Faksimile 0388 | Seite 380
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Eule
Ēūle, f.; –n; Eulchen; –n-: 1) die Familie der
Nachtraubvögel, Strix, mit dickem, katzenähnlichem
Kopf, mit einem Federkreis, dem ſogen. Schleier, um
Augen u. Ohren, mit weichem Gefieder und kaum hör-
barem Fluge (ſ. Zſſtzg. und Kauz). Die andern Vögel,
wie z. B. Krähen, Dohlen ꝛc., verfolgen jede bei Tag
ſich zeigende E. (ſprchw.: Er lebt wie die E. unter den
Krähen = verfolgt, verſpottet), weßhalb Vogelſteller
die E. zum Vogelfang benutzen, ſ. Döbel 1, 80; 2, 260
(ſprchw.: Er weiß, ſeine E. wohl zu ſetzen, ſ. Friſch 1, 234
= ſeinen Fang zu machen, ſeinen Vortheil wahrzuneh-
men). Die Stimme der E. iſt ein durch die Nacht ſchal-
lendes ſchauerliches Geheul (ſprchw.: Des Einen E. iſt
des Andern Nachtigall = der Geſchmack iſt verſchieden),
das vielfach, wie auch der Vogel überhaupt, als un-
heildeutend angeſehn wird; daher auch: Da ſaß ne E.
[die Sache mißglückt ꝛc.] und ſ. 2e. Oft gilt der licht-
ſcheue Vogel als Bild der Lichtfeinde, namentl. im
Ggſtz. des zur Sonne auffliegenden Adlers (ſ. d. und
Aar); andrerſeits auch der „im Dunkel ſehnde“ Vogel
als Vogel der Weisheit, der Weisheitsgöttin Minerva
bei den Alten; ferner die E. als Bild des düſtern Ern-
ſtes, der wüſte Einſamkeiten aufſucht, der Häßlichkeit
(Weidner 272) ꝛc. Sprchw.: E–n nach Athen [Waſſer ins
Meer] tragen; Von E–n kommen nicht Sperber. Schaiden-
raißer 14a [der Apfel fällt nicht weit vom Stamm];
Spott nicht mit der [über die] E., das iſt auch ein Vogel.
Höfer V. 198 ꝛc. E–n werden in ihren Paläſten ſingen. Jeſ.
13, 22 [ſie werden verwüſtet liegen]; Die E–n krächzen
. in ihren verborgenen Horſten. Auerbach Ab. 233; Aus
Adlern zu E–n, aus Denkern zu Myſtikern. Börne Franz. 113;
Ihm ſingt die E. nicht banges Unglück. Geßner 3, 91; [Es
kommt] ſein ganz Geſicht der E. | verzerrtem Ernſte bei. G.
1, 33; Kauz und E. | heul’ in unſer Rundgeheule. 8, 370;
Einen alten Thurm, um den meine E–n-Seele gern wohnt.
Stein 1, 184; Daß aus jenem Thurm .. die E. ſchauervoll
dem blaſſen Monde klagt. Gotter 1, 188; In den Falten über
dieſen verwitterten Augbraunen brüten fabelhaft gelehrte E–n.
Heine Sal. 1, 9; Einſam wimmerte auf hohem Dach die E. |
ihr todweisſagendes Geheule. Sch. 43a; Den E–n-Geſang.
199a; Ein wahres Mittelding von Kupplerin und E. ..,
die Amme. W. 11, 228; Zum kleinſten Eulchen. 12, 252 ꝛc.
2) übertr.: a) Uhlen heißt bei uns, mit der Uhle, dem
borſtigen Wandbeſen, Staub und Spinnenwebe abfegen. Klop-
ſtock ſchreibt E. (Oden II. S. 3), welches dem Hochd. nicht
verſtändlicher iſt und kein Handlungswort eulen zuläſſt [warum
nicht ?]. V. 2, 221. Hand-E.: kleiner Handbeſen,
nicht an langer Stange, mit weichen, dem Eulengefie-
der vergleichbaren Borſtenhaaren. b) eine Art von
Haube für Wickelkinder, gewöhnl. vorn um den Kopf
herum gefüttert und mit kleinen Spitzen oder Kanten
beſetzt. c) irdne Kinderpfeife, die, mehr oder minder
mit Waſſer gefüllt, Töne von verſch. Höhe giebt.
d) unter den Schmetterlingen die Nachtfalter, die ge-
wöhnl. erſt nach Sonnenuntergang fliegen (Noctua),
vgl. Phaläne und ſ. Zſſtzg., meiſt nach den Pflanzen
benannt, auf denen ſie ſich gewöhnlich aufhalten.
e) Schiff.: Das Schiff fängt eine E., bekommt, beim
Winde ſegelnd, den Wind plötzlich vorn, vgl. 1: E.
als Bild des Unheils und Mißglückens, ferner Ka-
pelle 4.
Anm. Nach dem Geheul benannt; ahd. hüwo, hüwila,
ûwila. üla, mhd. hüwe, hiuwele, iuwel, iule ꝛc., vgl. Uhu
und lat. ulula ꝛc.
Zſſtzg., namentl. die Arten von 1, was wir un-
bezeichnet laſſen und von 2d bez., nicht immer ge-
nau geſchieden und daher ſchwankend, z. B.: Ādler-:
St. bubo, Uhu. Āhorn- [2d]: Phalaena aceris.
Bāūm-: St. scops; Die große B., Grau-E.; Ha-
bichte ſammt B–n. V. Od. 5, 66. Bēīfuß- [2]:
Noctua artemisiae. Bérg-: Uhu. Bránd-:
1) Knarr-E. 2) [2d] Bombyx chrysorrhaea.
Bǖcher- übertr. wie Bücherwurm (ſ. d.). Freitag Soll
1, 343 ꝛc. Būch-: Uhu. Búſch-: St. fam-
mca; St. ulula; Die graue B., Grau-E. Erbſen-
[2d]: Phalaena pisi. Erd-: St. cunicularia.
Eſels-: Ohr-E. Fálken-: St. accipitrina.
Fíchten- [2d]: Bombyx pini. Fúchs-: Ohr-E.
Gámma- [2d]: N. gamma, auch der goldne
Buchſtabe genannt: Die kupferbräune G. Tſchudi Th. 520.
Gēīer-: Falken-E. Góld-: 1) Uhu. Tſchudi
Th. 191. 2) [2d]: Phalaena chrysilis. Grāb-:
Todten-E. Grās- [2d]: Bombyx gcaminis.
Grāū-: St. cinerea. Hābicht-: Falken-E.
Hánd- [2a]. Hāūs-: Todten-E. Hópfen-
[2d]: N. humuli. Hórn-: Die gemeinſte Ohreule
iſt der kleine Uhu, St. otus, Wald-Ohreule . . Die Feder-
büſche der Ohren halb ſo hoch als der Kopf, weßwegen man
ſie auch H. nennt. Tſchudi Th. 111. Kanīnchen-:
Erd-E. Kátzen-: Horn-E. Kāūz-: Schleier-
E., vgl. Ohr-E. Kírch(en)-: Stein-E.
Kírr-: Knarr-E. Knápp-: Horn-E. Knárr-:
St. stridula. Kōhl-: Schleier-E. Krāūt-,
Láttich- [2d]: N. oleracea. Lánd- [2d]:
ein Inſekt aus der Gattung der Netzflügler: Stink-
fliege. Lēīchen-: Todten-E. Mángold-
[2d]: N. meticulosa. Marrōnen- [2d]: N.
quadra. Mǟūſe-: Grau-E. Mignatūr-:
N. pulchella. Mōōr-: Sumpf-E. Nácht-:
1) vgl. den Ggſtz. Tag-E. 2) [2d]. Öhr-:
Man unterſcheidet in der Familie der Eulen die ſogenannten
O–n mit aufrechtſtehendem Federbuſche über jedem Ohre, und
die Käuze oder Glattköpfe ohne Federohren. Tſchudi Th. 110,
mit vielen Unterarten, z. B.: Baum-, Sumpf-,
Zwerg- (Ohr-)eule ꝛc. Pérl-: Schleier-E.
Póſſen-: St. scops. Púnſch-: Grau-E.
Ránz-: 1) Schleier-E. 2) Horn-E. Sāūer-
ampfer- [2d]: N. pronuba. Sāūm- [2d]:
Die rothbraune S., deren Raupe an den Primeln und
Aurikelſtöcken zehrt. Tſchudi Th. 519. Schēū-
[2d]: Mangold-E. Schēūn-: Todten-E.
Schlēīer-: St. flammea. Schnēē-: St. nyctea,
eine nordiſche Tag-E. Schleiden (DMuſ. 1, 1, 191) ꝛc.
Spátzen-, Spérlings-: Todten-E. Spér-
ber-: Falken-E. Stēīn-: Schleier-E., und St.
ulula, der große Kauz. Stóck-: Todten-, Poſſen-
und Knarr-E. Súmpf-: St. palustris; Sumpf-
ohreule, St. brachyotus. Tāg-: ſ. Schnee-E.
Thúrm-: Stein-E. Tōdten-: St. passerina.
Wáld-: Grau-, Poſſen-, Todten-E. Zíſch-:
Knarr-E. Zúckererbſen- [2d]: Erbſen- und
Gamma-E. Zwérg-: Todten-E.; Die Zwergohr-
eule, St. scops; Poſſen-E., vgl. Zwergkauz, St. pyg-
maea U. á. M.