Faksimile 0498 | Seite 490
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Freiheit
Frēīheit, f.; –en:
1) der Zustand des Frei-Seins von etwas Hemmendem, Beschwerendem etc. in den versch. Bed. des Wortes „frei“ (s. d.), auch in Bezug auf einzelne Befreiungen, wodurch man einem beschränktern Zustand enthoben ist, so nam. = Privilegium, ein Recht wodurch der Oberherr die Gleichheit der bürgerlichen Rechte zum Besten Einzelner aufhebt. Man beachte den Unterschied zwischen: Die F. [allgem., Ggstz.: Sklaverei, Knechtschaft, und so auch personificiert = die Göttin der F.] und: Eine F., F–en. Die F. von Abgaben, Steuern, Schulden, Geschäften etc., so auch: Abgaben-, Steuer-F. etc. [s. frei I. 1]; Gefangnen, Sklaven, Leibeignen etc. die F. schenken, sie in F. setzen; Bürgerliche, staatliche, physische, moralische F.; Die F. der Bewegung; Die F. [ungekünstelte Leichtigkeit] des Pinsels etc.; Die F. [das Nicht-beschränkt-sein, das Un- abhängig-sein von beschränkenden Einwirkungen und Bestimmungen] der Gedanken, des Geistes, der Gewerbe, des Gewissens, des Glaubens, des Handels, der Messe, der Presse, der Religion, des Willens etc., und so auch die Zsstzg.: Gedanken-, Geistes-, Gewerb- etc. F. Eine Stadt mit F–en begnadigen; Einem viele F. einräumen; Bau-, Brand-F–en etc., Vergünstigungen, die Einem bei einem Bau, bei einem erlittnen Brande etc. bewilligt werden; Ich nehme mir die F. [erlaube mir], Ihnen Dies zu erwidern; Sich viele F–en herausnehmen [sich Dinge erlauben, die nicht recht sind, nam. den Anstand, die Sitte verletzen] etc. So hat auch der Mensch eine doppelte Bewegung, eine besondere und eine allgemeine. Diese reißt ihn unaufhaltsam fort, es ist sein Schicksal; jene wird von seinem Willen bestimmt, es ist die F. Börne 2, 367; Der Unterschied zwischen F. und F–en ist so groß als zwischen Gott und Göttern. 3, 308; 40; Aber wenn hatte die F. je die Erlaubnis bekommen, frei zu sein? Man nimmt die F., man empfängt sie nicht. Frz. 80; F. von Nationaleitelkeit. Fichte 7, 343; Die F. als der Gegensatz des Instinktes ist . . sehend und sich deutlich bewusst der Gründe ihres Verfahrens. 9; Und du verzeihst die F., die ich nahm, | was sich die Frechheit [s. d.] unterfangen. G. 11, 137; Dafür sind aber auch unsere Privilegien so deutlich, unsere F–en so versichert. 9, 166; So heißt das Volk die Kanaille, die F. heißt Frechheit. Heine Reis. 4, 312; 300; Deinen Sohn in die F. versetzt. L. 3, 71; Von der Steuer- F. in Städten, Flecken und Weichbilden. .. Die Frage, ob diese oder jene Person einer F. von bürgerlichen Lasten genieße. . . Worin die F. in offnen Dörfern .. sich von der F. in geschlossenen Orten .. unterscheide. Möser 1, 237; 3, 259 u. o.; F., die ich meine, | die mein Herz erfüllt etc. Schenkendorf; F. liebt das Thier der Wüste. Sch. 56b; F.! ruft die Vernunft, F.! die wilde Begierde. 76b; F. und Gleichheit! 80a; Ins Feld, in die F. gezogen! . . Aus der Welt die F. verschwunden ist, | man sieht nur Herren und Knechte. 330a; 334a; Daß es dem Vortrefflichen gegenüber keine F. giebt als die Liebe. Sch. G. 2, 78 u. ä. m.
2) ein mit Freiheiten begabter, von gewissen Lasten und Einschränkungen befreieter Ort: Freimeister, welche in Hamburg auf einer ihnen angewiesenen F. wohnen. Möser Ph. 1, 35. So giebt es in versch. Städten eine Amts-, Burg-, Dom-, Herren-, Schloß-F. etc., urspr. den Gerichtsbezirk etc. des Amts, der Burg etc. bezeichnend (s. Friede 1), in Westfalen hießen so Marktflecken etc. Vgl. auch Freihart und Freiung.
Zsstzg. s. 1 und 2, wie auch die von frei, z. B.: Bāde-: wie sie in Bädern herrscht. Lewald Roth. 5. Bérg- [1; 2]: die Freiheit, Bergwerke anzulegen; das Privilegium einer Bergstadt, eines Bergfleckens u. ein damit begabter Ort.
Gást-: das Gastfrei-Sein, Gastfreundschaft. Forster B. 1, 396 etc.
Gedánken-: Freiheit der Gedanken, des Denkens: Geben Sie | G.! Sch. 279b; Gutzkow R. 1, 94 etc.
Gewérbe-: Freiheit der Gewerbe: Innungszwang und Gewerb s-F. G. 3, 198.
Glāūbens-: Hätte nicht Karl der Fünfte .. an die Reichs-Freiheit der deutschen Stände gegriffen, schwerlich hätte sich ein protestantischer Bund für die G. bewaffnet. Sch. 880a; Ein Symbol .. der G. an Wunder und Zeichen [Freiheit, an Wunder zu glauben]. G. 26, 211 etc.
Hálb-: Eine gewisse H. 39, 382 [im Ggstz. dervollen].
Hándels-: Die H. beschränken.
Jūgend-: wie sie die Jugend genießt: Gefühl .. der J., die wir nur zu bald | verscherzen. G. 8, 91.
Lêbens-: Einige tausend Denker erwarben sich Gedanken-Freiheit und das ganze Land verlor seine L. Börne Frz. 63.
Márkt-: das Recht eines Orts zu Jahrmärkten und die den Verkäufern auf dem Jahrmarkt eingeräumten Freiheiten.
Másken-: wie sie auf einem Maskenball herrscht.
Méß-: s. Markt-F.
Mönchs-: Weil sie im Aufblühen des neuen Klosters einen förmlichen Angriff auf ihre M. erblickten. Fallmerayer Or. 2, 30.
Préß-: Freiheit der Presse, Ggstz. Censur. G. 3, 61 etc.
Rēīchs-: das Reichsfrei-Sein etc., s. Glaubens-F.
Religiōns-: die Freiheit in der Wahl oder in der Ausübung seiner Religion. Schátz-, Schóß-, Stēūer- F.: das Frei-Sein von Steuern etc.
Un-: Zur Gebundenheit und U. führen. Tieck A. 1, 94 etc.
Wáld-: wie sie in den Wäldern herrscht. Falmerayer Or. 2, 30.
Wíllens-: die Unabhängigkeit des Willens von fremder Bestimmung, die Selbstbestimmung.
Zóll-: s. Steuer-F.: Die Z–en der Städte. G. 20, 23 und nach der Analogie unzählige.