drängen
Über-Drängen
üm-drängen
Drängen, tr., refl. und intr. (haben):
eigentl.: so viel Raum einnehmen, daß Etwas gedrückt (s. d.) wird, sei es nun, daß es durch diesen Druck eng zusammengepresst oder dadurch fortbewegt, getrieben, geschoben wird — und demgemäß auch übertr.: in beengende, peinliche Verhältnisse bringen, Druck und Noth empfinden lassen etc., und: mit unwiderstehlich andringender Gewalt zu Etwas bewegen, treiben, nöthigen, zwingen etc. —
1) tr.:
a) eigentl.: Jch stand mitten im Haufen und wurde von allen Seiten gedrängt; Er drängte mich an die Wand etc.; Eine Welle drängte die andre etc. —
b) dazu namentl.: Gedrängt, auf engen Raum zusammengebracht, dicht geschaart, in großer Menge etc.: Bank an Bank gedränget sitzen. 58a; Es saßen hier g. die schönsten Frauen, | g. die ersten Männer. 13, 125; Regierungsveränderungen .. folgten sich g. 39, 291; Früchte reiften mit g–em Segen. 6, 50; Ein Quell g–er Lieder. 11, 10; Götterbilder, bunt-g. 10, 273; Jene schwarm-g–e Schaar. 305; Ein tiefes, von alten und jungen Eichen voll- g–es Bergthal. 26, 237; G. voll. V. 108; Als .. voll die Versammlung g. war. Od. 2, 9; Schwarz um die Schiffe g. lag Finsternis. 9, 144; G. in den Ställen | war’s von Lämmern. 219 etc. So als botan. Kunstausdruck: G–e Blätter, Blumen, Dolden, Ähren etc.; ferner von der Schreibart, insofern die Gedanken in möglichst wenig Worte zusammengefasst sind: Daß die Poesie, welche mit Musik verbunden werden soll, nicht von der ge- drungenen Art sein muß ... Jede Poesie, welche nicht g. und gepresst ist. 11, 153 (s. dringen 3) etc. — Dazu auch: Gedrängtheit, f.; –en: Die G. und Dichtheit des Lichtes. 39, 29; In unverkünstelter G. und kerniger Kraft. 436; DM. 1, 2. 139 etc. —
c) übertr. = Druck, Noth empfinden lassen, bedrücken, bedrängen: Dein Grimm drücket mich und drängest mich mit allen deinen Fluthen. 88, 8; Sie wurden hart gedränget ... Die, so sie zwangen und drängeten. 2, 15 ff.; Daß die Protestanten von ihnen gedrängt, wo nicht [stärker als das einfache d.] bedrängt wurden. 21, 200; Wie d. mich Mauern! wie ängstet das Haus! 10, 270; Meine Widersacher | d. mich. 12, 35; 11, 11; Leider sind auch sie | gebunden und gedrängt. 13, 304 etc. —
d) = zwingend treiben, jagen, bewegen: Eile, dränge und treibe deinen Nächsten. 6, 3; Der Trödel, der mit tausendfachem Tand | in diese Mottenwelt mich drängt. 11, 30; Gedrängt von den Ermunterten. 13, 78; Deine Gegenwart ... drängt sie nur seitwärts und verscheucht sie nicht. 46; Seine Gegner bei Seite zu d. 39, 322; Eine Lustbarkeit drängte die andere. 735a; Mich drängt die Begierde des Weges. Od. 1, 316. — Namentl.: mit unwiderstehlicher Gewalt bewegen, zwingen, Etwas zu thun: Ein großes Übel dränget sie zur Wahl. 13, 306; Seine Überzeugungen Andern mitzutheilen gedrängt. 39, 133 etc.; auch unpersönlich: Mich drängt’s [ich fühle den Drang, den unwiderstehlichen Trieb], den Grundtext aufzuschlagen. 11, 51; Wie drängte mich’s .., ihm um den Hals zu fallen. 347a etc. —
2) refl.:
a) s. 1a u. b, namentl. oft mit Präpos., die Richtung der Bewegung anzuzeigen: Drängete sie sich an die Wand. 4. 22, 25; So ragten, Reih’ an Reih’, die dichtgedrängten Speere, | alswie auf gutem Feld sich dränget Ähr’ an Ähre. Rost. 63a; Viel edle Schotten drängten sich an mich [näherten sich mir innig]. 410a; Verflucht das Blenden der Erscheinung, | die sich an unsre Sinne drängt [unabweislich ihren Eindruck darauf geltend macht]. 11, 65 etc.; Drängte kühn sich | durch die wildbewegte Menschenmenge. 4, 287 etc.; Wenn sich der [Menschen-] Strom nach unsrer Bude drängt. 11, 5; Ihr Quellen alles Lebens, .. da- hin die welke Brust sich drängt. 22; Ich dränge mich zur Gnade nicht für mich. 8, 18; Sich zu einem Amt d. etc.; Ich drängte mich nicht selbst in sein Geheimnis. 357b; Das Herz zerschneidend, drängten sich .. alle Erinnerungen in das Gemüth des Betenden. A. 2, 189; Sich um Einen, unter die Menge, zwischen die Streitenden d. etc.; Vor seine Seele drängt es sich mit Macht, | wie er etc. (DMus. 5, 1, 27) u. ä. m. Auch: Sich um Billete d. [um sie zu bekommen]. —
b) (s. 1d): Was immer durch die Seele des Künstlers webt, was in ihm nach und nach sich zum verstandensten Ausdruck drängt. 31, 18 [mit dringender Gewalt sich dazu gestalten] etc. —
3) intr., wobei meist leicht ein Obj. (wie in 1 und 2) zu ergänzen ist und d. oft svw. mit dringen (s. d.) erscheint: In Einen d. [ihn mit Vorstellungen, Bitten bestürmen]; auf Etwas d. [dringend auf Etwas halten, hinarbeiten] etc.; Lastende Traube | stürzt ins Behälter | d–der [pressender] Kelter. 11, 61; Der d–de Zug zog fort. 5, 8; Des Hebens und D–s, Aufwälzens und Quetschens. 40, 299; In d–den [1c] Nöthen, in naher Gefahr. 1, 101; Dieser Zeiten d–der Moment. 6, 372; Der Ungeheuer Schwarm im Hintergrunde, | er drängt, er droht, jedoch erschreckt dich nicht. 54; Alles Andere, was sonst in sein Innres drängt, ist ja noch unreif. R. 3, 407; Jeder drängt zum Richter-Ohr. 8, 167; Ein großes Wachsthum, das .. immer drängt und drängt und irgend Etwas werden will. 387; Ein bedenkliches durcheinander-d–es Puffen. gH. 4, 292; „Und das Ende vom Liede?“ drängte [fragte dringend] Georg. Wandl. 2, 73 u. ä. m.
Anm. Faktitiv zu „dringen“ (s. d. u. drücken).
Zsstzg. z. B.: Áb-: Die Thräne, die ihr dem Auge des Unschuldigen abdrängt. Klinger 6, 129; Wie eines Riesen Arm liegt’s über mir und drängt ab [mich fort davon]. FrMüller F. 152; Daß sie mich nicht a. vom Eingang. V. Od. 22, 107 etc. — Án-: Dem Herrlichsten, was auch der Geist empfangen, | drängt immer fremd und fremder Stoff sich an [reiht sich drängend an]. G. 11, 29; Wie Hackert . sich .. an sie hätte a. [drängen] können. Gutzkow R. 3, 135; Die Kühe .. | kamen daher, a–d [gedrängt an ein- ander]. V. Th. 25, 89 etc. —
Ǖber-: hinüber drängen: Aūf-: Die Thür a. [gewaltsam öffnen]. V. Od. 21, 50 etc.; Sieh, wie dieser marmorweiße Busen sich aufdrängt. Klinger Th. 3, 167 [gewaltig hebt]; Diese Gefühle . . drängten die Brust auf. 287; Sein Herz war durch ein Erdbeben aufgedrängt und aufgehoben. IP. 25, 14 etc.; Einem seine Freundschaft (Klinger 1, 370); sein Glück (4, 91); seine Meinung (5, 34) a. = aufdringen, sie ihm aufnöthigen etc., so auch: Sich a. mit einem innersten Herzensinteresse. Gutzkow R. 9, 21 etc. —
Āūs-: Einen aus seiner Stelle a. etc.; Sie drängten [gossen] Heere | über die Welt aus. H. 15, 261; Sich a.; sich gewaltig ausrecken. JP. 23, 202 etc. — Be- [1c]: Das B. der Arbeit. Auerbach D. 4, 333; Die Luft einziehen, sich ihrer entladen; | Jenes bedrängt, Dieses erfrischt. G. 4, 5; Den sonst so freien, jetzt bedrängten Mann. 13, 282; Fürchterlich | ist der bedrängten Unschuld letzter Blick. 339; Den bedrängten Sinnen Luft zu machen. 14, 65; In der Bedrängtheit einigen Beistand finden. 39, 82; Die Bedrängtheit seiner Lage. Rückert Morg. 1, 251; Ein Feind aller ungerechten Bedrängungen. —
Dúrch-: nam. refl.: sich drängend oder durch etwas Drängendes durch- arbeiten: Zu den .. Pferden mußte man sich ordentlich d. Hackländer Sold. 169; Vielmehr mußte er [Klinger, s. Drang, Anm.] sich durchstürmen, d. G. 22, 193 etc. —
Ēīn-: Jch hätte nicht an die Stelle der Achtung, die sie verdiente, eine Neigung e. sollen, die sie weder erregen, noch erhalten konnte. G. 17, 229; Felswände, in die sich der mächtige Fluß eindrängt. 26, 211; Als soviel Neues auf mich eindrängte. 21, 81; Die Soldatenmasse, zwischen die Häuser eingedrängt. Hackländer Sold. 116; Sich in Jemandes Vertrauen, in eine Stelle e. etc. —
Empōr-: Diese Betrachtungen drängten sich aus dem Innersten unsers Herzens empor. Forster R. 1, 44; Indem, hochschlagend vor Entzücken,| ihr Herz empor sich drängt. W. 20, 131. —
Ent-: wegdrängen: Jmmer noch | e. Bilder aus den vor’gen Tagen | der Freude, die aus deinen Augen strahlt. Tieck 10, 365. —
Entgêgen-: Drückt euch nicht vor seinem Namen weg, dem ihr euch sonst so froh entgegendrängtet. G. 9, 221. —
Fórt-: Einen f.,weg-d., forttreiben etc. — Hêr-, Hín- etc.: Nun drängt das Wirkliche mit dichten Massen | an mich heran. G. 13, 300; Den sich [aus der Kirche] heraus- drängenden Einwohnern. 19, 10; Endlich aber drängen sie doch wie Springfluthen unwiderstehlich an die Oberfläche hervor. Immermann M. 1, 166; Da drängte sich frohes Behagen hervor aus verödeter Ruh. G. 1, 75; Die sich herzu- drängten, die fremde Jungfrau zu beäugeln. Musäus M. 2, 138 etc. — Wie ein anhaltendes Glockengeläute mehr zum Wahnsinn als zur Andacht hin-d. G. 39, 102; Sie will der eine Theil zum höchsten Glück | berechtigt wissen, wenn der andre sie hinabzudrängen strebt. 13, 304; Tauchten dann hervor die Sterne, | drängt [treibt] es mächtig mich hinan. Uhland 77; Auf dem Markte drängt er durch die Menge| rasch hindurch sich. Platen 4, 296; Jch konnte nicht hin- eindringen und mich .. hinein-d. zu lassen, das wagte ich nicht. Börne Par. 1, 312; Wie du den Schwarm der Freier hinwegdrängst aus dem Palaste. V. Od. 1, 271; Sie drängen wundernd sich hinzu. W. 11, 118; 12, 42 u. ä. m. —
Lōs-: durch Drängen losmachen: Es kommt die Zeit, sie [die Raupe] drängt sich selber los [von der Puppenhülle]. G. —
Nāch-: Hier dränget sich der Unzufriednen Stimme .. nicht nach. G. 13, 230. —
Nīēder-: Das Murren gegen Schicksal und Welt, die uns niederdrängt. FrMüller F. 9. —
Nōth-: veralt. (s. dringen 3b). — I. Über-: übermäßig drängen, namentl. im Partic.: Aus dem überdrängten Herzen. G. 10, 284; Er war geschäftiger und überdrängter als nie. 18, 157; Ein überdrängtes Schiff. 26, 206; So war die Via sacra ... überdrängt mit Gebäuden. 30, 32; Überdrängt war die Stadt von Blessierten. 25, 116; 23, 155; 39, 47; Ich bin höchst überdrängt, zwar nicht von Sorgen, aber doch von Besorgungen. Zelt. 4, 106; Reinh. 171; Rom war so mit Fremden überdrängt. Tieck NovKr. 2, 400. — II.
Die in die Verbannung gehenden, aus Polen übergedrängten unglücklichen Kämpfer. 6, 31. — I. Um-: drängend umgeben: Sie um-d. ihn. 10, 312; Würdig sind sie, zu um-d. [umdrängt zu werden], | Krämerinnen, wie die Waare. 12, 22; Schreckgestalten .., die mich um-d. 1,76; Mögen ihn Adel und Unadel bestürmen und um-d. NKr. 3, 33; Meine Mutter um-d. mit unwillkommner Bewerbung| schaarenweis Söhne der Männer. Od. 2, 50; Ihr von Noth umdrängte Genossen. 12, 271; 340 etc. — II.
Üm-: tr.: Einen drängend umwerfen etc. — Ver-: weg-d.: Jene Erklärungsart .. wird von der newtonischen völlig verdrängt, nachdem sie vorher durch Boyle bei Seite geschoben war. 39, 169; 68; Der zurückgedrängte Gott bleibt, der sich nicht ver-d. lässt. Malk. 1, 125 u. o.; Verdrängung etc. — Vōr-: Seinen Günstling, sich überall vord. etc.; Daß diese .. Bilder sich seinem Gedächtnisse .. vordrängten. Leg. 1, 160 etc. — Vorán-: Der Schmutz und die Langeweile, die sich überall v. Or. 2, 3; Lasst uns nicht unsere Ideen . . v., sondern warten, was und wie es kommt. R. 7, 288. — Wég-: hinweg-d.: Ich küßte sie mit Ungestüm, sie drängte mich weg. 18, 226; 37, 8; Schob w–d die Riegel. Od. 21, 47 etc. — Zer-: Was wir um 3 Obole | uns oft zerdrängten in den Volksversammlungen. Ar. 3, 320, vgl.: zerquetschen etc. — Zū-: hinzu-d. etc.: Ihr, ver- ehrte Viele, die sich diesen Tag | zu unsres Festes Weihe mächtig zugedrängt. 6, 343; 11, 3; Nicht zugedrängt zu dieser Rolle hab’ ich mich, | vielmehr zu ihr geworben hast du mich. Woch. 110; Von einer Welle stets der andern zugedrängt. 12, 254 etc. — Zurück-: Drängt ungesäumt von diesen Mauern | jetzt Menelas dem [zum] Meer zurück! 12, 202; Weichend werden | sie nach der See langsam zurückgedrängt. 13, 83; Seine Gefühle z. etc. — Zusámmen-: Was Erfreuliches | an Waldung, Busch, an Wiesen, Bach und Seen | sich Phantasie z. mag. 13, 258; Dämmt ihr! drängt ihr! Ihr drängt nur die Kraft des Wassers zusammen. 14, 274; Ein zusammengedrängtes historisches Bild. 39, 290; Wie sich die Schafe bang z. 451a u. ä. m.
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