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Frau
Frāū, f.; –en; –chen; –en-:
Person weiblichen Geschlechts, im Allgm. jetzt eine verheirathete, vgl. Mädchen, Fräulein:
1) Herrin, Gebieterin: Herunter, Jungfrau, du Tochter Babel ... Du sollt nicht mehr heißen: F. über Königreiche. Jes. 47, 1—5. So alterthüml. ohne Rücksicht auf das Verheirathetsein von der Geliebten: [Sie] wollte lieber seine Dame sein | als F. der ganzen Welt. W. 11, 130 etc., vgl. 2 und 5.
2) die waltende Herrin des Hauses, Haus-F., im Ggstz. von Dienerin, Magd. Ps. 123, 2; Sprüche 30, 23; Ich bin die F. vom Haus und nicht die Spindelmagd. Rachel 7, 556; Unserm Herrn und unsrer F–en. G. 12, 207; Jch muß zur gnäd’gen [s. d.] F–en.* 8, 304; Die F. vom Hause empfing uns freundlich etc.
3) Gattin, Ehefrau: Als Braut und am andern Tag als junge F.; Eine F. haben, nehmen, wählen; Seine zweite F.; Mein Vater fiel durch seiner F–en* Schuld. G. 13, 80; Und dieses Weib ist meine F. und dieses Mädchen ist meine Tochter. 9, 350; Wir haben oft „Mann und F.“ gespielt. Heine Lied. 131; Wenn er erst Mann und F. [verheirathet] mit der Dirne ist. Höfer V. 220 etc.
4) verheirathete weibliche Person: Die Mädchen, die F–en werden es lesen. G. 32, 180 U. v. 5) ehrende Bez., Titel, im Allgm. für verheirathete Frauenzimmer, wobei (vgl. Herr) der ursprüngliche Sinn von 1 bald mehr, bald minder zurücktritt und das Wort je nach der Verbindung mit dem Eigennamen, mit dem Titel des Mannes, mit Ew., welche versch. Rangstufen bez., eigenthümliche nach Ort und Zeit schwankende Nüancen (vgl. z. B. Gedike, Über Du und Sie. 30 ff.) erhält: Die regierende F. Herzogin; Der hochgebornen F. Gräfin X.; Empfehlen Sie mich Ihrer F. Mutter, Ihrer F. Gemahlin; (Bedienter:) Wie die gnädige F. befehlen; Liebe F. Rath! Bettina 1, 1; Eine simple F. von [Adlige]. Börne 5, 262; „F. Orgon!“ rief die F. Gevatterin. Gellert 4, 153; Die F. Professorin tritt auf .. F. Bahrdt. G. 7, 207; Wollte nach F. Marthe Schwerdtlein fragen. 11, 124; Ihro kaiserlichen Hoheit der F. Erbgroßherzogin.. 6, 48; Verzeihen Sie, gnädige F.! 9, 348; Erst knieend laß die treue Widmung dir | gefallen, hohe F. 12, 198; 192; Der F. von La Roche. .. Sie war die wunderbarste F. . . [mit einer Eleganz], die zwischen dem Benehmen einer Edeldame und einer würdigen bürgerlichen F. gar anmuthig schwebte. 22, 138; Sprach zur F–en *:Dame! etc. W. 11, 138 etc. Hierzu:
a) Da ward das Weib mächtig über die Frau Amtsräthin. Lewald Ferd. 1, 170, die natürlich weibliche Empfindung überwand die aus dem Bewusstsein der Stellung hervorgegangne etc.
b) mit nachfolgendem Gattungsnamen od. Ew. nach Art eines Eigennamens, spottend: F. Wunderlich [Juno]. Blumauer 2, 3; F. Klüglin, die Vernunft. Luther 6, 322a; Warum, F. Weisheit? haltet euren Mund, Prophetin! Schlegel Sh. 1, 119, vgl.: Hör, Fräulein Zierlich du! 118 etc.; vgl. Jungfer Naseweis! etc.
c) zuw. auch von Unverheiratheten (vgl. 1 und 5): Liebe F.! Chamisso 6, 252, Anrede des armen Heinrichs an die sich für ihn auf- opfernde Jungfrau; Königliche F. Sch. 427a, Anrede an die „jungfräuliche“ Elisabeth. So heißt in Ostreich die älteste Princessin von ihrer Geburt ab: Große F., so in Klöstern die Nonnen, zum Unterschied von den Laienschwestern: F. Klara etc., wie die Abtissin: Hochwürdige F.; Beide F–en [die Abtissin und die ins Kloster eintretende Jungfrau]. Platen 4, 374.
d) nam. aber von der Jungfrau Maria: Kommt zu der großen F–en, | die doch noch Jungfrau ist und ihres Sohnes Kind. Opitz 1, 13; Unsre liebe F. | verleihe nur, daß Alles wohl gelinge! W. 11, 216 etc. In vielen Pflanzennamen etc.: Unser F–en Bettstroh, unser F–en Händschuh, unser F–en Schüchlein, Mantel, Schlüssel, Münz und Brotsam. Fischart B. Ila, vgl. F–en- (oder Marien-) Distel, -Eis, -Flachs, -Glas etc.; Liebfrauenmilch etc. So auch: Der großen F. zu Zürch [dem ihr geweihten Kloster] bin ich vereidet. Sch. 530b.
e) als Titel auch von personificierten Wesen: Was fand sie da am Wege stehn? | Eine Hasel, die war grüne. | „Nun grüß dich Gott, Frau Haselin!“ Uhland V. 67; Die liebe F. Faßnacht und den Jungherren von Frohnfasten. Fischart B. 49b etc. 6) als allgm., umfassendes Wort zur Bez. des weibl. Geschlechts ohne Rücksicht auf das Verheirathet-sein, vgl. den Ggstz.: Mann: Die Hauptfrage ist: wie kann cin Frauenzimmer seinen Charakter . . gegen die Umgebung retten? Hier beantwortet ein Mann die Frage durch eine Männin; ganz anders würde eine geist- und gefühlvolle F. sie durch ein Weib beantworten lassen. G. 32, 180; Wo ist der Mann, | die F., mit der ich, wie mit dir, | aus freiem Busen wagen darf zu reden? 13, 129; Willst du genau erfahren, was sich ziemt, | so frage nur bei edlen F–en an. 132; 19, 380; 11, 174; Und Herrn und F–n am Hofe, | die waren sehr geplagt. 91; Ehret die F–en! Sch. 80b; Die fühlende Seele der F. 81a; 93a; Alle die Männer umher und F–en | auf den herrlichen Jüngling verwundert schauen. 63a; Umringt von ihren F–en [in Bezug auf vornehme Dienerinnen, vgl. Kammer-F.], | die Herrlichste von allen stand sie da. 46a etc. So auch von übermenschlichen, gespenstischen Wesen etc.; so heißen Nymphen, Sirenen, Dryaden etc. F–en: Berg-, Meer(es)-, Wasser-, Wald-F–en etc.; Die weiße F. etc. Ferner: Das Traumbuch fragt’ ich weiter nicht | und keine weise (s. d.) F. B. 16a; Scheffel Tr. 169. Dagegen: Verständige F–en [wohl nach dem franz. sage–femme]. Schweinichen 3, 40 = Hebamme. 7) übertr.: Schöne F., eine Pflanze, Atropa belladonna, und eine Walzenschnecke, Conus nobilis. Junge F. (die Neuvermählte), eine Bachweiden- Motte. Oken 5, 1315.
Anm. Ahd. frouwâ etc. zu frô, goth. fráuja, Herr, wozu das Ew. frôn, sich auf den Herrn beziehnd, vgl. Frohn-Altar, -Fasten [schwzr. mit der Nbnf.: Fraufasten], -Leichnam etc.; Frohn-Dienst, frohnen, fröhnen. Grundbegriff also die Herrin (vgl. z. B. Gudrun 590, 2), vgl. froh, frei, freien etc. Das ältre Fraue z. B. noch Simrock Gudr. 148, 1 hat sich nam. noch lange im Gen. und Dat. der Ez. Frauen erhalten, s. o. die mit * bez. Beisp. u. z. B. G. 12, 192; 208; 13, 233; 326; 23, 102; Sch. 1, 209; H. 15, 106; W. 20, 241 etc., nam. in dem vorangestellten Genit., da ohne Kasuszeichen Härten und Zweideutigkeiten entstehn, vgl.: Geben Sie das Ihrer F. Schwester, und —: Ihrer F–en Schwester = der Schwester Ihrer F., wie man, in der Prosa wenigstens, außer in der Anwendung 5d, jetzt vorzieht, zumal die Form auf —en sich von der Mz. nicht untersch., für welche freilich nach niederd. Weise auch: Frauens vorkommt, z. B. G. Stein 1, 133; 3, 59; 65; 71; 73 etc., vgl. Fräulein, Anm. In der Verkl. gw. Frauchen, zur Bez. des Lieben, Artigen, Trauten etc., z. B. Börne 1, 173; Göckingk 2, 135; G. Sch. 1, 107; GotthelfU. 2, 116; 192; Immermann M. 1, 371; Keller gH. 4, 280; LvS. 153; König Kl. 2, 388; Zelter 1, 372; 2, 309; 406; 5, 272; 6, 18 etc., selten: Fräuchen s. H. Erinn. 1, 365, vgl. Sanders Progr. 79a; dafür schwzr.: Fraueli. Gotthelf G. 40; U. 1, 367; 377; 2, 21; 195; 214; 250 etc. und Fraulein. Hebel 3, 82, versch.: Fräulein (s. d. und Haus- F.). In der Volksspr. verkürzt: Fer. Schm. 1, 599, vgl. Jungfer. Zu 3 vgl. L. 5, 41, wo er als „kriechend, pöbelhaft und ekel“ aus einem Buche anführt: „Ein Gemahl hat eine F.“ [statt: Gemahlin] etc.
Zsstzg. vielfach, z. B. a) nach dem Geschäft etc. des Mannes: Advokaten-F., Frau eines Advokaten, so: Amtmanns-, Arbeiter- Bäcker-, Bauer-, Bergmanns-, Bürger-, Maurer-, Officiers-, Schneider-, Schuster-, Tischler-F. etc. (versch.: Frau Amtmännin od. F. Amtmann etc., bei Titeln, die der Frau vom Manne zukommen). b) Ferner nach dem Geschäft der Frau selbst, z. B. = Händlerin, Verkäuferin: Apfel-, Butter-, Eier-, Gemüse-, Hühner-, Käse-, Kirschen-, Kräuter-, Lumpen-, Milch-, Obst-, Wurzel-F. etc.; nach der Beschäftigung: Arbeits- (auf Arbeit gehnde), Bett- (die Betten machende), Bettel- (Bettlerin), Boten- (Botengängerin), Höker-, Kauf- u. Handels-, Koch- (für Andre kochende), Plätt-, Scheuer-, Trödel-, Wasch-F. etc., s. u.; daneben die Zsstzg. mit „Weib“ in verächtlicherem Sinne, z. B.: Fisch-, Fratschel-, Höker-, Bettel-, Waschweib etc. Entsprechend zu b sind die Zsstzg. mit: Mädchen, Junge, Mann. Einzelne der Zsstzg. können zu a und b gehören: z.B. Schneider- F., Frau eines Schneiders und Frau, die schneidert, vgl. Schneidermamsell etc., s. auch Arbeiter- u. Arbeits- F. Ahnlich kann Bauer(n)-, Bürger-F., die Frau eines Bauern, Bürgers oder auch eine F. aus bäuerlichem, bürgerlichem Stande bez.; ein Unterschied aber in der Form, wonach z. B. eine Adlige, die einen Bürger geheirathet, eine Bürgers-, nicht eine Bürger-F. sein soll, wird wenig beachtet. Vgl. noch Gutzkow Unterhalt. 2, 1, 376, wo er zu dem Ausdruck „die Bäuerin“ in einer Schildrung norddeutschen Lebens die treffende Anm. macht: Ist diese Bez. nicht süddeutsch? Sagen wir in Norddeutschland nicht [volksthümlich] Bauersfrau?“ S. auch Herr. Wir erwähnen nach dem Gesagten noch bes.: Aāl-: Aalhändlerin, aber auch ein aalartiger, lebendige Junge gebärender Fisch, Aalmutter, Blennius viviparus.
Ahn-: Ahnin, Großmutter und Stamm- Mutter: „Die A.“ von Grillparzer; Wenn eine Schaar Gevatterinnen, Basen | und A–n sich um einen Jüngling drängt. W. 12, 279; Ur-A. G. 3, 146. Schwzr. = Großmutter. Pestalozzi 4, 52.
Ált-: alte Frau. Gervinus Sh. 1, 101; Vorsteherin: Hexen-A. B. 302b. Amt: veralt., mundartl.: Amtmannin. Zinkgräf A. 1, 253; auch eine ein Amt verwaltende Frau.
Bāde-: Aufwärterin beim Bade; ferner: Bademuhme, Hebamme.
Bēī-: Neben-, Kebs-F.; auch die der Hebamme beistehnde, sie unterstützende Wickel-F.
Bérg-: im Berg lebende F., Bergnymphe.
Chōr-: Kanonissin, Dom- F.
Dīēnst-: weiblicher verheirathete Dienstbote (vgl. Dienstmädchen); Frau, die Frohndienste thut (vgl. Dienstmann etc.).— Dōm-: Chor-F.
Edel-: adlige Frau [3 u. 5c]: Die Ritter und E–n. Sch. 70b; 405b. So auch: Ein tapfres Edelfräulein [unverheirathet]. Streckfuß Rol. 1, 69. Ehe- [3]: Spr. 18, 12; Ein E–chen standesmäßig zu ernähren. Tieck N. 2, 17; veralt.: Ehefräulein. Luther 5, 88b.
Erden-: auf Erden lebende, irdische F. (vgl. Himmels-F.). Sch. 452b.
Frēī-: Freiherrin: dagegen Freifräulein, noch unverheirathete weibliche Person freiherrlichen Stands. Hāūs- [2; 3]: Sir. 36, 26; Meine H. Chamisso 3, 195; Drinnen waltet | die züchtige H., | die Mutter der Kinder. Sch. 78a. Hímmels- [5d]: Jungfrau Maria, vgl. Himmelskönigin. Keler gH. 4, 15.
Hōf-:
1) hofhörige (s. d.) Frau.
2) Frau am fürstlichen Hofe, gewöhnlicher Hofdame, s. Hoffräulein. Júng-:
1) nach heutigem allgm. Gebrauch, eine Person weiblichen Geschlechts von unverletzter Keuschheit. 3. Mos. 21, 13ff.; Wann man keine J–en hat, muß man wohl mit Huren tanzen. Zinkgräf 2, 63; 27; Einer geheiligten J–en. Möser Osn. 1, 63; Die J. von Orleans. Sch. 448; Eine reine J. | vollbringt jedwedes Herrliche auf Erden. 459a. Verkl.: Jungfräu(e)lein. Arndt 340; Freiligrath G. Pol. 1, 50; Platen 3, 8; Prutz Woch. 58 etc. Jnsonderheit: Die heilige J. [5d], Maria. Eine Schwanen-J. Gutzkow R. 4, 47, die dem Schwanenorden angehört.
2) übertr., namentl. als Prädik., zur Bez. alles Reinen, Unverletzten, z. B. von reinen Junggesellen. Offenb. 14, 4; SClara EfA. 1, 332; von Festungen, die sich noch Keinem ergeben haben etc. (s. jungfräulich 2).
3) ein Sternbild im Thierkreis. 4) Eine „numidische J.“, die zwischen den Hühnern des Hofes frei umherstolziert. Kohl Südr. 1, 18; 2, 142, Ardea virgo, das numidische Jüngferchen etc.
Anm. Mundartl. = Dienstmädchen. Gotthelf G. 265, s. das verkürzte „Jungfer“, das als das abgeschliffnere Wort von der ehrenden Bed. sehr eingebüßt hat, wo auch andre Bed. und nam. Zsstzg. angeführt sind. Früher Titel, wie Fräulein, s. Schm. 1, 598, und Gedike über Du u. Sie. 21. Kámmer-: zur unmittelbaren Bedienung einer vornehmen Dame, an fürstlichen Höfen auf die Hofdamen folgend. Kêbs-: Konkubine, Bei-, Nebenfrau, Beischläferin; gw. (s. o.) Kebsweib. Kínder-: Kinderwärterin; zuw. = Hebamme. Klāge-: deren Geschäft es ist, den Todten zu beweinen, Leichen-, Leid-, Trauer-Frau (-Weib); übertr. auch = Todeneule, Strix funerea. Klōster- [5c]. Lēīchen-, Lēīd-: s. Klagen- und Todten-F. Mêêr- [6]: (Mythol.) Oceaniden etc., Nire, Sirene (s. auch Manati). Nácht- [6]: Die Lamia war in den Kindermärchen der Alten ungefähr was die Popanzinnen, die N. und andre dgl. Unholdinnen in den modernen sind. W. HBr. 2, 232. Nêben-: Kebs-F. Luther 8, 21b. Schábbes-: bei Juden Aufwärterin am Sabbath. Heine Reis. 3, 314. Stámm-: Ahn-F., Stamm-Mutter. Schwab 465. Tōdten-: Leichen-F.; deren Geschäft es ist, die Lejchen zu waschen, oft zugleich die Leichenbitterin. Un-: (veralt.) unverheirathetes Frauenzimmer: Die schwangern U–n oder Wittfrauen helfen die Geburt abtreiben. Garzoni 185a. Auch wohl Frauenzimmer von unweiblichem Wesen. Wárt-: deren Geschäft es ist, Personen abzuwarten; Kranken-, Kinderwärterin. Wásser-: s. Meer-F. Wíckel-: deren Geschäft es ist, ein Kindzu wickeln; oft die Bei-F. der Hebamme. Prutz Mus. 1, 290. Wítt-: Wittwe (s. d.). Auerbach D. 4, 41; Zinkgräf 1, 63. Zīēh-: Die Ammen geben ihr eigenes Kind einer sogenannten Z. Auerbach Gv. 376, vgl. Ziehkind etc.