der Basler Bibel von 1523 als „ausländig“ durch „verwundern“ erklärt. Ent-:
1) tr. (ref.): Einem (auch: von Einem etc.) Etwas e.:
a) es von ihm entfernen, ihm fremd, abwendig machen: 1. Tim. 5, 6; Entfremdet ihrer Heimath, unbekannt. Chamisso 4, 70; (Napoleon:) Grüßt meinen Sohn, den grausam mir entfremdeten! 183; Der du .. mich von Maria schier entfremdet. 176; Entfernt von dir, entfremdet von den Meinen. G. 2, 8; Entfremdet war dir mein Gemüth. 9, 293; Auch Ottilie entfremdete sich einigermaßen von Charlotten. 15, 111; Zu gleicher Zeit sollte mich noch eine Ableitung der Welt e. 25, 153; Guhrauer L. 1, 86; Was dem Soldaten seine Pflicht [vgl.: den Soldaten seiner Pflicht] entfremdet, nenn’ ich Bestechung. Kotzebue NSch. 10, 210; Zu den entarteten | Enkeln senkte sich bald eiserne Zeit herab. | Dies entfremdete sie [die Gerechtigkeit, trieb sie fort]. Matthison A. 11, 23; Die unser Herz [einander] in bitterm Haß entfremdet. Sch. 493b; Wenn er es [der Maler sein Werk] nun aufopfern muß, es verstoßen und e. Tieck 16, 168; Mir auszuweichen und sich mir zu e. [entziehn]. 263 etc.
b) Einem Etwas e., entwenden, z. B. Geld. Weidner 41 etc.; Die Scene ist aus Hamlet entfremdet [entlehnt, abgeschrieben]. Stahr Par. 1, 234 etc.
2) intr. (sein): fremd werden: So entfremdet er allen bürgerlichen Angelegenheiten. Raumer Päd. 3, 2, 3; So fühl’ ich mich doch ganz und gar entfremdet [fremd, nicht zu Hause]. G. 12, 105; In Blick und Miene ist etwas Unbefriedigtes, Entfremdetes, dem man nicht beikomme. 31, 224.
Anm. Veralt. zu 1b: Ich bin der Kleider entfremdet [beraubt] worden. Mundartl. (s. 2): Das entfremdet [befremdet] mich. Stalder 1, 397. Dazu: Entfremdung, nam. zu 1a: G. 18, 104; Das Volk hat sich trotz und in Folge gelehrter E–en ein eigenes Geistesleben erhalten. Auerbach SchV. 196; Welt-E. Lewald W. 2, 39; 410. Ver-: tr.: fremd machen, und intr. (sein): fremd wêrden, vgl. ent-f.: Daß mein gut Geld so verfremdet werden [in fremde Hände kommen] soll. Auerbach Dicht. 1, 221; Dorfg. 4, 242; Da sich ihr Herz ihm verfremdet. 256; Verfremdet und tief verletzt. Leb. 1, 127; Ein Gefühl der Verfremdung . ., weil der Ohm es [sie] bei falschem Namen genannt. Barf. 31; Keller LvS. 332.