Faksimile 0485 | Seite 477
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fordern
Fórdern, tr.:
ein Verlangen, dessen Erfüllung nothwendig ist oder scheint, dessen Gewährung man beanspruchen darf oder zu dürfen glaubt, in einer dem Gefühl auf ein solches Anrecht entsprechenden Weise zu erkennen geben, sinnverwandt: verlangen, heischen, beanspruchen etc., Ggstz.: bitten:
1) mit pers. Subj. und sachl. Obj.:
a) Etwas f., von Einem f., wobei das Obj. auch durch einen Satz ausgedrückt sein kann: Geld für eine Waare, seinen Lohn, Schadenersatz, Tribut, Rechenschaft, Genugthuung, Gehorsam, Unterwürfigkeit, Achtung etc. von Einem f.; Sintemal die Juden Zeichen f. 1. Kor. 1, 22; Sie forderten, daß er sie ein Zeichen vom Himmel sehen ließe. Matth. 16, 1; Heut fordern wir Rache .. Wir fo dern. B. 60b; „Um deinetwillen halt’ ich länger nicht | die Menge, die das Opfer dringend fordert“. | Um meinetwillen hab’ ich’s nie begehrt [„gefordert“ 34, 167]. G. 13, 23; Viel schöner ist es, rein | und unverdient ein solch Geschenk empfangen, als halb und halb zu wähnen, daß man wohl | es habe f. dürfen. 138; Ich bitt’ es nicht von dir, ich darf es f. 142; 140; Er bat sie, bei ihr bleiben zu dürfen, er fordert nicht ..; er dachte nicht daran, daß er Recht habe. 15, 101; Fordre Niemand, mein Schicksal zu hören! Holtei; Die Gesetzmäßigkeit, welche die Vernunft als moralische Richterin fordert, besteht nicht mit der Ungebundenheit, welche die Einbildungskraft als ästhetische Richterin verlangt. Sch. 1132a; Sie fodert [wünscht dringend] | von Trojens Fall aufs Neu von ihm Bericht. 38b etc.
b) mit einer Nüance: Etwas, nam.: etwas zu Zahlendes, zu Leistendes, an Einen f., wobei die Berechtigung der Fordrung stärker hervortritt, vgl. Fordrung an Einen, an-f.: Dann hat Niemand an mich zu f. Forster B. 2, 527; Jener Supplementband, den ich selbst an mich fordere, aber leider nicht verspreche. G. 40, 12; 9, 355; Klinger Teutsch. 258; Möser Ph. 3, 305; Vater! Sie hatten einmal ein Leben an mich zu f. Es ist bezahlt. Sch. 193b; 149a; Das Kapital, welches der Baron an Sie zu f. hat. Tieck N. 2, 119 etc.; bei Adelung: Er hat Nichts an mir zu f. Zuw. nam. schwzr.: Wenn Einer mit presthaftem Körper [von] ihm einen Pfennig fodert. Geßner 4, 140; Doch war es ihr grausam zuwider, dem Christen das Schlüsseli zu f. Gotthelf G. 34; Du darfst .. Niemand Nichts f. Pestalozzi 1, 207; Daß der Vater ihr eine zwote Tasse Schokolade forderte. Pfeffel Pr. 1, 147; Hatte mir meine Adresse gefordert. 2, 61; Man darf zu allen Zeiten Leuten von seiner Bekanntschaft zu essen und zu trinken f. Zimmermann Nat. 102 etc., s. Ab-f.
2) mit persönl. Obj.: Jemand f., sein Erscheinen f.; f., daß er sich stelle; Leute f., vor sich f. [berufen]. 2. Mos. 7, 11; 8, 8; 12, 21; Matth. 18, 32; G. 13, 74; Darf ich dich zu uns foodern? 11, 169; Die Glocke, die dich augenblicks | zum Himmel fordert oder zu der Hölle. Sch 563a; Einen zu Recht, vor Gericht, ins Vaterland heim f. Zinkgräf 1, 83; die Bürger aufs Rathhaus s. etc. Einen zum Zweikampf, zum Duell, vor die Klinge, aufs Schwert (Sch. 571a) f., ihn f.. so auch: Forderung (Kartell).
3) mit sachl. Subj. (s. 1 u. 2): nothwendig machen, in Anspruch nehmen, dringend heischen etc., vgl. er-f.: Darnach es die Noth fordert. 1. Macc. 8, 25; Fodern denn nicht unsre Pflichten etc.? Brockes 9, 36; Wie es eine wissenschaftliche Betrachtung fodert. Burmeister Gsch. 63; Waffenklang wird auch gefodert [als Bestandtheil eines Lieds]. G. 4, 7; Die neue Zeit | auch neue Röcke fo dert. Heine Verm. 1, 206; In dessen Aug ein Feuer lodert, | das Wollust strömt und Wollust fodert. Pfeffel Po. 3, 56; Jetzt fordert[2: ruft] mich ein dringend Werk von hier. Sch. 494b; Ihr Anerbieten fodert meine ganze Dankbarkeit. Schlegel Flor. 17; Ein solches Werk fordert Ausdauer, die ganze Kraft eines Mannes, einen ganzen Mann, mehr als ein Menschenleben etc.
Anm. Ahd. fordarōn, mhd. vordern u. vodern. Luther schreibt: fodd ern, z. B. 6, 54a; 352b; 8, 19b; 20a etc., so auch in der Bibel, z. B. Richt. 5, 25; Ps. 78, 18; Esr. 7, 21 etc., vgl. Fedd er etc. Häufig ist: fo dern (s. o.), z. B. auch Platen 4, 283; Sch. 4a (Reim: modern); 1, 70 und 86; Mar. Stuart 11; 14 etc., wo die Ausg. in 1 Bd. ein r einschiebt; V. Od. 2, 78; 3, 324 etc., nam.: Wenn Jemand z. B. dem harten ohrfolternden fordern das weichere wohlklingendere fodern vorziehet. B. 370b. Vgl. fördern (wo der Ausfall des r allerdings ungewöhnl. ist), mit dem es wohl zum selben Stamm gehört. Dazu: Fo(r)derer (vgl. Förderer); Der Foderer. H. Phil. 13, 113, und Fo(r)derung (s. u.; vgl. Zsstzg.).
Zsstzg. z. B.: Áb-:
1) Einem Etwas a. [1b], es von ihm fordern, verlangen, auch übertr. [3]: Noch Dies ihm abzufo dern, des Herzens Gier ihn treibt. Chamisso 3, 316; Die feinen Details, welche dem Schauspieler in Jfflands Stücken abgefordert wurden. Devrient Sch. 3, 223; Daß die Langeweile des Zustandes mir eine mäßige Thätigkeit abforderte. G. 27, 77; Man wird Ihnen auf eine gewisse Thräne eine blutige Antwort a. Sch. 148b etc.
2) [2]: Einen a., ab(be)rufen, von einer Stelle etc.: Das Fieber, das .. den Menschen abzufo dern bestimmt ist, .. fordert ihn ab, weil es ihn abfordern soll. L. 11, 82 etc. Schwzr.: Ein Mädchen a., von den Eltern, um dasselbe werbend. Gott- helf G. 223; 373. Abforderung. Möser Ph. 2, 287. Án- [1b]: Etwas a., als sein Anrecht fordern, es dringend heischen: So großes Leisten fordert Großes an. G. 6, 437; Einem Etwas a., es von ihm fordern (veralt., s. Grimm); Einen a., mahnen: Wenn er ihn wegen des längst versprochenen Gedichts als einer Schuld, die er leicht bezahlen könne, anforderte. W. HBr. 2, 160; V. Ländl. 2, 288 etc.; (veralt.): Als ihn Bonifacius etwas höhnisch anforderte [anredete] und fragte. Zinkgräf 1, 265. Anforderung, Anspruch; Anforderungen an Einen, auf Etwas haben, machen etc. G. Zelt. 5, 243; L. 11, 167 etc. Āūf-: Einen a. [2], aufrufen, nam. zu einem genannten oder zu ergänzenden Thun, vgl. aus-f.:
a) Eine Dame a., zum Tanz. G. 15, 119; K. M. Weber’s „Auffordrung zum Tanz“; Einen zur Mitwirkung, zur Theilnahme a.; ihn a., mitzuwirken; Ich .. forderte die besten Menschen mir zu Freunden auf, | Unmögliches .. zu vollbringen. G. 13, 138; Zu gleichem Preise sieht sich aufgefo dert, | wenn gleicher Trieb im edlen Busen lodert. 6, 373; Meine Einbildungskraft war angeregt und mein Scharfsinn aufgefordert [3]. 20, 80; Frisch und neu aufgeforderte Talente. 3, 172; Mußte auch die Aufforderung entstehen, die Farbe zu entfernen. 39, 7; Die Gefahr, die die größte Geistesgegenwart des Wachenden a. [3: in Anspruch nehmen] würde. Sch. 699b; Jemandes Schutz a. 1011b; Der ganze Adel ist in mir aufgefordert [zur Rache], der ganze Adel muß meine Rache theilen. 155a etc.; Viele Aufforderungen erhalten, annehmen, ablehnen etc.
b) Kriegsk.: Die Besatzung eines Platzes, einen Platz, das Schloß a. Sch. 415b; Die Stadt durch einen Trompeter a. 949 etc., zur Übergabe; Den bedenklichen Auftrag der Aufforderung Verdun’s zu übernehmen. G. 25, 22 etc.
c) so auch: Eine Spielbank a., sprengen. Sch. 718a etc. Einen a. [2], bes. zum Kampf, nam. zum Zweikampf: Der den gerechten Friedrich | und seine Grenadier’ | ausfordert. Gleim 4, 122; Seinen Nebenbuhler ausgefordert ... Den Stallmeister heraus zufordern. G. 16, 164; Ich .. müsse ihm Satisfaktion geben .. Ich ließ mir seine Ausforderung gefallen und wollte ziehen. 20, 112; Opitz 2, 250; Welcher zum Kampf ausfo dert den Freund. V. Od. 8, 210; Weil er ihn selbst ausfo derte, Pfeile zu schnellen [zum Wettkampf]. 228 etc. Ausforderer. Sch. 148b. Be- (veralt.): Etwas b., fordern. Leibnitz 2, 271; Weichmann 1, 54 etc. Rechnungen b., beitreiben. Möser Ph. 4, 309, vgl. ein-f. Geld, Schulden, Zinsen etc. e., einkassieren. Chamisso 3, 239; Habe ich Etwas von der großen Schuld abtragen können, die deine Dienste an mich e. [1b u. 3] können? Klinger F. 307. Er-:
Āūs-: Bēī-: Eīn-:
1) veralt., mundartl.:
a) Etwas e., es zurück-f. Luk. 19, 23.
b) Einen e., fordern, auffordern, zu sich berufen. Luther 6, 330a; Wenn er .. aus diesem Leben erfordert wird. Schaidenraißer 6a; Unerfordert heimkommen. 69b; Zinkgräf 2, 31; 39 etc.
2) Eine Sache erfordert Etwas, nimmt nach ihrer Beschaffenheit es für sich in Anspruch, macht es nothwendig: Die Arbeit erfordert Fleiß, Aufmerksamkeit, Übung, viel Zeit etc. S. Erforderlich, -nis. Hêr- etc. [2]: Ap. 10, 29; Er fordert [ruft] Künstler her. Lichtwer 138; Errath ich etwa nicht, warum die Tochter hergefordert worden? Sch. 345b etc.; Wenn nicht ernste Betrachtungen in die einsame Dämmrung dich hinfodern. Geßner 1, 40 etc. Nam.: Heraus-: Einen zum Zwei-, zum Wettkampf h., s. aus-f.; Ob er schon in Behandlung der Orangerie .. die Natur selbst hätte h. können. G. 15, 230; Er fordert sie | heraus .. einen Speer mit ihm zu brechen. W. 11, 132; Schwenkte er gleichsam herausforderungsweise ein großes Beil. Forster R. 1, 169 etc. Nāch-: nachträglich fordern etc.: Aus so kleinen Nachf o derungen kannst du sehen, welche große Vorfoderungen [vorhergehende Forderungen] Ihr Beide erfüllt habt [als Übersetzer]. JP. HV. 55. Über-: Einen ü., übertheuern; Etwas ü., einen zu hohen Preis dafür fordern: Ein unverschämtes Ü. und die ekelhafte Nothwendigkeit mit diesen Gaunern handeln zu müssen. Gutzkow Schr. 3, 286; Einen Vater werden Sie um diese gnädige Taxe nicht überfordert [zu theuer erkauft] finden. Sch. 199b. Vōr-: Einen v., vor Gericht etc. fordern. Chamiso 4, 12 etc. S. auch nach-f. Wīder-: zurück-f.: Wird er wi(e)derfo r dern den gestohlnen Schmuck. Sch. 17a; 319b; Dem Wi(e)derforderer der Todten. 22a etc. Dagegen: Wieder-f., nochmal fordern. Zū-: Etwas zu dem bereits Erhaltnen hinzufordern. Zurück-: etwas früher Besessnes: Rückert Rost. 102b; W. HBr. 1, 76 etc. Zusámmen-: durch Fordern zusammenbringen, Personen oder Sachen etc.